Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 30.10.1985; Aktenzeichen L 04/Kr 0085/84)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30. Oktober 1985 – L 04/Kr 0085/84 – aufgehoben und die Streitsache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Streitig ist ein Anspruch auf Krankenhauspflege bzw auf Übernahme der bereits angefallenen Krankenhauspflegekosten.

Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Krankenkasse. Für ihren 1942 geborenen Sohn Rainer (R.), den Beigeladenen, hat sie Anspruch auf Familienkrankenhilfe gemäß § 205 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Satz 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO). R. leidet an einer schizophrenen Psychose. Seit 1964 befand er sich wiederholt in stationärer Behandlung, seit 1972 hält er sich durchgehend im Nervenkrankenhaus G. … auf. Die Beklagte trug die Kosten des Krankenhausaufenthalts bis zum 31. Juli 1982. Eine weitere Kostenübernahme lehnte sie ab, weil die Voraussetzungen für eine Krankenhausbehandlung iS des § 184 RVO nicht mehr gegeben seien. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies sie mit der Begründung zurück, sie habe bereits am 4. Dezember 1979 eine weitere Kostenübernahme bestandskräftig abgelehnt; sie sei lediglich aufgrund einer mit dem Bezirk Oberbayern abgeschlossenen „Vereinbarung über die Kostentragung bei der Unterbringung von psychisch Kranken in den Nervenkrankenhäusern der bayerischen Bezirke” (VP) im Verhältnis zum Bezirk zur Übernahme der Unterbringungskosten vom 1. Juli 1979 bis zum 31. Juli 1982 verpflichtet gewesen. Den Entscheidungen der Beklagten – Bescheid vom 3. Mai 1983 und Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 1983 – war eine Feststellung des nach Anlage 1 zur VP gebildeten Einigungsausschusses vorausgegangen. Der Ausschuß hatte am 8. November 1982 mit Stimmenmehrheit rückwirkend ab 1. August 1982 einen Pflegefall angenommen.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, weil die medizinische Versorgung des R. nicht mehr des Einsatzes apparativer und personeller Mittel eines Krankenhauses bedürfe. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG und die Verwaltungsentscheidungen aufgehoben und die Beklagte verurteilt, „Krankenhauspflege für Rainer K. im Bezirkskrankenhaus G. … über den 31. Juli 1982 hinaus weiterhin zu gewähren”. Für die Zeit bis 8. April 1983 ergebe sich die Verpflichtung der Beklagten bereits aus den Vorschriften des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X). Die gesetzliche Vertreterin des R. habe erst durch den Brief des Bezirks vom 6. April 1983 von der Entscheidung des Einigungsausschusses vom 8. November 1982 erfahren (§§ 31, 48 SGB X). Darüber hinaus stehe aber auch aus medizinischen Gründen fest, daß für R. ein Anspruch auf Krankenhauspflege fortbestehe. Aus den eingehenden Darlegungen des als sachverständigen Zeugen vernommenen Dr. R., eines Arztes des Nervenkrankenhauses G. …, ergebe sich, daß die in dem vom SG eingeholten Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Karlheinz K. …, M. …, vom 2. April 1984 für möglich erachtete Unterbringung in einem geeigneten Pflegeheim mit ambulanter ärztlicher Betreuung nicht ausreiche, vielmehr der ärztliche und pflegerische Einsatz des Krankenhauses notwendig sei, um bei R. eine Verschlimmerung seiner Krankheit zu verhindern bzw das vorhandene Leiden zu lindern.

Mit der Revision rügt die Beklagte zunächst die Unterlassung der Beiladung des Krankenhausträgers. Sie beruft sich insoweit auf das Urteil des 8. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. März 1986 – 8 RK 15/85 –. Ferner rügt sie Verstöße gegen § 128 und § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sowie die Verletzung des § 184 RVO und der §§ 48, 31 SGB X.

