Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Umrechnung fremder Währungen in die deutsche ist grundsätzlich der Devisenkurs heranzuziehen.

2. Im Rahmen von § 25 Abs 4 S 1 Buchst b AVG (= § 1248 Abs 4 S 1 Buchst b RVO) sind Entgelte in ausländischer Währung, soweit sich nicht aus überstaatlichem oder zwischenstaatlichem Recht ein anderes ergibt, nach dem durchschnittlichen monatlichen Wechselkurs in Deutsche Mark umzurechnen.

 

Normenkette

AVG § 25 Abs 4 S 1 Buchst b Fassung: 1977-06-27; RVO § 1248 Abs 4 S 1 Buchst b Fassung: 1977-06-27; BGB § 244 Abs 2; EWGV 574/72 Art 107

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 14.10.1981; Aktenzeichen L 6 An 61/80)

SG Berlin (Urteil vom 29.09.1980; Aktenzeichen S 11 An 769/79)

 

Tatbestand

Streitig ist die Umrechnung eines in ausländischer Währung erzielten Entgelts.

Die im April 1914 geborene, in Israel lebende Klägerin beantragte im März 1977 die Gewährung von Altersruhegeld nach § 25 Abs 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). In den Monaten Mai bis Juli 1977 erzielte sie ein Bruttoarbeitsentgelt von monatlich 4.282,20 israelischen Pfund (IL). Die Beklagte lehnte die Gewährung des flexiblen Altersruhegeldes für diese Monate mit der Begründung ab, daß das Arbeitsentgelt den Grenzbetrag des § 25 Abs 4 Satz 1 Buchst b AVG, der sich nach Art 2 § 27a Abs 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) auf 1.020,- DM belaufe, überschritten habe. Dabei ermittelte die Beklagte - entsprechend den damaligen Richtlinien des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger - den Umrechnungskurs nach einem Pauschalverfahren mit 1 IL = 0,2685 DM. Dieses Verfahren knüpfte an den Devisenkurs am ersten Werktag des Jahres an; es berücksichtigte Kursänderungen unter bestimmten Voraussetzungen vom Beginn späterer Monate an.

Mit der nach Durchführung des Vorverfahrens erhobenen Klage macht die Klägerin einen Anspruch auf Altersruhegeld nur noch für Juli 1977 geltend. Die Vorinstanzen haben - bei zugelassener Berufung - der Klage den Erfolg versagt. Nach Ansicht des Landessozialgerichts (LSG) ist das Arbeitsentgelt der Klägerin nach der sog Verbrauchergeldparität (Deutsches Schema) umzurechnen; nur dies entspreche dem Sinn und Zweck des § 25 Abs 4 Satz 1 Buchst b AVG und sichere die Gleichbehandlung deutscher und israelischer Versicherter. Die Kursumrechnung berücksichtige nicht die tatsächlichen Wertverhältnisse; sie führe bei starken Kursschwankungen zu Härten im Einzelfall. Mit der Verdienstgrenze habe der Gesetzgeber Versicherte vom flexiblen Altersruhegeld ausschließen wollen, die noch einen relativ hohen Verdienst mit relativ hoher Kaufkraft hätten. In anderen Rechtsgebieten sei die Kaufkraftumrechnung ebenfalls befürwortet worden. Wenn die Verbrauchergeldparität bei der Bescheiderteilung noch nicht bekannt sei, müsse sich die Beklagte zunächst mit Annäherungswerten begnügen. Bei der Umrechnung nach der Verbrauchergeldparität habe das Entgelt der Klägerin mit 1.156,19 DM (= 4.282,20 x 0,27) den Grenzbetrag überschritten.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, die Umrechnung dürfe allein nach dem maßgebenden Wechselkurs erfolgen; eine Zugrundelegung der Verbrauchergeldparität oder eines Devisenkurses nach Pauschalverfahren entbehre der gesetzlichen Grundlage und begegne auch sonst Bedenken. Beim maßgebenden Devisenkurs werde der Grenzbetrag nicht erreicht.

Die Klägerin beantragt, die Bescheide der Beklagten abzuändern, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung des Altersruhegeldes für Juli 1977 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; die Klägerin hat für den Monat Juli 1977 Anspruch auf Altersruhegeld nach § 25 Abs 1 AVG.

Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG sind die Voraussetzungen des § 25 Abs 1 AVG erfüllt; der Versicherungsfall ist allerdings - mangels einer Bestimmung iS des § 25 Abs 7 AVG - bereits mit der Vollendung des 63. Lebensjahres der Klägerin im April 1977 eingetreten. Der Anspruch der Klägerin wird entgegen der Auffassung des LSG nicht durch § 25 Abs 4 Satz 1 Buchst b AVG ausgeschlossen.

Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf Altersruhegeld nach § 25 Abs 1 AVG bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres neben einer laufenden Beschäftigung gegen Entgelt, wie das hier für die Zeit bis Juli 1977 zutraf, nur, wenn das Entgelt für die in Betracht kommende Zeit eine bestimmte Verdienstgrenze, im vorliegenden Fall die Grenze von 1.020,- DM (vgl Art 2 § 27a Abs 2 AnVNG) durchschnittlich im Monat nicht überschreitet. Hierbei ist auch ein im Ausland in fremder Währung gezahltes Entgelt zu berücksichtigen; da die Verdienstgrenze nach DM bestimmt ist, muß es allerdings in DM umgerechnet werden. Bei dieser Umrechnung ist im Rahmen des § 25 Abs 4 Satz 1 Buchst b AVG jedoch nicht die Verbrauchergeldparität und auch nicht, wie die Beklagte meint, ein sog Devisenkurs im Rahmen eines Pauschalverfahrens, sondern der monatliche Devisenkurs maßgebend.

Der Wortlaut des § 25 Abs 4 Satz 1 Buchst b AVG enthält nichts darüber, wie ein in ausländischer Währung gezahltes Entgelt in DM zu bewerten ist. Auch außerhalb dieser Vorschrift ist weder im AVG noch in den vorliegenden Teilen des Sozialgesetzbuchs allgemein bestimmt, wie fremde Währungen in die deutsche Währung umzurechnen sind, obwohl das oft erforderlich sein kann; das gilt insbesondere dann, wenn Zahlungen in das Ausland (zB Renten) oder von dort hierher (zB Beiträge) zu leisen sind, nicht minder aber, wenn deutsche Leistungen überhaupt oder der Höhe nach von der Bewertung ausländischer Einkünfte (so hier) oder sonstigen Vermögens im Ausland abhängen. Da schließlich das deutsch-israelische Abkommen über Soziale Sicherheit vom 17. Dezember 1973 im speziellen Verhältnis zu Israel ebenfalls keine Bestimmung zur Umrechnung trifft, liegt somit eine Gesetzeslücke vor, die der Ausfüllung bedarf. Hierbei steht der Beklagten entgegen ihrer Meinung kein Ermessen oder sonstiger Spielraum in der Wahl der Umrechnungsmethoden zu (vgl SozR Nr 2 zu § 64c BVG). Die Ausfüllung der Lücke ist vielmehr nach dem Plan oder jedenfalls dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers vorzunehmen (BSGE 21, 95, 96; 47, 109, 111). Diese ergänzende Rechtsfindung muß sich an Regelungen und Prinzipien orientieren, die bereits für rechtsähnliche Tatbestände gelten; zu beachten ist außerdem der Gesetzeszusammenhang, in dem die auszufüllende lückenhafte Regelung steht, sowie der ihr zukommende Sinn und Zweck (BSGE 6, 204, 211; 14, 238, 241; 20, 293, 296; 39, 143, 146; 42, 20, 23).

