Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenübernahmeerklärung. Rechtsnatur. Wirkung für Versicherten. Pflegekosten. begünstigender Verwaltungsakt

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Bedeutung einer dem Krankenhaus gegenüber abgegebenen Kostenübernahmeerklärung für den Anspruch des Versicherten auf Krankenhauspflege.

 

Orientierungssatz

1. Die Krankenkasse trifft mit einer gegenüber dem Krankenhausträger abgegebenen Kostenübernahmeerklärung keine Entscheidung über den Anspruch des Versicherten auf Krankenhauspflege (vgl BSG vom 20.1.1982 8/8a RK 13/80 = BSGE 53, 62, 64).

2. Die Kostenzusage der Krankenkasse gegenüber dem Krankenhaus ist im Verhältnis zum Versicherten kein begünstigender Verwaltungsakt, mit dem eine Sozialleistung gewährt wird. Aber selbst wenn man im Regelfall eine Kostenübernahmeerklärung im Verhältnis zum Versicherten als einen in anderer Weise erteilten (§ 33 Abs 2 SGB 10) begünstigenden Verwaltungsakt ansehen wollte, so kommt eine solche Auslegung der Kostenübernahmeerklärung dann nicht in Betracht, wenn die Krankenkasse gegenüber dem Versicherten den Anspruch auf Krankenhauspflege bereits bindend abgelehnt hat. Ein solcher belastender Verwaltungsakt muß, wenn seine Bindungswirkung entfallen soll, gemäß § 45 SGB 10 durch Verwaltungsakt zurückgenommen werden.

3. Für eine bei Eintritt in ein auf § 176 Abs 1 Nr 9 RVO begründetes Versicherungsverhältnis bereits bestehende psychiatrische Erkrankung ist gemäß § 310 Abs 2 RVO kein Anspruch auf Kassenleistungen gegeben.

 

Normenkette

RVO § 184 Abs 1; SGB 10 § 33 Abs 2, § 45; RVO § 176 Abs 1 Nr 9, § 310 Abs 2

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 18.02.1987; Aktenzeichen L 9 Kr 40/86)

SG Berlin (Entscheidung vom 21.03.1986; Aktenzeichen S 73 Kr 35/85)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte Kosten für einen Klinikaufenthalt des Klägers zu tragen hat, insbesondere, ob sie im Verhältnis zum Kläger an eine dem Beigeladenen gegenüber abgegebene Kostenübernahmeerklärung gebunden ist.

Der an einer chronischen Schizophrenie leidende Kläger ist wegen dieser Erkrankung seit 1974 in der K. -B.-Nervenklinik untergebracht. Er ist am 30. September 1980 gemäß § 176 Abs 1 Nr 9 der Reichsversicherungsordnung (RVO) Mitglied der Beklagten geworden. Auf einen vom Kläger im Februar 1981 gestellten Antrag auf Kostenübernahme hat die Beklagte mit dem nicht angefochtenen Bescheid vom 2. März 1981 entschieden, daß gemäß § 310 Abs 2 RVO die Kosten der seit Jahren vorliegenden psychiatrischen Erkrankung nicht übernommen würden.

Gleichwohl hat die Beklagte seit Juli 1983 wiederholt der K. -B.-Nervenklinik gegenüber Kostenübernahmeerklärungen abgegeben. Die letzte dieser Erklärungen datiert vom 31. Juli 1984 und war bis zum 12. Oktober 1984 befristet.

Mit Bescheid vom 5. Oktober 1984 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von Krankenhauspflege wegen der chronischen Schizophrenie nicht bestünden und sie die Pflegekosten nur noch bis zum 8. Oktober 1984 trage. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 28. Dezember 1984). Eine entsprechende Erklärung gab die Beklagte mit Schreiben vom 5. Oktober 1984 gegenüber der K. - B.-Nervenklinik ab.

Das Sozialgericht (SG) hat die auf Verurteilung der Beklagten zur weiteren Kostentragung gerichtete Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat das erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Kosten für den Aufenthalt des Klägers in der K. - B.-Nervenklinik noch bis zum 12. Oktober 1984 zu übernehmen. Die von der Beklagten gegenüber der K. -B.-Nervenklinik abgegebene Kostenübernahmeerklärung sei im Verhältnis zum Krankenhaus ein öffentlich-rechtlicher Vertrag und im Verhältnis zum Versicherten ein begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dessen Rücknahme nur unter den Voraussetzungen des § 45 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) in Betracht komme. Insoweit seien die angefochtenen Bescheide aber bereits deshalb fehlerhaft, weil aus ihrer Begründung nicht hervorgehe, daß die Beklagte die gemäß § 45 SGB X erforderliche Ermessensprüfung vorgenommen habe.

