Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung des Arbeitslosengeldes. Subsidiarität von Arbeitslosenhilfe zum Arbeitslosengeld. Vorrang der Anschluß-Arbeitslosenhilfe vor originärer Arbeitslosenhilfe

 

Orientierungssatz

1. § 112 Abs 5 Nr 2 AFG findet nur Anwendung, wenn Arbeitsentgelt für eine beitragspflichtige Beschäftigung zur Berufsausbildung festzustellen ist (vgl BSG 1982-03-18 7 RAr 46/81 = SozR 4100 § 112 Nr 20).

2. Eine berufliche Tätigkeit, der der Arbeitslose außerhalb einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung nachgegangen ist, führt nicht zur Rechtsfolge des § 112 Abs 7 AFG (vgl BSG 1982-03-18 7 RAr 46/81 = SozR 4100 § 112 Nr 20).

3. Ein bestehender Anspruch auf Arbeitslosengeld besitzt in jedem Fall Vorrang vor einem Anspruch auf originäre Arbeitslosenhilfe (vgl BSG 1983-03-16 7 RAr 12/82). Diese Rechtsfolge kann der Arbeitslose auch nicht durch einen Verzicht auf den Arbeitslosengeldanspruch verneinen.

4. Der Anspruch auf originäre Arbeitslosenhilfe ist einem Anspruch auf Anschluß-Arbeitslosenhilfe gegenüber subsidiär (vgl BSG 1980-09-23 7 RAr 82/79 und 1983-03-16 7 RAr 12/82).

 

Normenkette

AFG § 112 Abs 5 Nr 2 Fassung: 1974-08-07, § 112 Abs 7, § 134 Abs 1 S 1 Nr 2, § 134 Abs 1 Nr 2; SGB 1 § 46 Abs 2 Fassung: 1975-12-11

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 11.01.1983; Aktenzeichen L 7 Ar 227/82)

SG Aurich (Entscheidung vom 28.07.1982; Aktenzeichen S 5 Ar 26/82)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten höhere Leistungen wegen Arbeitslosigkeit.

Der 1954 geborene Kläger war nach Abschluß seines Studiums der Philologie (Mai 1979) vom 1. Oktober bis 31. März 1980 als Arbeiter beitragspflichtig beschäftigt. Er erzielte nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) zuletzt einen Monatslohn von 790,-- DM. Auf seinen Antrag vom 10. April 1980 bewilligte ihm die Beklagte ab diesem Tag Arbeitslosengeld (Alg) für 78 Tage, wobei sie von einem gerundeten Arbeitsentgelt von 240,-- DM wöchentlich ausging (Bescheid vom 8. Mai 1980). Der Kläger nahm diese Leistungen bis zum 30. April 1980 (für 18 Tage) in Anspruch.

Vom 1. Mai 1980 bis 31. Oktober 1981 war der Kläger als Studienreferendar bei der Bezirksregierung W tätig. Seine monatlichen Bezüge betrugen im Oktober 1981 1.763,-- DM brutto.

Auf seine Arbeitslosmeldung und Antragstellung vom 21. Oktober 1981 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 2. November 1981 erneut Alg (Bescheid vom 11. November 1981). Dabei legte sie dasselbe, allerdings dynamisierte Bemessungsentgelt zugrunde, wie für seinen Alg-Anspruch ab 10. April 1980 (250,-- DM wöchentlich). Mit seinem Widerspruch hiergegen machte der Kläger einen höheren Leistungsanspruch geltend. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 1982 zurück.

Im Klageverfahren machte der Kläger geltend, daß die Beklagte ihm zu Unrecht vom 2. November 1981 bis 9. Januar 1982 Alg nur in Höhe von 127,20 DM wöchentlich und durch Bescheid vom 5. Februar 1982 seit 10. Januar 1982 Alhi nur in Höhe von 85,92 DM bewilligt habe. Ihm stehe höheres Alg, jedenfalls aber schon ab 2. November 1981 die sogar gegenüber dem Alg höhere Alhi zu. Entsprechend seinem Antrag verurteilte das Sozialgericht (SG) Aurich die Beklagte unter Aufhebung der oa Bescheide, an den Kläger ab 2. November 1981 Alhi in Höhe von 75 vH eines dem BAT IIa entsprechenden Gehalts in gesetzlicher Dauer zu zahlen. Das SG hat die Berufung zugelassen (Urteil vom 28. Juli 1982).