Der erkennende (3.) Senat, auf den die Streitsache durch eine neue Geschäftsverteilung beim BSG übergegangen war, hat mit Beschluß vom 23. März 1988 beim 8. Senat des BSG angefragt, ob dieser an seiner in den Urteilen vom 19. März 1986 in den Streitsachen – 8 RK 15/85 – und – 8 RK 14/85 – vertretenen Rechtsansicht festhält, daß der Träger eines Krankenhauses zu dem zwischen einem im Krankenhaus aufgenommenen Versicherten und seiner Krankenkasse anhängigen Gerichtsverfahren nach § 75 Abs 2 Alternative 1 SGG notwendig beizuladen ist, wenn darüber gestritten wird, ob dem Versicherten ein Anspruch auf Krankenhauspflege zusteht. Der Senat hat den Beschluß aufgrund einer Mitteilung des Vorsitzenden des 8. Senats wieder aufgehoben. In dieser Mitteilung wird die Auffassung vertreten, daß der jetzige 8. Senat als Fachsenat für Angelegenheiten der Knappschaftsversicherung nicht mehr mit dem früheren 8. Senat, einem Senat für andere Angelegenheiten der Sozialversicherung (Krankenversicherung), identisch sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen LSG vom 30. Oktober 1985 – L 04/Kr 0085/84 – aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG München vom 24. Mai 1984 – S 37/Kr 0225/83 – zurückzuweisen.

Der Beigeladene beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen,

hilfsweise,

die Streitsache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Er nimmt keine Stellung zur gerügten Verletzung des § 75 Abs 2 SGG, die übrigen Revisionsrügen hält er für unbegründet.

Die Klägerin hat keine Anträge gestellt.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten hat insofern Erfolg, als das Urteil des LSG aufzuheben und die Streitsache an dieses Gericht zurückzuverweisen ist.

1. Unbegründet ist allerdings die Rüge der Beklagten, das LSG habe § 75 Abs 2 SGG verletzt. Es trifft zwar zu, daß der 8. Senat des BSG in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 19. März 1986 – 8 RK 15/85 – den Grundsatz aufgestellt hat, der Krankenhausträger sei zu dem zwischen einem im Krankenhaus aufgenommenen Versicherten und seiner Krankenkasse anhängigen Gerichtsverfahren nach § 75 Abs 2 SGG notwendig beizuladen, wenn darüber gestritten wird, ob dem Versicherten ein Anspruch auf Krankenhauspflege zusteht (SozR 1500 § 75 Nr 59; siehe auch Urteil vom selben Tag – 8 RK 14/85 – und Urteil vom 24. September 1986 – 8 RK 2/86 –). Der erkennende 3. Senat, seit Jahrzehnten mit dem Leistungsrecht der allgemeinen gesetzlichen Krankenversicherung befaßt, hat diese Auffassung nie vertreten. Auch im vorliegenden Fall ist er mit dem LSG der Ansicht, daß die Beiladung des Krankenhausträgers nicht nach § 75 Abs 2 SGG notwendig ist.