Die Beklagte hält in der Begründung ihrer - vom LSG zugelassenen - Revision die Rechtsauffassung des LSG für irrig, daß eine gegenüber einem Krankenhausträger abgegebene Kostenübernahmeerklärung die Kasse auch hinsichtlich des Anspruchs des Versicherten auf Gewährung von Krankenhauspflege binde. Vielmehr seien beide Rechtsverhältnisse zu unterscheiden. Überdies sei die Doppelwirkung der der K. -B.-Nervenklinik gegenüber abgegebenen Kostenübernahmeerklärung als ein den Kläger begünstigenden Verwaltungsakt auch deshalb zu verneinen, weil diese Übernahmeerklärung dem Kläger nicht bekanntgegeben worden sei.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 18. Februar 1987 abzuändern und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. März 1986 auch insoweit zurückzuweisen, als die Beklagte zur Übernahme der Kosten des Aufenthaltes des Klägers in der K. -B.-Nervenklinik bis zum 12. Oktober 1984 verurteilt wurde, hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin in gleichem Umfang aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Berlin zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Das beigeladene Land hat keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich übereinstimmend damit einverstanden erklärt haben.

Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat auch für die Zeit vom 9. bis 12. Oktober 1984 keinen Anspruch auf Gewährung von Krankenhauspflege.

Da nur die Beklagte Revision eingelegt hat, ist das Urteil des LSG vom 18. Februar 1987 rechtskräftig, soweit dieses Gericht entschieden hat, daß der Kläger den - in der ersten Instanz für eine unbeschränkte Zeit geltend gemachten - Anspruch ab 13. Oktober 1984 nicht hat. Zu entscheiden ist demgemäß im Revisionsverfahren nur noch über das Leistungsbegehren des Klägers für die Zeit vom 9. bis 12. Oktober 1984.

Auszugehen ist von dem Bescheid der Beklagten vom 2. März 1981, mit dem sie die Gewährung von Leistungen für die chronische Schizophrenie, wegen der der Kläger sich nach den unangefochtenen Tatsachenfeststellungen des LSG in der streitigen Zeit allein in stationärer Behandlung befand, gemäß § 310 Abs 2 RVO abgelehnt hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte mit diesem Bescheid einen Verwaltungsakt zur Regelung des Versicherungsverhältnisses getroffen oder nur auf die sich unmittelbar aus § 310 Abs 2 RVO ergebende gesetzliche Folge des Nichtbestehens eines Anspruchs auf Kassenleistungen wegen der beim Kläger zur Zeit des Beitrittes zur Beklagten bestehenden Erkrankung hingewiesen hat (vgl dazu Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 18. Aufl, Stand 72. Nachtrag, Anm 4a zu § 310). Denn der Kläger ist jedenfalls nach § 310 Abs 2 RVO mit Kassenleistungen ausgeschlossen, soweit es sich um die Folgen seiner bereits vor Beginn der Mitgliedschaft bestehenden Erkrankung an einer Schizophrenie handelt, also auch mit der die streitige Krankenhausbehandlung erfordernden Krankheit.

Es kann ferner dahingestellt bleiben, ob die Krankenkasse diese Rechtsfolge etwa durch ein "Entgegenkommen" gegenüber dem Kläger überhaupt ausschließen kann (verneinend Peters aaO). Denn eine derartige Entscheidung hat die Beklagte nach den Feststellungen des LSG gegenüber dem Kläger nicht getroffen.

Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung kann der Kläger den Anspruch auf Krankenhauspflege auch nicht aus der von der Beklagten gegenüber der K. -B.-Nervenklinik abgegebenen Kostenübernahmeerklärung vom 31. Juli 1984 herleiten. Diese Erklärung enthält insbesondere keinen den Kläger begünstigenden Verwaltungsakt für die streitige Zeit. Der erkennende Senat hat zwar in dem Urteil vom 16. November 1984 - 8 RK 2/84 - (SozR 7610 § 119 Nr 4) entschieden, daß die einem Krankenhausträger gegenüber abgegebene Kostenübernahmeerklärung die Krankenkasse im Verhältnis zum Krankenhausträger auch dann bindet, wenn die Krankenkasse dabei irrtümlich davon ausgegangen ist, daß sie dem Versicherten gegenüber leistungspflichtig ist. Hier ist aber das Rechtsverhältnis zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger nicht streitig und insbesondere nicht zu entscheiden, ob die Beklagte im Verhältnis zur K. -B.-Nervenklinik an ihre der Klinik gegenüber abgegebene Kostenübernahmeerklärung vom 31. Juli 1984 für die gesamte Zeit bis zum 12. Oktober 1984 gebunden war (vgl dazu Urteil des erkennenden Senats vom 16. November 1984 - aaO -).