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) die Entscheidung des SG aufgehoben, die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 11. Januar 1983). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Der Kläger habe ab 2. November 1981 lediglich einen Anspruch auf Alg besessen, den die Beklagte nach §§ 111, 112 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) auf der Grundlage des vom Kläger zuletzt im März 1980 erzielten Entgelts als Arbeiter richtig berechnet habe. Das Entgelt für die Tätigkeit als Studienreferendar könne dafür nicht herangezogen werden, da diese Beschäftigung nicht beitragspflichtig gewesen sei. Das Entgelt aus der Tätigkeit als Studienreferendar führe auch nicht zu einem höheren Alg-Anspruch nach § 112 Abs 7 AFG. Diese Vorschrift erlaube eine Bemessung des Alg nach einem erzielbaren (fiktiven) Entgelt nur dann, wenn zwischen dem nach § 112 Abs 2 und 3 AFG maßgeblichen Entgelt und dem Entgelt aus einer in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit ein Mißverhältnis bestehe. Ob die vom Kläger vom 1. Mai 1980 bis 31. Oktober 1981 als Beamter auf Widerruf ausgeübte Tätigkeit als Studienreferendar überhaupt eine berufliche Tätigkeit iSd § 112 Abs 7 AFG sei, könne dahinstehen; denn sie liege jedenfalls nicht in der maßgeblichen Rahmenfrist vom 10. April 1977 bis 9. April 1980. Insoweit sei nämlich von der Arbeitslosmeldung auszugehen, die erstmals den Anspruch auf Alg begründet habe.

Der Kläger habe ab 2. November 1981 oder ab einem späteren Zeitpunkt auch keinen (höheren) Anspruch auf die sog originäre Alhi iSd § 134 Abs 1 Nr 4b AFG iVm § 1 Nr 1 der Alhi-Verordnung. Zwar lägen die Voraussetzungen dieser Vorschriften vor. Da der Kläger aber Anspruch auf Alg und im Anschluß an dessen Erschöpfung gem § 134 Abs 1 Nr 4a AFG Anspruch auf die sog Anschluß-Alhi habe, sei der Anspruch auf originäre Alhi nicht zur Entstehung gelangt. Er sei nämlich nur subsidiärer Natur und zwar sowohl gegenüber einem bestehenden Alg-Anspruch als auch gegenüber einem bestehenden Anspruch auf Alhi im Anschluß an den Alg-Bezug. Dies folge aus § 135 AFG, wie das LSG näher ausführt. Der Kläger habe den geltend gemachten Alhi-Anspruch ferner nicht durch Verzicht auf seinen Alg-Anspruch erwerben können. Ein solcher Verzicht wäre gem § 46 Abs 2 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - (SGB 1) unwirksam, da durch ihn ein anderer Leistungsträger belastet würde, nämlich der Bund, der diese Alhi zu finanzieren hätte.

Die Benachteiligung des Klägers durch die Verdrängung eines höheren Anspruchs auf originäre Alhi durch einen niedrigeren, aber vorrangigen Anspruch auf Alg, bzw auf Anschluß-Alhi stehe schließlich mit der Verfassung in Einklang.

Mit der Revision rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung der §§ 112, 134 AFG durch das LSG. Er bezieht sich auf die Gründe des SG-Urteils und trägt ergänzend vor: Die Auffassung des LSG, ein originärer Alhi-Anspruch sei neben seinem Alg-Anspruch subsidiär, sei nicht zwingend. Nach § 134 Abs 1 Nr 2 AFG solle der Alhi-Anspruch nur dann ausscheiden, wenn ein Alg-Anspruch nicht bestehe, weil die Anwartschaftszeit nicht erfüllt sei. Im umgekehrten Fall bleibe mithin der Alhi-Anspruch bestehen. Jedenfalls habe der Gesetzgeber offenbar nicht bedacht, daß ein Alhi-Anspruch höher sein könne als ein Alg-Anspruch. Diese Lücke müsse im Sinne der Zubilligung der höheren Lohnersatzleistung geschlossen werden. Im übrigen laufe die Auslegung des LSG auf die paradoxe Konsequenz hinaus, daß es vorteilhafter sein könne, vor Antritt des öffentlichen Dienstverhältnisses als Studienreferendar keine Beschäftigung aufzunehmen, weil so Handelnde mehr Alhi erhalten würden als diejenigen Kollegen, die beitragspflichtig gearbeitet hätten. Ein solches Ergebnis könne der Gesetzgeber nicht im Auge gehabt haben. Es müsse Hochschulabsolventen vor Eintritt in das Referendariat von der Aufnahme einer beitragspflichtigen Beschäftigung abhalten und stände mit dieser Folge in Widerspruch zu den Zielen des AFG, wie sie in § 1 des Gesetzes zum Ausdruck kämen.

