Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungspflichtige Krankenkasse. Familienkrankenhilfe. Versicherungsfall. wesensverschiedene Leistung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein neuer Leistungsfall iS von § 205 Abs 4 S 2 RVO tritt in der Regel jedenfalls dann ein, wenn eine von der bisherigen wesensverschiedene Leistung notwendig wird, die im Rahmen der Behandlung einer Krankheit nicht von vornherein als weitere notwendig werdende Leistung zu erwarten war.

 

Orientierungssatz

1. Der Versicherungsfall ist Grundvoraussetzung für alle Ansprüche aus der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Anspruch auf die einzelnen Leistungen entsteht jedoch erst, wenn die besonderen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind. Die Leistungspflicht und damit der Leistungsfall entsteht daher nicht bereits mit dem Eintritt eines Versicherungsfalles, sondern erst wenn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (vgl BSG vom 5.10.1977 3 RK 35/75 = BSGE 45, 11, 16).

2. Unter einem Leistungsfall iS von § 205 Abs 4 S 2 RVO nF kann nicht die Verpflichtung einer Krankenkasse zur Erbringung jedweder im Laufe eines Versicherungsfalles notwendig werdenden Leistung verstanden werden, denn damit würde der "Leistungsfall" dem "Versicherungsfall" gleichgesetzt.

3. Krankenhauspflege (§ 184 RVO) als eine komplexe Leistung unterscheidet sich von der zur Verfügungstellung eines Heil- oder Hilfsmittels (§ 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b oder c RVO) außerhalb einer stationären Behandlung wesentlich, auch wenn das Heil- oder Hilfsmittel (hier Beatmungsgerät) im Rahmen der Krankenhauspflege bereits verwendet worden ist. Denn die wesentliche Voraussetzung der Krankenhauspflege - nämlich die Behandlung mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses - entfällt bei einem Heil- oder Hilfsmittel, das der Kranke gerade außerhalb eines Krankenhauses verwendet. Ein einheitlicher Leistungsfall iS von § 205 Abs 4 S 2 RVO nF liegt hier auch nicht deshalb vor, weil die Benutzung des Beatmungsgeräts dazu dienen sollte, die Krankenhauspflege überflüssig zu machen, es sich also um eine sogenannte Ersatzleistung gehandelt hat.

4. § 205 Abs 4 S 2 RVO nF ist, ähnlich wie § 212 RVO, eine Zuständigkeitsregelung, die bestehende Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung voraussetzt und unabhängig von den Grundsätzen der Einheit des Versicherungsfalls allein bestimmt, welche Krankenkasse leistungspflichtig ist. Anders als nach der früheren Regelung, bei der die Leistungspflicht der zuerst in Anspruch genommenen Krankenkasse die Leistungspflicht anderer Krankenkassen im Rahmen der Abwicklung eines Versicherungsfalles regelmäßig verdrängte, ist die Leistungspflicht nunmehr an den Eintritt des jeweiligen Leistungsfalles geknüpft.

 

Normenkette

RVO § 205 Abs 4 S 2 Fassung: 1981-12-15, §§ 184, 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b, § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst c, § 212

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 12.06.1985; Aktenzeichen L 04 Kr 0125/83)

SG München (Entscheidung vom 05.10.1983; Aktenzeichen S 37 Kr 0330/82)

 

Tatbestand

Streitig ist ein Erstattungsanspruch wegen eines von der Klägerin gewährten Beatmungsgeräts.