Die Beklagte hat jedoch nicht, wie das LSG meint, mit ihrer Kostenübernahmeerklärung vom 31. Juli 1984 ausdrücklich oder stillschweigend auch den Leistungsanspruch des Versicherten festgestellt. Zwar hängen beide Rechtsverhältnisse dergestalt voneinander ab, daß über sie nur einheitlich entschieden werden kann (Urteil des erkennenden Senats vom 24. September 1986 - 8 RK 2/86 -, nicht veröffentlicht). Das Bestehen des Leistungsanspruchs des Versicherten auf Gewährung von Krankenhauspflege ist auch Voraussetzung für die Abgabe einer Kostenübernahmeerklärung gegenüber dem Krankenhausträger (erkennender Senat, Urteil vom 24. September 1986, aaO). Der erkennende Senat hat ferner bereits ausgesprochen, daß die Entscheidung des Versicherungsträgers über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Krankenhauspflegeanspruches des Versicherten auch die Entscheidung über den Anspruch des Krankenhausträgers auf Zahlung des Pflegesatzes für eine erfolgte Behandlung beinhaltet (Urteil vom 24. September 1986, aaO). Dies bedeutet aber nicht, daß der Anspruch des Krankenhausträgers gegen die Krankenkasse auf Zahlung der Pflegekosten identisch mit dem Anspruch des Versicherten gegen den Versicherungsträger auf stationäre Behandlung ist (erkennender Senat, Urteil vom 20. Januar 1982 - 8/8a RK 13/80 -, BSGE 53, 62, 64). Insbesondere ist der vom LSG gezogene - jedoch aus dem Urteil des erkennenden Senats vom 20. Januar 1982 (aaO) nicht ableitbare - Umkehrschluß nicht zutreffend, daß die Krankenkasse mit einer gegenüber dem Krankenhausträger abgegebenen Kostenübernahmeerklärung auch eine Entscheidung über den Anspruch des Versicherten auf Krankenhauspflege trifft. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Krankenkasse mit ihrer Kostenübernahmeerklärung ein Angebot des Krankenhausträgers auf Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages annimmt (so 3. Senat des Bundessozialgerichts -BSG-, Urteil vom 14. Januar 1981 - 3 RK 27/80 -, BSGE 51, 108) oder ob es sich bei der Kostenübernahmeerklärung, deren Abgabe nicht vorgeschrieben ist (erkennender Senat, Urteil vom 16. November 1984, aaO), um eine einseitige öffentlich-rechtliche verpflichtende Willenserklärung der Krankenkasse handelt. Denn jedenfalls verpflichtet sich die Krankenkasse mit der Kostenübernahmeerklärung nur gegenüber dem Krankenhausträger zur Zahlung der Kosten für die konkrete Krankenhausbehandlung während eines bestimmten Zeitraumes und in einer bestimmten Höhe (Urteil des erkennenden Senats vom 16. November 1984, aaO). Die Krankenkasse wird vor Abgabe der Kostenübernahmeerklärung zwar auch das Bestehen des Krankenhauspflegeanspruchs des Versicherten prüfen und bejahen und dann - wie im Regelfall der Gewährung von Kassenleistungen - die Krankenhauspflege ohne förmliche Entscheidung über den Anspruch des Versicherten erbringen. Deshalb trifft die Auffassung von Krauskopf/Schroeder-Printzen ("Soziale Krankenversicherung", 2. Auflage, Anm 17.2. zu § 184) jedenfalls in ihrer Allgemeinheit nicht zu, daß die Kostenzusage der Krankenkasse gegenüber dem Krankenhaus im Verhältnis zum Versicherten ein begünstigender Verwaltungsakt ist, mit dem eine Sozialleistung gewährt wird. Aber selbst wenn man - mit dem LSG und Krauskopf/Schroeder-Printzen (aaO) - im Regelfall eine Kostenübernahmeerklärung im Verhältnis zum Versicherten als einen in anderer Weise erteilten (§ 33 Abs 2 SGB X) begünstigenden Verwaltungsakt ansehen wollte, so kommt eine solche Auslegung der Kostenübernahmeerklärung dann nicht in Betracht, wenn die Krankenkasse - wie hier mit Bescheid vom 2. März 1981 - gegenüber dem Versicherten den Anspruch auf Krankenhauspflege bereits bindend abgelehnt hat. Ein solcher belastender Verwaltungsakt muß, wenn seine Bindungswirkung entfallen soll, gemäß § 45 SGB X durch Verwaltungsakt zurückgenommen werden. Eine derartige Rücknahmeentscheidung setzt gemäß § 31 SGB X voraus, daß die Krankenkasse eine auf unmittelbare Außen-Rechtswirkung gerichtete neue Regelung über den aus dem Versicherungsverhältnis folgenden Leistungsanspruch des Versicherten auf Gewährung von Krankenhauspflege trifft. Das LSG hat nicht festgestellt, daß die Beklagte mit der Abgabe der Kostenübernahmeerklärung zugleich auch einen Zugunstenbescheid iS des § 45 SGB X getroffen hat oder auch nur hat treffen wollen. Insbesondere hat das LSG nicht festgestellt, daß die Beklagte in der Erklärung vom 31. Juli 1984 den Bescheid vom 2. März 1981 zurücknehmen und dem Kläger nunmehr entgegen § 310 Abs 2 RVO Leistungen gewähren wollte. Demgemäß sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig, soweit die Beklagte den Leistungsanspruch des Klägers auf Gewährung von Krankenhauspflege abgelehnt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663333

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