Die vom LSG vertretene Auffassung widerspreche im übrigen dem Grundgesetz (GG), denn sie bedeute eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung iSd Art 3 GG. Für ihn wirke sich die Verrichtung einer Beschäftigung und die Entrichtung von Beiträgen zur Beklagten als offensichtlicher Nachteil aus. Seine derzeitige Anschluß-Alhi betrage rund 90,-- DM wöchentlich. An originärer Alhi könnte er etwa das Dreifache erhalten. Im Verhältnis zu seinem Kollegen habe er mithin seit Oktober 1981 "Verluste" von monatlich fast 800,-- DM erlitten, bis zum heutigen Tage in der Summe von rund 13.000,-- DM. Diese Auswirkung könne unter keinem Gesichtspunkt mehr als vertretbar angesehen werden. Derartige Fallgestaltungen seien angesichts der hohen Zahl arbeitsloser Lehrer auch nicht selten.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Aurich vom 28. Juli 1982 zurückzuweisen, hilfsweise, dem Kläger nach Erschöpfung des Arbeitslosengeldanspruchs Arbeitslosenhilfe in Höhe von 75 vH des BAT IIa entsprechenden Gehalts in gesetzlicher Dauer zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils. Ergänzend führt sie aus: Für ein höheres Alg könne sich der Kläger weder auf § 112 Abs 7 AFG noch auf § 112 Abs 5 Nr 2 AFG berufen. Insoweit seien nur beitragspflichtige Beschäftigungen zu berücksichtigen, so daß eine Bemessung nach dem Referendargehalt des Klägers ausscheide.

Die Beklagte weist insoweit auf die Entscheidung des Senats in BSGE 53, 186 hin. Ebenso habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits im Urteil vom 23. September 1980 - 7 RAr 82/79 - entschieden, daß der Anspruch auf originäre Alhi einem Anspruch auf Alg oder Anschluß-Alhi gegenüber subsidiär sei und daß hierin auch dann keine Verfassungswidrigkeit liege, wenn der Leistungsempfänger dabei im Einzelfall schlechter gestellt werde.

Die Beteiligten sind mit Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet, soweit sie die Entscheidung des LSG in bezug auf die Leistungsbewilligung im Bescheid vom 11. November 1981 betrifft, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Januar 1982 gem § 95 SGG Gegenstand der Klage geworden ist. Die Beklagte hat dem Kläger zu Recht ab 2. November 1981 Alg für eine restliche Anspruchsdauer von 60 Tagen auf der Grundlage des vom Kläger zuletzt im März 1980 erzielten Arbeitsentgelts bewilligt.

Der Kläger hat zwar bereits vor dem SG beantragt, die Beklagte ab 2. November 1981 zur Zahlung von Alhi zu verurteilen mit dem Ziel, eine höhere Leistung zu erreichen, als sie ihm in Form des Alg bewilligt worden ist. Sein Klageantrag kann aber nicht dahin verstanden werden, daß er einen höheren Alg-Anspruch nicht geltend machen wolle, falls ihm die begehrte Alhi nicht zustehe. Sein Klagebegehren ist deshalb auch als hierauf gerichtet zu verstehen (§ 123 SGG). Das LSG hat jedoch im Ergebnis zu Recht entschieden, daß dem Kläger ab 2. November 1981 ein höheres Alg nicht zustand, als ihm bewilligt worden ist.