a) Die oa Entscheidungen des 8. Senats hindern den erkennenden Senat nicht, an seiner bisherigen Rechtsprechung festzuhalten. Insbesondere gebieten sie es nicht, eine Entscheidung des Großen Senats (GS) nach § 42 SGG herbeizuführen. Nach dieser Vorschrift entscheidet der GS, wenn in einer Rechtsfrage ein Senat von der Entscheidung eines anderen Senats oder des GS abweichen will. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, wenn infolge Änderung der Geschäftsverteilung der Senat, der abweichen will, anstelle des früher zuständigen Senats zur Entscheidung über Ansprüche aus einem in sich geschlossenen Rechtsgebiet berufen ist oder wenn der Senat der früheren Entscheidung nicht mehr besteht (Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 3. Aufl, § 42 RdNr 8; Eyermann/Fröhler, VwGO, Komm., 9. Aufl, § 11 RdNr 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Komm., 43. Aufl, § 136 GVG Anm 1; jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen). Die Geschäftsverteilung des BSG ist mit Wirkung vom 1. Januar 1988 in dieser Weise geändert worden. Die Zuständigkeit des erkennenden Senats umfaßt nun wieder, wie schon vor dem 1. Januar 1981 alle Streitigkeiten aus dem Leistungsrecht der allgemeinen gesetzlichen Krankenversicherung. Der 8. Senat ist jetzt der für Angelegenheiten der Knappschaftsversicherung einschließlich der Unfallversicherung für den Bergbau gebildete Fachsenat (§ 40 Satz 2, § 40 Satz 1 iVm § 33 Satz 2 und § 12 Abs 2 Satz 2 SGG), als Senat für andere Angelegenheiten der Sozialversicherung -Krankenversicherung- (§ 40 Satz 1 iVm § 31 Abs 1 Satz 1 und § 33 Satz 1 sowie § 12 Abs 2 Satz 1 SGG) gibt es ihn nicht mehr. Der erkennende Senat hat deshalb seine Anfrage an den 8. Senat auf einen entsprechenden Hinweis dieses Senats zurückgenommen. Er setzt sich mit seiner Verfahrensweise nicht in Widerspruch zum Beschluß des GS vom 24. Juni 1985 – GS 1/84 (BSGE 58, 183 ff). Dort wird ausgeführt, die Divergenzlage zu dem Senat, der die Rechtsfrage bereits entschieden hat, könne nur dann als entfallen erachtet werden, wenn es nach der geänderten Geschäftsverteilung völlig fern liegt, daß er nochmals mit ihr befaßt werden wird (aaO S 189). Im vorliegenden Fall ist die Divergenzlage entfallen, weil der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen wird, nicht mehr besteht. Auf die Anfrage des erkennenden Senats hat der 8. Senat selbst auf die fehlende Identität zwischen dem jetzigen und dem früheren 8. Senat hingewiesen. Da außerdem die Zuständigkeit des früheren 8. Senats in den hier fraglichen Angelegenheiten nicht auf einen dritten Senat, sondern auf den erkennenden Senat übergegangen ist, kann die Divergenzlage auch nicht zu einem anderen Senat fortbestehen.

b) Nach der hier allein in Betracht kommenden 1. Alternative des § 75 Abs 2 SGG sind Dritte zu einem Sozialgerichtsverfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies setzt die Identität des Streitgegenstandes im Verhältnis beider Parteien und dem Dritten voraus (Urteil vom 2. Senat des BSG vom 26. März 1986 – 2 RU 77/84 – USK 86160). Die Entscheidung muß aus Rechtsgründen nur einheitlich ergehen können; es genügt weder, daß die Entscheidung logisch notwendig einheitlich ergehen muß, noch daß die tatsächlichen Verhältnisse eine einheitliche Entscheidung erfordern (Meyer-Ladewig aaO, § 75 RdNrn 10 ff; Kopp, VwGO mit Erläuterungen, 7. Aufl, § 65 RdNrn 14 f; jeweils mwN). Die Beiladung ist aus Rechtsgründen notwendig, wenn die vom Kläger begehrte Sachentscheidung nicht getroffen werden kann, ohne daß dadurch gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig Rechte des Beizuladenden gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden (Kopp aaO mwN; BVerwG vom 19. Januar 1984 – 3 C 88/82 – Buchholz 310 § 121 Nr 49). Es kommt also darauf an, ob durch die Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingegriffen wird (BSG SozR 1500 § 75 Nr 8 und Nr 20; SozR 2200 § 1304c Nr 1 = BSGE 61, 271; Meyer-Ladewig aaO RdNr 10 mwN).

