Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 06.04.1995; Aktenzeichen L 6 V 2524/94)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen den Beschluß des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 6. April 1995 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger auch über den 31. März 1994 hinaus Anspruch auf Pflegezulage nach § 35 Bundesversorgungsgesetz (BVG) hat.

Bei dem 1920 geborenen Kläger sind mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 vH gemäß § 30 Abs 1 BVG als Schädigungsfolgen anerkannt „1. Verlust des linken Oberarmes, 2. Epicondylitis im rechten Arm”. Nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) sind als Behinderungen zusätzlich anerkannt: „Epilepsie; degenerative Wirbelsäulenveränderungen. Der Grad der Behinderung nach dem SchwbG ist mit 100 festgesetzt. Außerdem sind die Voraussetzungen für die Merkzeichen „G” und „B” sowie für die Benutzung der 1. Wagenklasse festgestellt.

Nach Operation der Finger 3 und 4 seiner rechten Hand wegen einer Dupuytren'schen Beugekontraktur beantragte der Kläger im Dezember 1993 beim Versorgungsamt (VA) Pflegezulage nach dem BVG wegen Hilflosigkeit. Nach medizinischer Aufklärung des Sachverhaltes bewilligte das VA dem Kläger für die Zeit vom 1. Dezember 1993 bis 31. März 1994 Pflegezulage nach Stufe I sowie die halbe Ausgleichsrente und einen Ehegattenzuschlag. Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser die Gewährung der Pflegezulage auf Dauer begehrte, weil seine rechte Hand nicht mehr voll gebrauchsfähig sei, er deshalb Hilfe bei der täglich mehrmals erforderlichen Behandlung seiner Augen, beim Reinigen der künstlichen Zähne, beim Duschen, beim Herausnehmen schwerer Bücher aus dem Regal und gelegentlich bei der Entriegelung der Außentür seines Hauses benötige, wies der Beklagte zurück, weil der Kläger zwar gelegentlich, nicht aber im erheblichem Umfange fremder Hilfe dauernd im Ablauf des täglichen Lebens bedürfe.

Die dagegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Freiburg (SG) mit Urteil vom 30. September 1994 ab. Der Kläger bedürfe aufgrund seiner Schädigung auch unter Mitberücksichtigung seiner schädigungsfremden Behinderungen nicht in größerem Ausmaße fremder Hilfe. Er könne im wesentlichen die Verrichtungen des täglichen Lebens ohne fremde Hilfe bewerkstelligen. Es reiche aus, wenn ihm morgens, mittags und abends eine fremde Hilfskraft für einige Minuten zur Hand gehe, ihm etwa beim Anziehen des Kompressionsstrumpfes und bestimmter Kleidungsstücke helfe, ihm die morgendlichen Augentropfen verabreiche und das Frühstück zerkleinere, dies auch abends geschehe und die Hilfe im übrigen die künstlichen Zähne reinige.