Anspruch auf Alg hat ua, wer die Anwartschaftszeit erfüllt (§ 100 Abs 1 AFG). Nach § 104 Abs 1 AFG in der für den streitigen Sachverhalt maßgeblichen Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des AFG (5. ÄndG-AFG) vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist 180 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden hat. Die Rahmenfrist geht dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt sind oder nach § 105 AFG als erfüllt gelten (§ 104 Abs 2 AFG). Sie beträgt drei Jahre, reicht aber nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hat (§ 104 Abs 3 AFG).

Für das vom Kläger am 21. Oktober 1981 beantragte Alg umfaßte die nach § 104 AFG maßgebliche Rahmenfrist mithin den Zeitraum vom 10. April 1980 bis 1. November 1981. Der 2. November 1981 (Montag) war nämlich im Anschluß an die Antragstellung vom 21. Oktober 1981 hinsichtlich des nachfolgenden Anspruchs der erste Tag der Arbeitslosigkeit gem § 104 Abs 2 AFG (§ 114 AFG). Die für diesen Anspruch maßgebliche Rahmenfrist reichte jedoch von da an nicht drei Jahre, sondern nur bis zu dem Tag zurück, an dem der Kläger bereits eine vorangegangene Rahmenfrist erfüllt hatte; das war der erste Tag seiner Arbeitslosigkeit, an dem er nach Ausscheiden aus der Beschäftigung als Arbeiter alle sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt hatte, nämlich der 10. April 1980. An diesem Tag lagen erstmals alle Voraussetzungen iSd § 100 Abs 1 AFG vor.

In der für den ab 2. November 1981 geltend gemachten Alg-Anspruch sonach zunächst maßgeblichen Rahmenfrist vom 10. April 1980 bis 1. November 1981 hatte der Kläger keine Anwartschaftszeit iSd § 104 AFG erfüllt; denn er war in dieser Zeit überhaupt nicht beitragspflichtig beschäftigt, sondern innerhalb dieses Zeitraumes lediglich als Studienreferendar tätig, und dabei als Beamter auf Widerruf beitragsfrei. Dem Kläger stand folglich am 2. November 1981 aus beitragspflichtiger Beschäftigung innerhalb einer unmittelbar davor liegenden Rahmenfrist überhaupt kein Anspruch auf Alg zu.

Allerdings besaß er noch den Restanspruch auf Alg aus der Bewilligung vom 8. Mai 1980; denn er hatte von der bewilligten Anspruchsdauer für 78 Tage nur 18 Tage verbraucht (§ 110 Abs 1 Nr 1 AFG) und seit Entstehung dieses Anspruchs waren noch nicht drei Jahre verstrichen (§ 125 Abs 2 AFG). Mangels Entstehung eines neuen Alg-Anspruchs war dieser Restanspruch auch noch nicht erloschen (§ 125 Abs 1 AFG). Handelte es sich aber bei dem ab 2. November 1981 bewilligten Alg nur um den Rest des bereits am 10. April 1980 entstandenen Alg-Anspruchs, war er in gleicher Höhe wie jener zu zahlen (nach demselben Bemessungsmodus, vgl BSGE 45, 49, 55 = SozR 4100 § 112 Nr 6), was seitens der Beklagten unter Beachtung der Dynamisierungsregel des § 112a AFG geschehen ist. Daß es im übrigen richtig berechnet worden ist, hat das LSG unangegriffen festgestellt.