Konstantin I. (K. I.) ist am 12. Mai 1981 geboren. Seine Mutter - die Beigeladene zu 1) - war damals bei der Beklagten, sein Vater - der Beigeladene zu 2) - bei der Klägerin versichert; er zahlte höhere Beiträge als die Mutter. Seit seiner Geburt litt K. I. an einer Erkrankung, bei der es zur Verlangsamung der Atemfrequenz im Tiefschlaf bis hin zum Atemstillstand kommen kann. Er wurde deshalb noch am Tage seiner Geburt zur stationären Behandlung im Krankenhaus aufgenommen. Die Kosten des Krankenhausaufenthalts bis zum 9. September 1982 trug die Beklagte. Als es nach fachärztlichem Urteil möglich erschien, daß K. I. aus dem Krankenhaus entlassen werden könne, wenn ihm zu Hause ein Beatmungsgerät zur Verfügung stehe, gewährte die Klägerin ihrem Mitglied, dem Beigeladenen zu 2), ein solches Gerät, nachdem die Beklagte erklärt hatte, sie sei für diese Leistung nicht zuständig. K. I. mußte jedoch noch am Tage seiner Entlassung erneut in stationäre Behandlung genommen werden.

Die Klage auf Erstattung der Kosten des Beatmungsgeräts in Höhe von 43.791,28 DM hatte vor dem Sozialgericht (SG) Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Erstattungsanspruch, weil die Beklagte der Beigeladenen zu 1) das Beatmungsgerät nicht hätte gewähren müssen. Die Voraussetzungen des § 205 Abs 1 Nr 4 RVO nF seien für die Beklagte nicht erfüllt gewesen, denn zur Zeit des Leistungsfalles habe der Beigeladene zu 2) der Klägerin die höheren Beiträge zu leisten gehabt. Der jeweilige Anspruch auf einzelne Leistungen aus der Krankenversicherung löse jeweils einen eigenen Leistungsfall aus, so daß innerhalb eines Versicherungsfalles mehrere Leistungsfälle eintreten könnten. Bei einem neuen Leistungsfall könne daher auch eine neue Zuständigkeit nach § 205 Abs 4 RVO nF entstehen. Der Annahme eines neuen Leistungsfalles stehe auch nicht entgegen, daß das Beatmungsgerät hier gleichsam ein Substitut der Krankenhausbehandlung darstelle. Es handele sich nicht um die bloße Fortsetzung der bereits gewährten Leistung "Krankenhauspflege". Der Gesetzgeber habe bei der Neuregelung der Zuständigkeit erkennbar den einzelnen Leistungsfall in den Vordergrund gerückt. Damit sei allein der Anspruch auf die einzelne Leistung maßgeblicher Anknüpfungspunkt.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 205 Abs 4 RVO. Auch nach dessen Neufassung sei die ursprüngliche Zuständigkeit der Beklagten für die Familienkrankenhilfe erhalten geblieben, denn mit dem Eintritt des Versicherungsfalles sei das Stammrecht auf die Versicherungsleistungen entstanden. Dieser Zeitpunkt entscheide grundsätzlich über das Recht, welches für das Leistungsverhältnis fortan anzuwenden sei, wenn - wie hier - Übergangsregelungen fehlten. Die weitere Zuständigkeit der Beklagten ergebe sich auch aus dem Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalles. Im übrigen handele es sich aber bei der Anschaffung des Beatmungsgeräts auch nicht um einen neuen Leistungsfall. Mit einem Leistungsbegehren mache der Versicherte im Zweifel alle Leistungen geltend, die ihm aus dem entsprechenden Sachverhalt gegen den Versicherungsträger zustehen. Deshalb wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, den Anspruch auf das Beatmungsgerät ohne einen besonderen Antrag umfassend zu prüfen. Das Beatmungsgerät habe die Krankenhauspflege verkürzen sollen, ohne daß dadurch die medizinische Versorgung insoweit gemindert worden wäre. Es hätte keines neuen Antrags bedurft. Bei einer "Ersatzleistung" sei die bisher zuständige Kasse verpflichtet, diese Leistung zu gewähren, so daß sich die Frage nach einem neuen Leistungsfall und einer neuen Überprüfung der Zuständigkeit nicht stelle. Die Klägerin habe nicht nur die Kosten für das Beatmungsgerät vorläufig getragen, sondern auch die nach der erneuten Krankenhausaufnahme angefallenen weiteren Kosten, deren Übernahme die Beklagte ebenfalls abgelehnt habe. Diese beliefen sich insgesamt auf 124.324,91 DM; sie stünden mit demselben fortwährenden Versicherungsfall im Zusammenhang und seien deshalb ebenfalls von der Beklagten zu tragen, so daß sie ihr zu erstatten seien. Der Gesamtbetrag mindere sich jedoch auf 117.324,91 DM, weil das Beatmungsgerät entbehrlich geworden und zum Preis von 7.000,-- DM veräußert worden sei.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Bayerischen LSG vom 12. Juni 1985 aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen sowie festzustellen, daß die Beklagte auch über den 9. September 1982 hinaus der nach § 205 Abs 4 RVO zur Durchführung der Familienkrankenhilfe zuständige Leistungsträger ist, und zwar bis zum 16. März 1983 und demzufolge die von der Klägerin in dieser Zeit vorläufig getragenen Leistungsaufwendungen von 124.324,91 DM abzüglich Rückerstattung von 7.000,-- DM = 117.324,91 DM zu erstatten hat.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil des LSG im Ergebnis für zutreffend.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich übereinstimmend damit einverstanden erklärt haben.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Wie das Landessozialgericht (LSG) zutreffend angenommen hat, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Beatmungsgerät, welches sie ihrem Mitglied - dem Beigeladenen zu 2) - im Rahmen der Familienkrankenhilfe gewährt hat.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein der Erstattungsanspruch wegen der Kosten dieses Geräts, wie er Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens war. Über das mit der Revision geltend gemachte Feststellungsbegehren, die Beklagte sei auch über den 9. September 1982 hinaus der für die Familienkrankenhilfe zuständige Leistungsträger und den dementsprechend um die Kosten der Krankenhauspflege erweiterten Erstattungsanspruch ist im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden, weil nach § 168 SGG Klageänderungen im Revisionsverfahren unzulässig sind. Eine Klageerweiterung ist im Revisionsverfahren selbst dann unzulässig, wenn der Klagegrund unverändert bleibt (BSGE 18, 12, 14; 31, 112, 113; Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen § 168 Anm 2 jeweils mwN).