Insoweit lassen vergleichbare gesetzliche Regelungen und die dazu vorliegende Praxis und Rechtsprechung erkennen, daß bei der Umrechnung fremder Währungen grundsätzlich der Devisenkurs heranzuziehen ist und nur hilfsweise oder ausnahmsweise die Verbrauchergeldparität. So hat nach § 244 Abs 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches bei sog unechten Valutaschulden die Umrechnung nach dem Kurswert zur Zeit der Zahlung zu erfolgen. Danach richtet sich (soweit bekannt) ferner die Zahlung von Renten in das Ausland (vgl zu § 64d Abs 1 BVG BSGE 34, 40, 72) und die Entrichtung von Beiträgen aus dem Ausland. Schon in BSGE 15, 1, 7 wurde dementsprechend darauf hingewiesen, daß die valutarische Umrechnung im Handelsverkehr wie auch sonst bei Zahlungen allgemein üblich sei. In die gleiche Richtung weisen Regelungen und ihre Auslegung zur Berücksichtigung ausländischer Einkünfte bei der Leistungsfestsetzung. Die schon genannte Entscheidung BSG 15 aaO hat auch für die Anrechnung ausländischen Einkommens die Umrechnung nach dem Devisenkurs als die einfachste und klarste Handhabe bezeichnet. Selbst bei der Auslegung des § 64c Abs 1 BVG, der eine Berücksichtigung ausländischer Einkünfte "wie inländische" verlangt, sind die damit befaßten Senate des BSG davon ausgegangen, daß für die Umrechnung der ausländischen Einkünfte grundsätzlich der Wechselkurs maßgebend ist und nur dann die Verbrauchergeldparität, wenn Sinn und Zweck der Vorschrift dies wegen besonderer Verhältnisse erfordern (BSGE 34, 70, 74; SozR Nr 2 zu § 64 BVG; Nr 2 zu § 64c BVG; SozR 3100 § 64c Nr 1). Im Bereich des Kindergeldrechts sind die vom LSG zitierten Entscheidungen BSGE 30, 239, 241 und SozR 5870 § 9 Nr 3 durch die seit Januar 1979 geltende Fassung des § 8 Abs 2 Satz 3 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) überholt; nach dieser Vorschrift sind fremde Kindergeldleistungen jetzt nach dem Devisenkurs, wenn auch nach einem schon vor dem Kalenderjahr festgestellten, umzurechnen. Desgleichen schreibt Art 107 der EWG-VO Nr 574/74 innerhalb seines Geltungsbereichs die Zugrundelegung eines vom amtlichen Wechselkurs abgeleiteten Wechselkurses vor. Der grundsätzlichen Umrechnung nach dem Devisenkurs stehen nicht die Entscheidungen des BSG zur Umrechnung ausländischer Entgelte im Rahmen des § 571 der Reichsversicherungsordnung -RVO- entgegen (BSGE 36, 209; SozR 2200 § 571 Nr 2). Dort heißt es zwar (BSG aaO S 217): "Als praktikable und rechtlich auch zulässige Umrechnungsmethode bieten sich die Umrechnung nach dem Devisenkurs und nach der Verbrauchergeldparität an", was den Eindruck erwecken könnte, beide Methoden seien jeweils gleichgeordnet "rechtlich zulässig"; die Entscheidungen mit der dabei bevorzugten Umrechnung nach der Verbrauchergeldparität halten sich jedoch bewußt "im Rahmen der Anwendung von § 571 RVO" (vgl S 209, Leitsatz Nr 2) und beanspruchen darüber hinaus keine Gültigkeit allgemeiner Art.

Der grundsätzliche Vorrang der Umrechnung nach dem Devisenkurs vor der nach der Verbrauchergeldparität widerspricht hier nicht dem Sinn und Zweck des § 25 Abs 4 Satz 1 Buchst b AVG, auf den sich das LSG im weiteren berufen hat; er wird vielmehr von daher eher bekräftigt. Es finden sich keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber bei einem Verdienst von 1.020,- DM für die Zubilligung eines Altersruhegeldes, gleich welcher Höhe, kein Bedürfnis mehr gesehen hätte und daß hiernach die Kaufkraft eines solchen Verdienstes die Festlegung des Grenzwertes bestimmt hätte. Der Sinn und Zweck des § 25 Abs 4 Satz 1 Buchst b AVG liegt vielmehr darin, ein Nebeneinander von Altersgeldbezug und Erwerbstätigkeit bei einem bestimmten Ausmaß (Ertrag) dieser Erwerbstätigkeit auszuschließen. Daß ein Kaufkraftvergleich dabei über das Ausmaß einer ausländischen Erwerbstätigkeit bessere Aussagen liefern würde als der Kursvergleich, ist nicht erkennbar. Davon abgesehen hat die Umrechnung nach der Verbrauchergeldparität für den Versicherten den Nachteil, daß die Verbrauchergeldparität (deutsches Schema) vom Statistischen Bundesamt zumeist erst nach Jahren, jedenfalls aber erhebliche Zeit später als in der Zeit des beanspruchten Altersgeldbezuges festgestellt wird; ein im Ausland lebender Versicherter kann die Verbrauchergeldparität (deutsches Schema) anders als den Devisenkurs sonach nicht rechtzeitig genug erfahren, um seine Verdienste so einzurichten, daß sie einem flexiblen Altersruhegeld nicht entgegenstehen; hieran hat er jedoch ein schutzwürdiges Interesse. Ob auch sonst der Kaufkraftvergleich wegen der Auswahl der dafür maßgebenden Faktoren für Versicherte Nachteile bringen kann, kann offen bleiben; von "Härten" im Einzelfall ist jedenfalls keine der beiden Umrechnungsmethoden frei. Sonach fehlt es insgesamt an durchgreifenden Argumenten, bei § 25 Abs 4 Satz 1 Buchst b AVG vom Grundsatz der Maßgeblichkeit des Wechselkurses abzugehen.

Damit fragt es sich im weiteren, nach welchem zeitlichen Devisenkurs sich die Umrechnung zu richten hat. Die Beklagte legt gemäß den früheren und jetzigen Richtlinien des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger Zeiträume und Zeitpunkte zugrunde, die schon vor der Zeit liegen, in der das Arbeitsentgelt zugeflossen ist. Auch § 8 Abs 2 Satz 3 BKGG und Art 107 EWG-VO Nr 574/74 greifen auf frühere Zeiträume bzw Zeitpunkte zurück, ohne daß sich insoweit eine einheitliche Linie erkennen ließe. Für einen derartigen, wie auch immer vorzunehmenden Rückgriff sieht der Senat bei der ergänzenden Rechtsfindung im Rahmen des § 25 Abs 4 Satz 1 Buchst b AVG jedoch keine Möglichkeit, auch wenn allein von der Praktikabilität her gesehen dieses Verfahren zu den geringsten Schwierigkeiten führen würde. Denn wie der Senat in SozR 2200 § 1248 Nr 18 hervorgehoben hat, kommt es für § 25 Abs 4 Satz 1 Buchst b AVG nur auf das Arbeitseinkommen während der angestrebten Bezugszeit für das flexible Altersruhegeld an; infolgedessen können auch nur die valutarischen Verhältnisse in dieser Bezugszeit maßgebend sein. Dabei ist es allerdings nicht erforderlich, allen Erwerbseinkünften innerhalb der genannten Bezugszeiten jeweils den Kurs des Tages zugrunde zu legen, an dem sie dem Berechtigten zugeflossen sind. Ausschlaggebend muß vielmehr sein, daß § 25 Abs 4 Satz 1 Buchst b AVG auf die durchschnittlich im Monat erzielten Einkünfte abstellt. Wenn - wie hier - nur eine Bezugszeit von einem Monat streitig ist, sind demnach die im Laufe des Monats erzielten Einkünfte als eine Einheit gleichmäßig dem ganzen Monat zuzurechnen (vgl dazu das heutige Urteil in der Sache 11 RA 48/82). Dem entspricht es, daß die Umrechnung folgerichtig nach dem durchschnittlichen Monatskurs vorgenommen wird. Soweit auch bei diesem Verfahren noch Feststellungsschwierigkeiten verbleiben, halten sie sich im Rahmen der Schwierigkeiten, die ohnedies durch die Struktur der Vorschrift bedingt sind; da der Leistungsbezug von innerhalb der Bezugszeit zufließenden Verdiensten abhängig gemacht wird, hat das zwangsläufig zur Folge, daß nicht selten erst mit Ablauf der Bezugszeit die Leistungsberechtigung festgestellt werden kann (s dazu SozR 2200 § 1248 Nr 18).

Nach Auskunft der Landeszentralbank B, auf die das LSG in seinem Urteil Bezug genommen hat, belief sich der Durchschnittskurs der DM für Juli 1977 auf 4,2009 IL (4,18941 + 4,21247 : 2); das Arbeitsentgelt der Klägerin für Juli 1977 in Höhe von 4.282,20 IL kommt damit dem Betrag von 1.019,34 DM gleich; dieser Betrag bleibt hinter dem hier maßgebenden Grenzbetrag von 1.020,- DM zurück.

Nach alledem war das angefochtene Urteil aufzuheben und in der Sache zu Gunsten der Klägerin zu entscheiden (§ 170 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-); die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 169

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