Für diesen Anspruch kann eine Erhöhung nach § 112 Abs 5 Nr 2 oder § 112 Abs 7 AFG nicht in Betracht kommen. Beide Vorschriften lassen eine fiktive Bemessung des Alg nach einem zukünftig erzielbaren tariflichen oder ortsüblichen Entgelt, bzw einem Teil davon zu, wenn für die Bemessung des Alg von einer Beschäftigung zur Berufsausbildung auszugehen ist (§ 112 Abs 5 Nr 2 AFG) oder wenn es mit Rücksicht auf eine vom Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit unbillig hart wäre, von der Regelbemessung auszugehen (§ 112 Abs 7 AFG). Es kann dahinstehen, ob diese Tatbestände überhaupt eingreifen, wenn es - wie hier - um die Bewilligung eines bereits vor Verwirklichung solcher Sachverhalte entstandenen Restanspruchs auf Alg geht. Sie kommen jedenfalls schon deswegen nicht zur Anwendung, weil die insoweit allein fragliche Tätigkeit des Klägers als Studienreferendar nicht beitragspflichtig (§ 168 AFG) war. Der Senat hat bereits im Urteil vom 18. März 1982 (BSGE 53, 186 = SozR 4100 § 112 Nr 20) entschieden, daß § 112 Abs 2 Nr 5 AFG nur Anwendung findet, wenn Arbeitsentgelt für eine beitragspflichtige Beschäftigung zur Berufsausbildung festzustellen ist, und daß eine berufliche Tätigkeit, der der Arbeitslose außerhalb einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung nachgegangen ist, nicht zur Rechtsfolge des § 112 Abs 7 AFG führt. Der Senat hat dies aus dem nach System und Wortlaut des Gesetzes maßgeblichen Grundsatz gefolgert, daß der Bemessung eines Alg-Anspruchs prinzipiell nur Entgelte aus beitragspflichtiger Beschäftigung zugrunde gelegt werden dürfen, ein Grundsatz, der nach der Entstehungsgeschichte der Absätze 5 Nr 2 und 7 des § 112 AFG auch für dessen Tatbestände gilt. Der Kläger hat gegen diese Auffassung keine überzeugenden Gründe vorgetragen. Der Senat sieht auch nach erneuter Prüfung keinen Anlaß, hiervon abzugehen.

Anstelle des dem Kläger ab 2. November 1981 für (noch) 60 Tage auch in der Höhe zutreffend bewilligten Alg begehrt der Kläger zu Unrecht eine höhere Alhi. Ob der Kläger die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch erfüllt hat - das LSG hat dies bejaht - kann dahinstehen. Der Senat hat nämlich entschieden, daß ein bestehender Anspruch auf Alg in jedem Fall Vorrang vor einem Anspruch auf originäre Alhi (§ 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b oder c AFG) besitzt. Im Urteil vom 16. März 1983 - 7 RAr 12/82 -, das dem Kläger zur Kenntnis gebracht worden ist, hat der Senat ausgeführt, daß § 134 Abs 1 Nr 2 AFG, der einen Anspruch auf Alhi ausschließt, wenn der Antragsteller (noch) einen Anspruch auf Alg hat, weil er die Anwartschaftszeit erfüllt, auch dann gilt, wenn dieser Alg-Anspruch auf die Erfüllung einer Anwartschaftszeit beruht, die zeitlich vor der Verwirklichung eines an sich die Anspruchsvoraussetzungen für originäre Alhi enthaltenden Sachverhalts liegt. § 134 Abs 1 Nr 2 AFG betrifft nämlich nicht nur die Erfüllung der Anwartschaftszeit in der Rahmenfrist, die sich vom Tag der jeweils letzten Antragstellung und Arbeitslosmeldung an errechnet. Dieser Zeitpunkt ist nur maßgebend, wenn in der unmittelbar davor liegenden Rahmenfrist ein Anspruch auf Alg aus ausreichend langer beitragspflichtiger Beschäftigung gegeben ist. Sowohl der Grundsatz der Subsidiarität des Alhi-Anspruchs gegenüber einem existierenden Alg-Anspruch als auch die Verweisung des § 134 Abs 1 Nr 2 AFG auf § 104 ergeben, daß in § 134 Abs 1 Nr 2 AFG jeglicher noch bestehender Alg-Anspruch zum Ausschluß eines wie immer gearteten Alhi-Anspruchs führt, weil (und wenn) der Arbeitslose dafür die Anwartschaftszeit erfüllt. Diese Rechtsfolge kann der Arbeitslose auch nicht durch einen Verzicht auf den Alg-Anspruch vermeiden, wie das LSG zutreffend aus § 46 Abs 2 SGB 1 entnommen hat.