Der Streitgegenstand und damit das streitige Rechtsverhältnis iS des § 75 Abs 2 Alternative 1 SGG ergibt sich aus dem Klageantrag, zu dessen Auslegung der zugrundeliegende Sachverhalt heranzuziehen ist. In einem Streitverfahren, in dem der Versicherte gegen die Krankenkasse eine von dieser verweigerte Krankenpflegeleistung – wie im Gesetz vorgesehen – als Sachleistung geltend macht, wird der Streitgegenstand durch das Begehren des Versicherten auf Aufhebung des Ablehnungsbescheids und Verpflichtung der Krankenkasse zur Gewährung der Sachleistung bestimmt (vgl Meyer-Ladewig aaO § 95 RdNrn 6 ff). Dieser Streitgegenstand beschränkt sich auf das Leistungsrechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und der Krankenkasse (geregelt durch §§ 179 ff und §§ 507 ff RVO sowie die leistungsrechtlichen Vorschriften der Satzung bzw der Versicherungsbedingungen der Krankenkasse). Von diesem Rechtsverhältnis ist das zwischen der Krankenkasse und dem Leistungserbringer bestehende Rechtsverhältnis, das Leistungserbringungsrechtsverhältnis, zu unterscheiden. An dem Leistungsrechtsverhältnis, also an den Rechtsbeziehungen zwischen dem Versicherten und der Krankenkasse, ist der Leistungserbringer nicht beteiligt. Nicht er ist aus dem Leistungsrechtsverhältnis verpflichtet, sondern die Krankenkasse. Diese erfüllt zwar ihre Verpflichtung mit seinen Leistungen. Seine Rechte und Pflichten ergeben sich aber aus dem Leistungserbringungsverhältnis (geregelt durch das Kassen- und Vertragsarztrecht – §§ 368 ff RVO und Arzt-Ersatzkassen-Vertrag – hinsichtlich der ambulanten ärztlichen Versorgung sowie durch die §§ 371 ff, § 525c Abs 4 Satz 1 RVO und die zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern geschlossenen Verträge hinsichtlich der Krankenhauspflege). Die Entscheidung über einen Antrag des Versicherten, seine Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung zu verurteilen, greift somit nicht unmittelbar und zwangsläufig in die Rechtssphäre eines Leistungserbringers ein. Das gilt grundsätzlich auch, wenn eine Sachleistung von der Krankenkasse abgelehnt und deshalb vom Versicherten selbst beschafft worden ist. In diesem Fall wird die Leistung aufgrund eines zwischen dem Versicherten und dem Leistungserbringer geschlossenen Vertrages erbracht, der unmittelbar nur die Vertragsparteien gegenseitig berechtigt und verpflichtet. Dagegen ist für den Kostenerstattungsanspruch des Versicherten das zwischen ihm und seiner Krankenkasse bestehende Leistungsrechtsverhältnis maßgeblich.

Bezieht sich der vom Versicherten gegen die Krankenkasse geltend gemachte Anspruch auf Krankenhauspflege auf einen bereits angetretenen und noch fortdauernden Krankenhausaufenthalt, so ergibt sich folgendes:

Soweit das Begehren des Versicherten auf Krankenhauspflege für die Zukunft gerichtet ist, hat es einen Sachleistungsanspruch zum Inhalt. Eine zusprechende Entscheidung begründet nicht zwangsläufig auch Rechte des Krankenhausträgers. Dem Versicherten steht es in der Regel frei, für eine ihm zuerkannte Krankenhauspflege ein anderes Krankenhaus zu wählen (§ 184 Abs 2 RVO). Erst die Inanspruchnahme des Krankenhauses durch den Versicherten bringt Rechte und Pflichten des Krankenhausträgers zum Entstehen, erst dadurch wird das Leistungserbringungsverhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse begründet. Hat der Versicherte mit seiner Klage keinen Erfolg, wird ebenfalls nicht in Rechtspositionen des Krankenhausträgers eingegriffen. Ein eigenes Recht auf Fortsetzung der Behandlung des Versicherten hat der Krankenhausträger nicht.

