Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluß des Familienhilfeanspruchs. Beamtin. Erziehungsurlaub

 

Orientierungssatz

Solange - wie während des Erziehungsurlaubs einer Beamtin mit Beihilfeanspruch, wenn auch ohne Dienstbezüge die Zuordnung einer Ehefrau zum "Beamtenbereich" erhalten bleibt, besteht kein hinreichender Grund, dem gesetzlich krankenversicherten Ehemann einen Anspruch auf Leistungen aus seinem Bereich nach § 205 Abs 1 RVO aF und § 10 Abs 1 SGB 5 für sie zuzubilligen. Der Beamtin muß vielmehr zugemutet werden, während des Erziehungsurlaubs den Beihilfeanspruch wahrzunehmen, eine bestehende private Krankenversicherung aufrechtzuerhalten und die Prämien aus dem Erziehungsgeld oder dem Unterhalt des Ehemannes aufzubringen (vgl BSG vom 9.2.1989 3/8 RK 33/87 = SozR 2200 § 205 Nr 66).

 

Normenkette

RVO § 205 Abs 1 S 1 Fassung: 1978-07-25; SGB 5 § 10 Abs 1 Nr 3 Fassung: 1988-12-20

 

Verfahrensgang

SG Gelsenkirchen (Urteil vom 21.01.1988; Aktenzeichen S 17 Kr 93/87)

 

Tatbestand

Der Kläger ist bei der beklagten Betriebskrankenkasse versichert. Seine Ehefrau, eine Beamtin, erhielt von ihrer Dienstherrin für die Zeit vom 7. August 1987 bis zum 20. April 1988 Erziehungsurlaub und während dieser Zeit keine Dienstbezüge. Der Kläger beantragte bei der Beklagten, ihm für die Dauer des Erziehungsurlaubs Familienhilfe für seine Ehefrau zu gewähren. Das lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. August 1987 und Widerspruchsbescheid vom 11. September 1987 ab.

Der Kläger hat Klage beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhoben. Dieses hat der Klage durch Urteil vom 21. Januar 1988 stattgegeben und im wesentlichen ausgeführt: Der Anspruch auf Familienhilfe sei nach § 205 der Reichsversicherungsordnung (RVO) begründet. Die Ehefrau des Klägers habe keinen anderweitigen gesetzlichen Anspruch auf Krankenpflege. Zwar bleibe während des Erziehungsurlaubs der Anspruch auf Beihilfe aus dem Beamtenverhältnis bestehen. Das schließe die Familienhilfe aber nicht aus. Denn weil eine Beamtin im Erziehungsurlaub kein Gehalt beziehe, könne sie die ihr nach Beihilfegewährung verbleibenden Krankheitskosten nicht aus eigenen Mitteln tragen. Insofern entfalle der Grund dafür, daß Beamte von der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen seien. Dem Anspruch auf Familienhilfe stehe die frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteile vom 29. September 1976 - 5 RKn 41/75 - und vom 27. April 1977 - 3 RK 43/76 -) nicht entgegen. Mit ihr sei ua Beamten, die von der Versicherungspflicht ausgenommen gewesen seien, eine Einbeziehung in die Familienhilfe im Hinblick auf ihr eigenes Einkommen versagt worden, an dem es hier jedoch während des Erziehungsurlaubs fehle. Das Erziehungsgeld nach § 8 des Bundeserziehungsgeldgesetzes sei beim Gesamteinkommen nicht zu berücksichtigen. Im übrigen habe der Gesetzgeber seit 1981 die Ausgrenzung nicht schutzwürdiger Personen durch eine Gesamteinkommensgrenze vorgenommen, die von der Ehefrau des Klägers nicht erreicht werde.

Gegen das Urteil des SG richtet sich die zugelassene Sprungrevision der Beklagten, mit der sie geltend macht: Angestellte mit einem Arbeitsentgelt über der Jahresarbeitsverdienstgrenze seien als Ehegatten von Versicherten schon früher nicht in die Familienhilfe einbezogen worden (BSG Urteil vom 2. Oktober 1970 - 3 RK 91/67 -). Sie hätten sich auch nach § 173e RVO befreien lassen können, wenn sie durch die Aufnahme einer nicht vollen Erwerbstätigkeit während des Erziehungsurlaubs die frühere Jahresarbeitsverdienstgrenze unterschritten hätten und dadurch versicherungspflichtig geworden seien. Daher sei dieser Personenkreis allgemein als nicht schutzbedürftig in der gesetzlichen Krankenversicherung anzusehen. Dieses lasse sich auf Beamte, auch während des Erziehungsurlaubs, übertragen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des SG Gelsenkirchen vom 21. Januar 1988 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des SG für zutreffend. Seine Ehefrau habe zwar während des Erziehungsurlaubs einen Anspruch auf Beihilfe in Höhe von 60 vH der Krankheitsaufwendungen behalten. Die Deckung der restlichen 40 vH über eine private Krankenversicherung sei ihr aber mangels eigenen Einkommens nicht zuzumuten gewesen. Die frühere Rechtsprechung des BSG habe andere Sachverhalte betroffen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung des SG ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig. Der Kläger hatte für seine Ehefrau als Beamtin im Erziehungsurlaub keinen Anspruch auf Familienhilfe nach dem 1987/88 noch geltenden § 205 RVO.