Die Berufung, mit der der Kläger ergänzend auf weitere benötigte Hilfe bei Nahrungsmittelzubereitung und -aufnahme und hauswirtschaftlichen Tätigkeiten hingewiesen hat, hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Beschluß vom 6. April 1995). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Ob der Kläger so hilflos sei, daß er für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang fremder Hilfe dauernd bedürfe, sei Tatfrage, die vor allem aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände des einzelnen Falles zu entscheiden sei. Danach liege bei dem Kläger über den 31. März 1994 hinaus kein Zustand der Hilflosigkeit iS des § 35 Abs 1 Satz 1 BVG vor. Lediglich für einzelne Verrichtungen, nicht jedoch bei zahlreichen gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden, benötige er fremde Hilfe. Dies habe das SG im angefochtenen Urteil im einzelnen nachvollziehbar dargelegt. Der Senat nehme deshalb auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils in vollem Umfang Bezug und mache sie zum Gegenstand seiner eigenen Urteilsbegründung. Auch die vom Kläger im Berufungsverfahren geltend gemachten weiteren Verrichtungen rechtfertigten keinen Anspruch auf Pflegezulage über den 31. März 1994 hinaus. Selbst soweit die geltend gemachten Verrichtungen wie Hilfe bei Pediküre und Maniküre, Bettenmachen und Kleiderpflege zu berücksichtigen seien und nicht als Gegenstände der Haushaltsführung bei der Beurteilung der Hilflosigkeit außer Betracht zu bleiben hätten, seien sie nicht geeignet, den Kläger insgesamt als hilflos iS des § 35 BVG über den 31. März 1994 hinaus anzusehen. Bei Anlegen eines Verbandes im Falle einer Verletzung, aber auch bei Pediküre und Maniküre handele es sich auch um keine täglich wiederkehrenden und regelmäßigen Verrichtungen, so daß diese Umstände außer Betracht zu bleiben hätten.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 35 BVG, 62, 153 Abs 2 iVm § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und des Art 103 Abs 1 Grundgesetz (GG). Das LSG habe die in den Entscheidungen vom 23. Februar 1960 (BSGE 12, 20) und 11. Juni 1959 (SozR § 35 BVG Nr 7) aufgestellten Grundsätze zum Begriff der Hilflosigkeit in § 35 BVG nicht richtig angewendet. Das LSG habe nicht berücksichtigt, daß er bei der Nahrungszubereitung und -aufnahme einschließlich des Öffnens von Flaschen, beim Ankleiden, beim Öffnen und Schließen von Rolläden und Türen sowie beim Tragen von kleinen und erst recht größeren Gegenständen Probleme habe und auch an die Einnahme der wegen seiner Epilepsie notwendigen Medikamente erinnert werden müsse.

Außerdem habe das LSG seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es durch Beschluß entschieden, auf die Gründe des sozialgerichtlichen Urteils Bezug genommen und dadurch nicht sämtliche von ihm vorgetragenen, für die Annahme der Hilflosigkeit erheblichen Umstände in den Entscheidungsgründen berücksichtigt habe. Da das LSG sich mit seinem neuen Vorbringen nicht auseinandergesetzt habe, sei daraus zu schließen, daß das LSG es nicht zur Kenntnis genommen und erwogen habe.

Der Kläger beantragt,

den Beschluß des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 6. April 1995 sowie das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30. September 1994 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm gemäß § 35 BVG Pflegezulage der Stufe 1 auch über den März 1994 hinaus auf Dauer zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere gehörten hauswirtschaftliche Verrichtungen wie Bettenmachen, Wäschewaschen, Essenkochen, aber auch das Schälen von Obst und Kartoffeln nicht zu den für die Annahme der Hilflosigkeit nach § 35 Abs 1 BVG maßgeblichen Umständen. Gleiches gelte für das Hochziehen von Rolläden oder Öffnen der Haustür.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger ist nicht so hilflos, daß er Anspruch auf eine Pflegezulage hat.