Soweit sich die Entscheidung des Gerichts auf die zurückliegende Zeit bezieht, trifft sie unmittelbar nur eine Regelung hinsichtlich der Frage, ob dem Versicherten für die in der zurückliegenden Zeit durchgeführte Krankenhauspflege ein Anspruch auf Kostenerstattung bzw auf Freistellung von den Kosten zusteht. Sie regelt dagegen nicht unmittelbar Rechtsbeziehungen zwischen dem Krankenhausträger und der Krankenkasse. Wird Krankenhauspflege in Anspruch genommen, so hat der Krankenhausträger einen – vom einheitlichen Pflegesatz bestimmten – Vergütungsanspruch, gleichgültig ob der Versicherte mit seiner gegen die Krankenkasse gerichteten Klageforderung letztlich Erfolg hat oder nicht. Erfüllt der Versicherte den Vergütungsanspruch des Krankenhausträgers, dann erhält er mit einer zusprechenden Entscheidung einen vollstreckbaren Anspruch gegen die Krankenkasse auf Erstattung der Kosten an ihn. Kommt für die Krankenhauskosten ein anderer Sozialleistungsträger auf, so regeln sich die Rechtsbeziehungen zwischen diesem und der Krankenkasse nach den §§ 102 ff SGB X. Ein Vergütungsanspruch des Krankenhausträgers gegen die Krankenkasse richtet sich nach dem Leistungserbringungsrechtsverhältnis. Für diesen Anspruch ist der Anspruch des Versicherten nur eine von mehreren Voraussetzungen. Weitere Voraussetzungen sind ua, daß das Krankenhaus als Leistungserbringer zugelassen ist – § 371 RVO – und daß die tatsächlich erbrachte Leistung dem Anspruch des Versicherten aus der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht (vgl die entsprechende Regelung in der ambulanten kassen- und vertragsärztlichen Versorgung: Dem Arzt steht in der Regel ein Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse bzw die Kassenärztliche Vereinigung -KÄV- nur zu, soweit er an der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen darf – § 368a Abs 1, § 368d Abs 1 Sätze 1 und 2 RVO, § 5 und § 8 Nr 3 iVm § 2 Nr 1 EKV-Ärzte – und Leistungen im Rahmen des § 368e RVO erbringt). Andererseits kann aber auch dann, wenn der Versicherte keinen Anspruch auf Krankenhauspflege hat, dem Krankenhausträger ein Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse zustehen, zB aufgrund einer rechtsverbindlichen Kostenzusage, die sich ihrerseits unmittelbar nur auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Krankenhausträger und der Krankenkasse beschränkt und nicht zwangsläufig Rechte des Versicherten begründet (so Urteil des 8. Senats vom 9. Dezember 1987 – 8 RK 10/87 –).

2. Die Revisionsrügen sind begründet, soweit sie sich dagegen richten, daß das LSG die Voraussetzungen des umstrittenen Anspruchs auf Krankenhauspflege bereits aufgrund seiner Tatsachenfeststellungen als erfüllt angesehen hat.

a) Der Anspruch des Versicherten auf Krankenhauspflege setzt nach § 184 Abs 1 RVO voraus, daß die besonderen Mittel des Krankenhauses benötigt werden, um die Krankheit zu heilen oder zu bessern, eine Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (BSG SozR 2200 § 184 Nr 28 mwN). Nur wenn diese Behandlungsziele den Aufenthalt im Krankenhaus erforderlich machen, ist die Krankenkasse zur Krankenhauspflege verpflichtet. Andere Unterbringungsgründe, selbst wenn sie auf eine Krankheit zurückzuführen sind, reichen nicht aus. Ließe sich eine eventuell erforderliche medizinische Behandlung ohne eine aus anderen Gründen notwendige Unterbringung – zB zur Pflege oder zur Verwahrung – ambulant durchführen, bestünde kein Anspruch auf Krankenhauspflege (BSG aaO).