Der Senat vermag der von diesem Ergebnis abweichenden Auffassung des Klägers nicht zu folgen. Es kann weder als Bestrafung angesehen werden, wenn das Gesetz dem Arbeitslosen die Inanspruchnahme von Leistungen aus allgemeinen Steuermitteln vorenthält, aus denen die originäre Alhi finanziert wird (§ 188 AFG), solange er noch Versicherungsansprüche aufgrund eigener Beitragspflicht besitzt, noch kann eine Gesetzesauslegung Platz greifen, die nach dem Günstigkeitsprinzip vorgeht. Der Kläger würde wohl kaum der von ihm hier vertretenen Auffassung das Wort reden, wenn ihm aus früherer Beschäftigung ein höherer Alg-Anspruch - mit entsprechend hoher Anschluß-Alhi - zustände, als ein etwaiger Anspruch auf originäre Alhi. Ebensowenig würde er wohl die Weitergewährung des früheren Alg ablehnen, wenn ihm die stattdessen begehrte Alhi wegen mangelnder Bedürftigkeit (§§ 134 Abs 1 Nr 3, 137 AFG) nur in geringerer Höhe als das Alg zustände. Wie in solchen Fällen für nach Abschluß ihrer Ausbildung arbeitslose Lehrer kann sich auch für viele andere Arbeitslose je nach Gestaltung der Verhältnisse des Einzelfalles eine jeweils unterschiedliche Interessenlage ergeben. Das Gesetz muß hierfür unabhängig von dem Ergebnis im Einzelfall einheitliche Lösungen für die Rechtsanwendung vorsehen und das ist auch geschehen.

Der Senat sieht in der dargestellten Regelung trotz einer im Einzelfall möglichen finanziellen Benachteiligung keine Verletzung verfassungsrechtlicher Grundsätze, wie er bereits in dem oa Urteil vom 18. März 1982 des Näheren ausgeführt hat (s dazu vor allem BSGE 53, 186, 193). Darauf wird Bezug genommen. Übrigens deckt sich dies mit der Auffassung des Senats, daß auch ein Anspruch auf Anschluß-Alhi einen etwa daneben entstandenen Anspruch auf originäre Alhi vorgeht und eine Verletzung des GG dann nicht deshalb vorliegt, weil jener niedriger ist als dieser (Urteil vom 23. September 1980 - 7 RAr 82/79 -).

Entspricht nach allem die dem Kläger gegenüber ausgesprochene Bewilligung von Alg ab 2. November 1981 dem Grunde und der Höhe nach der Rechtslage, hat das LSG die weitergehende Klage insoweit zu Recht abgewiesen. In diesem Umfang kann deshalb auch die Revision des Klägers nicht zum Erfolg führen.

Soweit das LSG den Anspruch des Klägers auf (höhere) Alhi für die Zeit nach Erschöpfung des oa Alg-Anspruchs abgelehnt hat, ist das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Dem Urteil des LSG ist nämlich nicht zu entnehmen, ob und ggf auf welche Art dieser Anspruch in einer die Sachentscheidung zulässig eröffnenden Weise Gegenstand des Verfahrens geworden ist. So kann es an einem Vorverfahren iSd § 78 SGG fehlen, einer Prozeßvoraussetzung, deren Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (BSG SozR 1500 § 78 Nr 15). Der angefochtene Verwaltungsakt der Beklagten vom 11. November 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Januar 1982 betrifft lediglich den Anspruch des Klägers für die Zeit ab 2. November 1981 für die bewilligte Dauer von 60 Wochentagen. Auch soweit die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 1982 für die Zeit ab 2. November 1981 einen höheren Alg-Anspruch anstelle des bewilligten Alg-Anspruchs ablehnte, besaß dieser keine weiterreichende zeitliche Wirkung; denn am 6. Januar 1982 konnte der ab 2. November 1981 für 60 Wochentage bewilligte Alg-Anspruch durch laufenden Bezug noch nicht verbraucht gewesen (§§ 110 Abs 1 Nr 1, 114 AFG), ein anderer Anspruch (auf Alhi) mithin noch nicht entstanden sein, über dessen Umfang die Beklagte am 6. Januar 1982 schon hätte mitentscheiden können. Ungeachtet der seit 1. Januar 1982 geltenden Regelung in § 134 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 AFG, daß der Anspruch auf Alg und auf Alhi als einheitlicher Anspruch gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist (vgl Art 1 § 1 Nr 54d) aa) des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes vom 22. Dezember 1981 - BGBl I 1497), konnte der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Januar 1982 somit nicht Ansprüche des Klägers im Anschluß an den bewilligten Alg-Anspruch regeln. Das war nach dem Inhalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Januar 1982 auch nicht die Absicht der Beklagten.