Das LSG hat seine Entscheidung ausschließlich auf § 35 Abs 1 BVG in der bis zum 31. März 1995 geltenden Fassung des Kriegsopferversorgungs-Strukturgesetzes 1990 vom 23. März 1990 (BGBl I, 582) gestützt. Es mußte aber auch § 35 Abs 1 BVG idF des Art 9 Nr 12 Pflege-Versicherungsgesetz (PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBl I, 1014) beachten, weil der Kläger hier die Verurteilung des Beklagten mit einer Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) erstrebt. Bei einer derartigen Klageverbindung ist ebenso wie bei einer verbundenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage regelmäßig die materielle Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachen- bzw auch dem Revisionsgericht (vgl BSGE 68, 47, 48; 73, 25, 27 sowie Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 54 RdNr 34, mwN). Wird ohne mündliche Verhandlung entschieden, kommt frühestens der Zeitpunkt, zu dem das Urteil bzw der Beschluß beraten und der Tenor oder auch bereits die vollständige Entscheidung von allen Richtern unterschrieben worden ist, spätestens der Zeitpunkt ihrer Zustellung, mit dem diese wirksam wird (§ 133 SGG) in Betracht. Diese Frage bedarf hier jedoch keiner Vertiefung. Die geänderte Fassung des § 35 Abs 1 BVG ist zwar am 1. April 1995 und damit vor dem Beschluß vom 6. April 1995 in Kraft getreten (vgl Art 68 Abs 2 PflegeVG). Aus der Neufassung ergeben sich aber für den Begriff der Hilflosigkeit für die Zeit vor dem 1. April 1995 und für die Zeit danach keine unterschiedlichen Maßstäbe. Dies hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 8. März 1995 – 9 RVs 5/94 – (SozR 3-3870 § 4 Nr 12) zur Änderung bzw Neufassung des gleichlautenden Begriffs der Hilflosigkeit im Einkommensteuerrecht (vgl § 33b Abs 6 Satz 2 Einkommensteuergesetz ≪EStG≫ in der Fassung durch Art 26 Nr 3 PflegeVG) und in seinem Urteil vom 2. Juli 1997 – 9 RV 19/95 – (zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) entschieden.

Nach § 35 Abs 1 BVG wird zur Zeit eine Pflegezulage von 478 DM (Stufe 1) monatlich gezahlt, solange der Beschädigte infolge der Schädigung hilflos ist. Hilflos iS des Satzes 1 ist der Beschädigte, wenn er für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung seiner persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf.

Das LSG entnimmt der bisher zu § 35 Abs 1 BVG ergangenen Rechtsprechung mit Recht eine Begrenzung der dort genannten Verrichtungen, im wesentlichen auf folgende: An-und Auskleiden, Nahrungsaufnahme (Essen und Trinken), Körperpflege (Waschen, Kämmen, Rasieren), Verrichten der Notdurft (Stuhlgang, Wasserlassen), Mobilität (Aufstehen, Zu-Bett-Gehen, Bewegung in der Wohnung und außerhalb), geistige Anregungen und Kommunikation (Sehen, Hören, Sprechen, Fähigkeit zur Interaktion). Von dieser im Versorgungsrecht (vgl die Zusammenfassung der Rechtsprechung in den Anhaltspunkten 1996 S 37), im Steuerrecht (BFH, Beschluß vom 27. Februar 1996 – X B 148/95 –, BFH/NV 1996, 603) und im früheren Recht der Sozialhilfe sowie im Lastenausgleichsrecht (BVerwG, Urteile vom 14. Juli 1977, V C 23/76 – FEVS 26, 1 und vom 17. April 1986 – 3 C 24/85 –, Buchholz, 427.3, § 276 LAG Nr 98) einheitlichen Rechtsprechung ist das LSG entgegen der Auffassung des Klägers ausgegangen. Es hat die Maßstäbe für die Annahme von Hilflosigkeit richtig aufgezeigt und sie in nicht zu beanstandender Weise auf den Fall des Klägers angewendet.

Das LSG hat insbesondere ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 GG) das entscheidungserhebliche Vorbringen des Klägers vollständig zur Kenntnis genommen und gewürdigt bzw in zulässiger Weise gemäß § 153 Abs 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kommt in diesem Zusammenhang nur dann in Betracht, wenn das LSG auf einen wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags des Klägers zu einer zentralen Frage in den Entscheidungsgründen nicht eingegangen wäre, obwohl er nach seinem Rechtsstandpunkt nicht unerheblich oder unsubstantiiert war (vgl BVerfGE 86, 133, 145, 146 mwN). So liegt es hier indessen nicht. Die Voraussetzungen des § 153 Abs 2 SGG, daß das LSG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen konnte, als es die Berufung aus den Gründen des sozialgerichtlichen Urteils als unbegründet zurückgewiesen hat, lagen hier vor. Denn das SG hatte bereits fast alle für das Vorliegen von Hilflosigkeit vom Kläger vorgetragenen und rechtserheblichen Umstände ausreichend gewürdigt. Das LSG konnte sich deshalb darauf beschränken, die mit der Berufungsbegründung vorgebrachten weiteren Gesichtspunkte, ergänzend zu würdigen. Das ist geschehen.

Mit Recht hat es hauswirtschaftliche Verrichtungen von den für das Vorliegen von Hilflosigkeit rechtserheblichen Umständen ausgenommen. Dies hat der Senat auch bereits für den neugefaßten § 35 Abs 1 BVG entschieden (vgl das bereits erwähnte Urteil vom 2. Juli 1997 – 9 RV 19/95). Anders als in den mit Inkrafttreten des PflegeVG außer Kraft getretenen § 53 ff (§ 55 Abs 1) Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (vgl dazu BSG SozR 3-2500 § 53 Nrn 2, 4 und 5), ist ein hauswirtschaftlicher Hilfebedarf kein brauchbarer Gesichtspunkt, um den Kreis der für die Hilflosigkeit maßgeblichen Verrichtungen des täglichen Lebens zu bestimmen. Dies bestätigt insbesondere die Entstehungsgeschichte des PflegeVG. Wie der Senat in seiner genannten Entscheidung vom 2. Juli 1997 ausgeführt hat, sind nach den Materialien zum PflegeVG die bis dahin geltenden Begriffe der Pflegebedürftigkeit bzw Hilflosigkeit bewußt aufgegeben worden. Der Gesetzgeber hat zwar für die soziale Pflegeversicherung Elemente aus den bis dahin geltenden Regelungen anderer Gesetze übernommen und die dazu ergangene Rechtsprechung verwertet, hat aber den Begriff der Pflegebedürftigkeit im Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung für dieses Gesetz neu definiert, indem er auch den Hilfebedarf bei hauswirtschaftlicher Versorgung einbezogen hat (BT-Drucks 12/5262 S 95). Dagegen wollte der Gesetzgeber mit den Neuformulierungen der §§ 35 Abs 1 Satz 2 BVG und 33b Abs 6 Satz 2 EStG im Rahmen des PflegeVG eine unveränderte Fortgeltung des bis dahin bestehenden Rechtszustands sicherstellen und Leistungen oder Steuervorteile weder einschränken noch ausweiten (vgl BT-Drucks 12/5262 S 164, 172; BSG SozR 3-3870 § 4 Nr 12). Dieser Absicht des Gesetzgebers würde es zuwiderlaufen, wollte man hauswirtschaftliche Verrichtungen beim Hilfebedarf berücksichtigen und damit den Zugang Beschädigter zur Pflegezulage erleichtern.

Die vom Gesetzgeber mit der Neufassung des § 35 Abs 1 Satz 2 BVG gebilligte Rechtsprechung zum Ausschluß allgemeiner hauswirtschaftlicher Verrichtungen ist auch nicht deshalb zu korrigieren, weil damit ein schädigungsbedingter Mehraufwand gänzlich unberücksichtigt bliebe. Denn ein solcher Mehraufwand für fremde Hilfe im Haushalt ist vom Beschädigten vielmehr aus der Grundrente und einer etwa gewährten Schwerstbeschädigtenzulage zu decken (vgl das og Senatsurteil vom 2. Juli 1997).

Was alles unter hauswirtschaftlichen Verrichtungen zu verstehen ist, bedarf hier keiner Abklärung. Immerhin liefert § 14 Abs 4 Nr 4 SGB XI einen Anhalt. Für § 35 Abs 1 BVG ist insoweit jedoch der von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entwickelte Grundsatz maßgeblich, daß alle Verrichtungen außer Betracht zu bleiben haben, die mit der Pflege und Wartung der Person nicht unmittelbar zusammenhängen, und dazu auch die Bewirtschaftung des Haushalts gehört. Danach zählen etwa die Reinigung der Wohnung, das Bettenmachen und die Kleiderpflege nicht zu den zu berücksichtigenden Verrichtungen.

Ebenfalls bedarf keiner abschließenden Klärung, ob das gelegentliche Tragen einer Geldtasche mit den notwendigen Papieren und das Tragen schwerer Gegenstände unmittelbar mit der existentiellen Pflege und Wartung des Beschädigten zusammenhängt und ob und inwieweit zur existentiellen Mobilität das Aufschließen schwergängiger Türschlösser, die Verriegelung von Türen und das Hochziehen von Rolläden gehört. Ob ein gelegentlicher Hilfebedarf des Klägers beim Anziehen bestimmter Kleidungsstücke, aber auch bei Maniküre und Pediküre (dazu Senatsurteil vom 27. Oktober 1982 – 9a RV 14/82 in VersorgB 1983, 59), und dem seltenen Verbinden von Wunden zu den regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf eines jeden Tages gerechnet werden muß, bedarf hier ebenfalls keiner Entscheidung. Denn LSG und auch bereits das SG haben nicht verkannt, daß der Umfang der notwendigen Hilfe erheblich sein muß. Im Hinblick darauf haben beide Gerichte die Verrichtungen deutlich herausgestellt, die der Kläger ohne fremde Hilfe bewerkstelligen kann und sodann unter Berücksichtigung der bei ihm vorliegenden medizinischen Gegebenheiten festgestellt, daß er beim allgemeinen morgendlichen Anziehen, aber auch beim Anziehen von bestimmten Kleidungsstücken und dabei zB im Umgang mit Reißverschlüssen und den ihm verordneten Kompressionsstrümpfen, beim Duschen, Zerkleinern der täglichen Mahlzeiten, dem Reinigen seiner künstlichen Zähne und dem mehrfachen täglichen Einnehmen seiner Augentropfen gewisse Schwierigkeiten hat. Außerdem haben sie zu Recht berücksichtigt, daß insbesondere Essen und Trinken einschließlich der unmittelbar der Nahrungsaufnahme dienenden Tätigkeiten, wie das Zerkleinern der Mahlzeiten, zu den regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung der persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages gehören (vgl dazu § 14 Abs 4 Nr 2 SGB XI; Kummer in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 4; 1997, § 13 RdNr 65 f) und der Kläger dafür eine fremde Hilfsperson benötigt, es aber ausreicht, wenn er die Hilfe morgens, mittags und abends jeweils für einige Minuten zur Verfügung hat.

Auch wenn ergänzend ein gelegentlich anfallender Hilfebedarf zur Gewährleistung der existentiellen Mobilität des Klägers oder zur Befriedigung von existentiellen Bedürfnissen, wie Maniküre und Pediküre oder das Öffnen von Flaschen und Dosen (vgl BSGE 59, 103, 105 f = SozR 3875 § 3 Nr 2) und das gelegentliche Schälen von Obst (vgl insoweit Senatsurteil vom 2. Juli 1997), also die weiteren vom Kläger angeführten Verrichtungen, zu berücksichtigen wäre, ändert sich offenkundig nichts Rechtserhebliches an den Feststellungen von LSG und SG, daß es ausreicht, wenn der Kläger morgens, mittags und abends eine fremde Hilfe für jeweils einige Minuten zur Verfügung hat. Denn entscheidend ist, daß dieser Zeitaufwand auch unter Berücksichtigung eines nicht ausdrücklich vom LSG und SG festgestellten geringfügigen weiteren möglichen Hilfebedarfs offenkundig hinter dem nach der Rechtsprechung des BSG für die Annahme von Hilflosigkeit erforderlichen von jedenfalls einer Stunde täglich zurückbleibt (vgl BSGE 67, 204, 207 = SozR 3-3870 § 4 Nr 1; SozR 3-3870 § 4 Nr 12).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175010

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