b) Wenn die Rechtsprechung als besondere Mittel des Krankenhauses eine apparative Mindestausstattung, ein geschultes Pflegepersonal und einen jederzeit rufbereiten Arzt herausstellt, so wird damit für den Anspruch auf Krankenhauspflege weder der notwendige Einsatz aller dieser Mittel gefordert, noch der Einsatz eines dieser Mittel stets als ausreichend angesehen. Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommt. Bei der psychiatrischen Erkrankung, um die es im vorliegenden Fall geht, kann der Einsatz von krankenhausspezifischen Geräten in den Hintergrund treten und allein der notwendige Einsatz von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal die Notwendigkeit einer stationären Behandlung begründen. Andererseits genügt nicht, daß die sofortige Zuziehung eines Arztes nur in wenigen Ausnahmesituationen veranlaßt ist. In solchen Fällen wird meistens der ambulante Notfalldienst ausreichen. Soweit die Rechtsprechung auf die ärztliche Präsenz abstellt, ist gemeint, daß der jederzeit rufbereite Arzt im Rahmen der laufenden Behandlung benötigt wird (Urteil des Senats vom 12. März 1985 – 3 RK 15/84 –). Auch die Notwendigkeit einer ständigen Betreuung durch psychiatrisch geschultes nichtärztliches Personal allein macht die Krankenkasse noch nicht nach § 184 Abs 1 RVO leistungspflichtig (Urteil des Senats vom 21. Oktober 1980 – 3 RK 33/79 – KVRS A – 2500/15 = USK 80211). Zwar ist zu beachten, daß bei der psychiatrischen Behandlung nichtärztliche Therapeuten und Pflegekräfte im größeren Umfange zur Behandlung herangezogen werden. Ihre Mitwirkung ist dann aber ärztlichen Behandlungen untergeordnet (BSG SozR 2200 § 184 Nr 11). Von einer Krankenhausbehandlung kann dagegen nicht mehr gesprochen werden, wenn die ärztliche Behandlung nur noch einen die pflegerischen Maßnahmen begleitenden Charakter hat (BSG SozR 2200 § 184 Nr 28).

c) Die vom LSG herangezogenen Entscheidungen des 8. Senats des BSG besagen nichts anderes. Auch nach Ansicht dieses Senats besteht ein Anspruch auf Krankenhauspflege nicht bereits dann, wenn die sofortige Zuziehung eines Arztes gelegentlich veranlaßt ist oder wenn die notwendige Pflege gewisse therapeutische Leistungen umfaßt. Zu den besonderen Mitteln eines Krankenhauses rechnet der 8. Senat die ständige Bereitschaft eines Arztes, auch wenn er nicht in jedem Falle selbst unmittelbar eingreifen muß, so doch jedenfalls, um die Maßnahmen des Pflegepersonals ständig sachkundig zu überwachen und fachkundige Anweisungen zu geben. Genügt es dagegen, daß ein Arzt den Zustand des Patienten und die pflegerischen Maßnahmen in mehr oder weniger großen Abständen kontrolliert, so wird auch vom 8. Senat ein Anspruch auf Krankenhauspflege verneint (USK 8443, 8453).

d) Im vorliegenden Fall kommt es demnach darauf an, welche Behandlungsziele erreicht werden können, welche medizinische Maßnahmen dazu erforderlich sind, ob diese Maßnahmen als solche (also unabhängig von der Unterbringung aus anderen Gründen) nur stationär erbracht werden können und ggf für welche Zeiträume das jeweils zu gelten hat.