Seit dem Inkrafttreten des Dritten Kapitels des Sozialgesetzbuches -Verwaltungsverfahren- (SGB X) am 1. Juli 1983 (§ 25 des Gesetzes vom 4. November 1982 -BGBl I 1450-) sind die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander in den §§ 102 ff SGB X geregelt. In noch anhängigen Verfahren sind nach § 21 aaO diese Vorschriften auf die streitigen Ansprüche anzuwenden (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG-).

Es kann hier dahinstehen, ob die Klägerin im Sinne von § 102 SGB X vorläufig oder als unzuständiger Sozialversicherungsträger (§ 105 SGB X) geleistet hat. Sie hat den streitigen Erstattungsanspruch in keinem Fall, weil die Beklagte nicht leistungspflichtiger Krankenversicherungsträger war.

Für Ansprüche auf Familienkrankenhilfe (§ 205 Absätze 1 bis 3 der Reichsversicherungsordnung -RVO-), bei denen nach § 205 Abs 4 Satz 1 RVO, wenn sie gegen mehrere Krankenkassen begründet sind, die Leistung nur einmal gewährt wird, bestimmt sich die leistungspflichtige Krankenkasse nach § 205 Abs 4 Satz 2 RVO. Während nach der bis zum 31. Dezember 1981 gültig gewesenen Fassung dieser Vorschrift die zuerst in Anspruch genommene Krankenkasse zuständig war, ist nach der Neufassung durch Art 2 Nr 1 des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung -BillBG vom 15. Dezember 1981 (BGBl I 1390) nunmehr die Krankenkasse des Versicherten leistungspflichtig, für den im letzten Monat vor Eintritt des Leistungsfalles der höhere Beitrag zu entrichten war. Da das BillBG nur eine Regelung über sein Inkrafttreten (Art 11 § 3 aaO), jedoch keine Übergangsregelungen enthält, ist für "Leistungsfälle", die nach dem 1. Januar 1982 eintreten, § 205 Abs 4 Satz 2 RVO idF dieses Gesetzes -nF- maßgebend. Eine Krankenkasse, die am 31. Dezember 1981 leistungspflichtig war, weil sie - wie hier offenbar die Beklagte - zuerst in Anspruch genommen worden war, ist spätestens für weitere Leistungen nicht mehr leistungspflichtig, wenn ein neuer Leistungsfall im Sinne von § 205 Abs 4 Satz 2 RVO nF eingetreten ist und die übrigen Voraussetzungen dieser Vorschrift bei einer anderen Krankenkasse erfüllt sind. Diese Regelung gilt sowohl für Krankenkassen (§ 225 RVO) als auch für Ersatzkassen (§ 507 Abs 4 RVO).

Das Gesetz enthält keine Definition des Tatbestandsmerkmals "Leistungsfall". Aus der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 9/846 S 52 zu Nr 4; 9/975 S 26 zu Art 2) geht als Zweck der Änderung lediglich hervor, es solle damit vermieden werden, daß ein geringfügig beschäftigter Elternteil für Kinder Leistungen zu Lasten der Kasse in Anspruch nehmen kann, die nur geringe Beiträge erhält. Hieraus läßt sich in Verbindung mit dem als Vergleichszeitraum bestimmten "letzten Monat vor Eintritt des Leistungsfalles" allenfalls herleiten, daß der Gesetzgeber nicht nur einen möglichst aktuellen Bezug zu dem Leistungsfall (Urteil des erkennenden Senats vom 12. Juni 1986 - 8 RK 17/85, zur Veröffentlichung bestimmt), sondern auch zu der zu erbringenden Leistung selbst herstellen wollte. Es kann dagegen nicht angenommen werden, daß (wie Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Stand Februar 1986 § 205 Anm 8.2, meinen) von dem Begriff des Versicherungsfalles ausgegangen werden kann. Denn das Gesetz spricht in derselben Vorschrift (§ 205 Abs 2) von dem "Versicherungsfall", vor dessen Eintritt Stiefkinder und Enkel von dem Versicherten überwiegend unterhalten worden sind. Der Begriff "Leistungsfall" wird dagegen insbesondere von der Rechtsprechung verwendet, wenn die Voraussetzungen für bestimmte Leistungen (etwa für den Bezug von Krankengeld) erst nach Eintritt des Versicherungsfalles - nämlich der behandlungsbedürftigen Krankheit - erfüllt werden. Zwar ist der Versicherungsfall Grundvoraussetzung für alle Ansprüche aus der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Anspruch auf die einzelnen Leistungen entsteht jedoch erst, wenn die besonderen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind. Die Leistungspflicht und damit der Leistungsfall entsteht daher nicht bereits mit dem Eintritt eines Versicherungsfalles, sondern erst wenn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (vgl ua BSGE 16, 177, 180; 45, 11, 16).

Dabei ist es nicht entscheidend, ob die einzelne Leistung jeweils nur auf einen gesonderten Antrag entsprechend §§ 1545 Abs 1 Nr 2, 1551 Abs 1 RVO zu gewähren ist oder ob - wie die Klägerin unter Hinweis auf die Entscheidung des BSG vom 16. August 1973 (BSGE 36, 120 ff) meint - ein Leistungsbegehren aufgrund eines bestimmten Sachverhalts alle insoweit in Betracht kommenden Leistungen umfaßt. Abgesehen davon, daß der genannten Entscheidung ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag, kann unter einem Leistungsfall im Sinne von § 205 Abs 4 Satz 2 RVO nF nicht die Verpflichtung einer Krankenkasse zur Erbringung jedweder im Laufe eines Versicherungsfalles notwendig werdenden Leistung verstanden werden, denn damit würde der "Leistungsfall" dem "Versicherungsfall" gleichgesetzt.