Zu diesem Ergebnis ist für einen vergleichbaren Sachverhalt mit ausführlicher Begründung schon der 3. Senat des BSG im Urteil vom 9. Februar 1989 (SozR 2200 § 205 Nr 66) gelangt. Der erkennende 12. Senat des BSG hat dieses Urteil den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens übersandt. Er schließt sich der Auffassung des 3. Senats nach eigener Prüfung an.

Wie in dem Urteil bereits ausgeführt ist, steht dem Kläger ein Anspruch auf Familienhilfe für seine Ehefrau deswegen nicht zu, weil sie iS des § 205 Abs 1 Satz 1 Halbs 1 RVO anderweit einen gesetzlichen Anspruch auf Krankenpflege hatte. Als ein solcher Anspruch war nicht nur ein Anspruch aufgrund einer eigenen Mitgliedschaft des Ehegatten in der gesetzlichen Krankenversicherung anzusehen, wenn der Gesetzgeber dieses auch als Regelfall gemeint haben mochte. Vielmehr genügte auch ein Anspruch auf Beihilfe nach beamtenrechtlichen Vorschriften, der für die Ehefrau des Klägers auch während des Erziehungsurlaubs gegeben war. Wenn das Recht der RVO Beamte von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ausnahm (vgl § 169 RVO), ging es damit von mehreren Sicherungssystemen aus, nämlich dem der gesetzlichen Krankenversicherung und dem des Beamtenrechts mit seinen Beihilferegelungen samt den häufig für die nicht gedeckten Krankheitskosten abgeschlossenen privaten Krankenversicherungen. Solange - wie während des Erziehungsurlaubs einer Beamtin mit Beihilfeanspruch, wenn auch ohne Dienstbezüge - die Zuordnung der Ehefrau zum "Beamtenbereich" erhalten war, bestand kein hinreichender Grund dafür, dem gesetzlich krankenversicherten Ehemann einen Anspruch auf Leistungen aus seinem Bereich für sie zuzubilligen. Der Beamtin mußte vielmehr zugemutet werden, während des Erziehungsurlaubs den Beihilfeanspruch wahrzunehmen, eine bestehende private Krankenversicherung aufrechtzuerhalten und die Prämien aus dem Erziehungsgeld oder dem Unterhalt des Ehemannes aufzubringen.

Dem damit vom 3. Senat und nunmehr auch vom erkennenden 12. Senat des BSG zum früheren § 205 RVO gewonnenen Ergebnis entspricht für die Zeit vom 1. Januar 1989 an eine nunmehr in das Gesetz aufgenommene Regelung. Nach § 10 Abs 1 Nr 3 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) idF des Art 1 des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988 (-GRG-, BGBl I S 2477) ist der Ehegatte eines Mitglieds (nunmehr selbst) ua nur versichert, wenn er nicht versicherungsfrei ist. Versicherungsfrei ist eine Beamtin jedoch nach § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V, wenn sie bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe oder Heilfürsorge hat. Das trifft bei einer Beamtin zu, solange ihr Beamtenverhältnis besteht und dieses nicht generell Ansprüche der genannten Art versagt, was für das Beamtenverhältnis der Ehefrau des Klägers offenbar nicht der Fall war. Die Neuregelung, die die Familienversicherung auch bei (gesetzlich angeordneter) Versicherungsfreiheit (ua von Beamtinnen) ausschließt, ist als Klarstellung zu verstehen. Das wird durch den Entwurf des GRG (BR-Drucks 200/88, S 161 zu § 10 Abs 1 bis 4) bestätigt. Dort heißt es nämlich, in Abs 1 Nrn 3 und 4 würden aus Gründen der Rechtsklarheit bestimmte Angehörige genannt, die ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Einkommens von der Versicherung ausgeschlossen seien, weil sie nicht zu dem von der gesetzlichen Krankenversicherung geschützten Personenkreis gehörten und auch nicht als Familienversicherte einbezogen werden sollten. Bei richtigem Verständnis des früheren § 205 RVO hatte auch damals schon der Ehegatte - mit der Folge eines Ausschlusses von der Familienhilfe - einen anderweitigen Anspruch auf Krankenpflege, wenn und solange ihn das Gesetz über eine Regelung der Versicherungsfreiheit auf ein anderes Sicherungssystem (Beamtenrecht mit Beihilfeanspruch und privater Zusatzversicherung) verwiesen hatte.

Hiernach hatte die Revision der Beklagten Erfolg. Deshalb waren das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1664833

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