Diese Fragen können mit den Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil nicht beantwortet werden. Das LSG geht zwar zutreffend davon aus, daß für R. nicht bereits deshalb ein Anspruch auf Krankenhauspflege besteht, weil die Verwahrung nach Art 1 des bayerischen Unterbringungsgesetzes vom 20. Februar 1982 (GVBl 82, 202) wegen einer geistigen Behinderung durchgeführt wird. Auch nach seiner Auffassung kommt es darauf an, ob der Aufenthalt im Krankenhaus wegen eines der in § 184 RVO genannten Behandlungsziele erforderlich ist. Zur Begründung seiner Annahme, es sei der ärztliche und pflegerische Einsatz des Krankenhauses erforderlich, um bei R. eine Verschlimmerung seiner Krankheit zu verhindern bzw das vorhandene Leiden zu lindern, begnügt es sich jedoch im wesentlichen mit den Feststellungen, a) es werde ärztlicherseits versucht, das ruhigstellende Mittel an der untersten Grenze der Dosierungsmenge zu halten, was eine laufende Abstimmung erfordere, und b) die weiterhin möglichen Erregungszustände machten nicht nur ein schnelles ärztliches Eingreifen, sondern ebenso das Verbleiben in einer krankenhausspezifischen Umgebung notwendig, wo geschulte Pflegekräfte das Ausbrechen der Erregungszustände verhindern, R. von aggressionsauslösenden Umständen abschirmen und im Falle einer abrupten Erregung die richtigen Maßnahmen treffen könnten. Hinsichtlich der Feststellung a) fehlen konkrete Angaben dazu, warum das dort genannte Ziel den Aufenthalt im Krankenkenhaus erforderlich macht. Aufgrund des bisher festgestellten Sachverhalts ist nicht ausgeschlossen, daß auch im Rahmen einer ambulanten ärztlichen Überwachung die medikamentöse Versorgung an der untersten Grenze der Dosierungsmenge gehalten werden kann. Für diese Möglichkeit spricht insbesondere der Umstand, daß R. auf eine Dauermedikation eingestellt ist. Sollte hin und wieder wegen eines gelegentlichen Erregungszustandes eine höhere Dosis oder ein anderes bzw ein zusätzliches Medikament indiziert sein, wäre zu prüfen, ob diesem Erfordernis durch eine vorsorgliche Anordnung des Arztes an das betreuende Personal eines Pflegeheims oder einer Verwahrungsanstalt entsprochen werden könnte. Hinsichtlich der Feststellung b) ist die Frage offen, warum nur eine krankenhausspezifische Umgebung zur Vermeidung und Behandlung von Erregungszuständen geeignet ist und eine Unterbringung zur Pflege oder zur Verwahrung und das dabei vorhandene Personal nicht ausreicht.

3. Die Beklagte beanstandet schließlich zu Recht, daß das LSG die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der Krankenhauskosten jedenfalls für die Zeit vom 1. August 1982 bis zum 8. April 1983 bereits aus der Gewährung von Krankenhauspflege ab 1. Juli 1979 abgeleitet hat. Das LSG sieht in dieser Gewährung von Krankenhauspflege einen rechtsverbindlichen Verwaltungsakt, der nur mit Wirkung für die Zukunft hätte zurückgenommen werden dürfen. Dem LSG ist zwar zuzustimmen, daß die Gewährung von Krankenhauspflege auf einem Verwaltungsakt beruhen kann; sie setzt aber keinen Verwaltungsakt voraus (Urteil des Senats vom 23. März 1988 – 3 RK 9/87 –). Es kommt also auf die Umstände des Einzelfalles an, ob ein verbindlicher Verwaltungsakt anzunehmen ist oder nicht. Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte die Krankenhauskosten ab 1. Juli 1979 getragen, weil sie sich aufgrund der VP, also aufgrund einer mit den Sozialhilfeträgern geschlossenen Vereinbarung dazu für verpflichtet hielt. Daraus ergibt sich nicht ohne weiteres, daß sie dem Versicherten gegenüber einen Anspruch auf Krankenhauspflege anerkennen wollte. Der 8. Senat hat in seinem Urteil vom 9. Dezember 1987 – 8 RK 10/87 – in einer dem Krankenhaus gegenüber abgegebenen Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse keine dem Versicherten gegenüber verbindliche Entscheidung über die Gewährung von Krankenhauspflege gesehen. Es kann dahingestellt bleiben, ob das generell zu gelten hat, oder ob man der im Schrifttum vertretenen, vom 8. Senat abgelehnten Meinung zustimmen kann, daß die Kostenzusage der Krankenkasse gegenüber dem Krankenhaus im Verhältnis zum Versicherten grundsätzlich ein begünstigender Verwaltungsakt ist (Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Komm., Stand: Mai 1988, § 184 RVO Anm 17.2.). Ein solcher Grundsatz kann jedenfalls dann keine Anwendung finden, wenn, wie im vorliegenden Fall, dem Versicherten gegenüber der Anspruch auf Krankenhauspflege ausdrücklich abgelehnt wurde und die dann doch erfolgte Kostenübernahme auf eine Vereinbarung gestützt wird, durch die lediglich Rechtsbeziehungen zwischen der Krankenkasse und den Sozialhilfeträgern geregelt werden.

4. Dem LSG ist es bei der neuen Prüfung und Entscheidung nicht verwehrt, sich auch auf Bekundungen der den R. behandelnden Klinikärzte zu stützen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß diese Bekundungen die Bekundung eines anderen ärztlichen Gutachters widerlegen. Die Entscheidung des Senats, auf die die Beklagte die gerügte Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG stützt (USK 79163), zwingt nicht dazu, den Bekundungen eines anderen ärztlichen Gutachters stets den Vorrang zu geben. Der Senat hatte zwar in jenem Urteil die Streitsache ua deshalb an die Vorinstanz zurückverwiesen, weil dem angefochtenen Berufungsurteil nur ein Gutachten zugrunde lag, das von dem Chefarzt des Krankenhauses erstellt worden war, in dem sich der Versicherte befand und das letztlich von dem klagenden Sozialhilfeträger unterhalten wurde; dem LSG wurde aufgegeben, ein von dritter, unbeteiligter Seite erstelltes ärztliches Gutachten beizuziehen. Im vorliegenden Fall liegt ein solches Gutachten vor. Das Recht auf freie Beweiswürdigung erlaubt es den Tatsacheninstanzen, der Sachverständigenäußerung eines behandelnden Arztes zu folgen, wenn diese überzeugend begründet ist. Sie dürfen aber nicht sich über fortbestehende Zweifel hinwegsetzen und mit pauschalen Beurteilungen begnügen. Es bedarf daher auch im vorliegenden Fall, wie oben ausgeführt, weiterer konkreter Feststellungen, um entscheiden zu können, ob Behandlungsziele iS des § 184 RVO nur mit den Mitteln eines Krankenhauses erreicht werden können.

5. Das LSG wird bei seiner neuen Entscheidung noch zu beachten haben, daß ein Anspruch auf Krankenhauspflege nicht für die Vergangenheit zuerkannt werden kann. Der darauf lautende Ausspruch des angefochtenen Urteils kann zwar unter Umständen dahin ausgelegt werden, daß insoweit ein Anspruch auf Kostenübernahme zuerkannt worden ist (vgl SozR 2200 § 184 RVO Nr 20). Für diesen Anspruch kommt es aber darauf an, ob die Kosten von einem anderen Sozialleistungsträger übernommen oder vom Versicherten getragen worden sind. Im ersteren Falle ist ein Erstattungsanspruch des Sozialleistungsträgers in Betracht zu ziehen. Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt (§ 107 SGB X). Der Versicherte kann einen Anspruch auf Kostenerstattung nur geltend machen, soweit er selbst oder ein unterhaltspflichtiger Familienangehöriger mit Kosten belastet ist, eventuell mit Kostenforderungen rechnen muß (vgl Urteil des Senats vom 23. März 1988 – 3 RK 9/87 –).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173627

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