Zwar mag - was hier nicht zu entscheiden ist - ein einheitlicher Leistungsfall im Sinne von § 205 Abs 4 Satz 2 RVO auch dann anzunehmen sein, wenn innerhalb einer bestimmten Leistungsart im Sinne von §§ 179 Abs 1, 182 Abs 1 Nr 1 RVO unterschiedliche Maßnahmen notwendig werden. Handelt es sich aber um Leistungen, die ihrer Art nach wesensverschieden sind, so tritt in der Regel jeweils ein neuer Leistungsfall jedenfalls dann ein, wenn die wesensverschiedene Leistung im Rahmen der Behandlung einer Krankheit nicht von vornherein als weitere notwendig werdende Leistung zu erwarten ist. Krankenhauspflege (§ 184 RVO) als eine komplexe Leistung unterscheidet sich jedoch von der zur Verfügungstellung eines Heil- oder Hilfsmittels (§ 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b oder c RVO) außerhalb einer stationären Behandlung wesentlich, auch wenn das Heil- oder Hilfsmittel im Rahmen der Krankenhauspflege bereits verwendet worden ist. Denn die wesentliche Voraussetzung der Krankenhauspflege - nämlich die Behandlung mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses - entfällt bei einem Heil- oder Hilfsmittel, das der Kranke gerade außerhalb eines Krankenhauses verwendet. Ein einheitlicher Leistungsfall im Sinne von § 205 Abs 4 Satz 2 RVO nF liegt hier auch nicht deshalb vor, weil die Benutzung des Beatmungsgeräts dazu dienen sollte, die Krankenhauspflege überflüssig zu machen, es sich also um eine sogenannte Ersatzleistung gehandelt hat. Das BSG hat zwar entschieden (BSGE 37, 130, 133 ff), an die Stelle der ursprünglich geschuldeten Leistung könne die Ersatzleistung treten, wenn eine Krankenkasse verpflichtet sei, Krankenhauspflege zu gewähren und diese sich durch die Anwendung einer technischen Apparatur ersetzen lasse. Diese Entscheidung betraf aber nur die Frage, ob die Krankenkasse die Kosten eines Geräts (Ultraschallvernebler) im Rahmen der Familienkrankenhilfeleistungen voll zu tragen oder ob sie satzungsgemäß nur einen Zuschuß für ein größeres Heilmittel zu leisten hat, also den Umfang und die Art des Anspruchs des Versicherten. Hieraus lassen sich keine Anhaltspunkte für die Auslegung des Begriffs "Leistungsfall" herleiten, wenn - wie in den Fällen des § 205 Abs 4 RVO - der Anspruch an sich gegen zwei Krankenkassen begründet, die Leistung aber nur von einer Krankenkasse zu gewähren ist.

§ 205 Abs 4 Satz 2 RVO nF ist, ähnlich wie § 212 RVO, eine Zuständigkeitsregelung, die bestehende Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung voraussetzt und unabhängig von den Grundsätzen der Einheit des Versicherungsfalls allein bestimmt, welche Krankenkasse leistungspflichtig ist. Anders als nach der früheren Regelung, bei der die Leistungspflicht der zuerst in Anspruch genommenen Krankenkasse die Leistungspflicht anderer Krankenkassen im Rahmen der Abwicklung eines Versicherungsfalles regelmäßig verdrängte (so BSGE 25, 222 f), ist die Leistungspflicht nunmehr an den Eintritt des jeweiligen Leistungsfalles geknüpft. Dem entsprechen auch grundsätzlich die Empfehlungen der Spitzenverbände der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (ErsK 1982, S 46, 72 Punkt 14.4 und DOK 1982 S 687 zu b), die lediglich bei einzelnen Leistungsarten aus deren Natur heraus einheitliche Leistungsfälle annehmen.

Stellt somit die Gewährung des Beatmungsgerätes einen neuen Leistungsfall gegenüber der vorher gewährten Krankenhauspflege dar, ist hierfür die Beklagte nicht leistungspflichtig, weil für die bei ihr versicherte Mutter des Kindes K. I. nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG die niedrigeren Beiträge zu entrichten waren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662438

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