Das LSG hat zudem nicht festgestellt, ob und wann der Kläger einen Antrag auf Leistungen für die Zeit nach Ablauf der Alg- Bezugsdauer gestellt und ob, bzw mit welchem Inhalt die Beklagte hierüber entschieden hat. Erst aufgrund derartiger Feststellungen ließe sich aber beurteilen, ob insoweit ein Vorverfahren nach § 78 SGG zu erfolgen hatte, ggf ob es erfolgt ist und falls nicht, ob es entbehrlich war. Letzteres könnte der Fall sein, wenn ein das Begehren des Klägers nicht befriedigender Alhi-Bewilligungsbescheid gem § 96 SGG Gegenstand der Klageverfahrens (vgl dazu BSG vom 16. März 1983 - 7 RAr 12/82 -) oder gem § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden ist (vgl dazu BSG SozR 1500 § 86 Nr 1). Der Kläger hat zwar in der Klageschrift vom 11. Februar 1982 auch die Aufhebung eines Bescheides über Alhi vom 5. Februar 1982 begehrt und in seinem Schriftsatz vom 5. März 1982 an das SG erläutert, dieser Bescheid enthalte die Bewilligung von Alhi ab 10. Januar 1982 in Höhe von 85,92 DM pro Woche, die zu niedrig festgesetzt sei. Ebensowenig wie das SG hat aber das LSG diesen Vorgang festgestellt. Wenn das SG in den Gründen seiner Entscheidung ausgeführt hat, es fehle ein förmlicher Antrag auf Alhi, so meint es damit offenbar einen solchen Antrag in bezug auf Leistungen ab 2. November 1981.

Käme es lediglich auf die Frage des Vorliegens der Prozeßvoraussetzungen zur Sachentscheidung über den vom Kläger erhobenen Alhi-Anspruch im Anschluß an den Alg-Bezug an, könnte der Senat diese prozessualen Feststellungen zwar selbst treffen. Er hat jedoch davon abgesehen. Fehlte es vorliegend an einem ausreichenden Vorverfahren, würde der Senat nach der ständigen Rechtsprechung des BSG die Sache zum Zwecke der Nachholung nämlich ohnedies an das LSG zurückverweisen (vgl dazu BSG SozR 1500 § 78 Nr 15 mwN). Ergäben Feststellungen des Senats hingegen, daß ein Vorverfahren nicht erforderlich war, weil ein ergangener Alhi-Bescheid gem § 86 oder § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist, könnte der Senat ungeachtet einer insoweit fehlenden Rüge des Klägers im Revisionsverfahren nicht abschließend entscheiden. Denn das LSG hat einen höheren Alhi-Anspruch für die Zeit nach Erschöpfung des Alg-Anspruchs nur deshalb verneint, weil dem Kläger kein Anspruch auf originäre Alhi zustehe. Ob dem Kläger ein tatsächlich eingeräumter (Anschluß-)Alhi-Anspruch in der gesetzlich zustehenden Höhe bewilligt worden ist, hat das LSG hingegen nicht geprüft und dazu auch keine Feststellungen getroffen, die dem Senat eine solche Prüfung ermöglichten. Auch bei Bestätigung der Rechtsauffassung des LSG im übrigen käme es aber darauf an, denn der Klageanspruch kann nur dann abgelehnt werden, wenn er unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist.

Muß somit der Rechtsstreit in jedem Fall an das LSG zurückverwiesen werden, durfte es der Senat dem Berufungsgericht überlassen, auch die in prozessualer Hinsicht noch fehlenden Feststellungen nachzuholen. Kommt danach eine erneute Sachentscheidung des LSG über die Höhe des Leistungsanspruchs für die Zeit nach Erschöpfung des Alg-Anspruchs in Betracht, kann sich das LSG für seine Ansicht, daß der Anspruch auf originäre Alhi einem Anspruch auf Anschluß-Alhi gegenüber subsidiär ist, auf die Rechtsprechung des Senats berufen (Urteil vom 23. September 1980 - 7 RAr 82/79 - und vom 16. März 1983 - 7 RAr 12/82 -). Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1659150

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge