Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Revisionsverfahren. Fortsetzung des Verfahrens nach Vergleichsabschluss. Anfechtung des Vergleichs wegen arglistiger Täuschung. Wirksamkeit des abgeschlossenen Vergleichs

 

Orientierungssatz

1. Zur Anfechtung eines Prozessvergleichs wegen arglistiger Täuschung.

2. Übernimmt der Beklagte in einem Prozessvergleich die Verpflichtung, über ein Beitragserstattungsbegehren erneut zu entscheiden, steht die neue Entscheidung unter dem Vorbehalt der Prüfung der Erstattungsvoraussetzungen. Dementsprechend wird durch eine bei Abschluss des Vergleichs durch den Beklagten in Aussicht gestellte "kurzfristige und unproblematische Rückerstattung von Beiträgen", nicht die uneingeschränkte Beitragserstattung als falsche Tatsache vorgespiegelt.

 

Normenkette

SGG § 101 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 116, 119 Abs. 1, § 123 Abs. 1 Alt. 1, § 779 Abs. 1; SGB IV §§ 26-27; SGB X §§ 53-54, 58 Abs. 1; GG Art. 20 Abs. 3

 

Verfahrensgang

BSG (Vergleich vom 10.10.2017; Aktenzeichen B 12 KR 7/15 R)

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 02.07.2015; Aktenzeichen L 5 KR 130/14)

SG Koblenz (Urteil vom 28.04.2014; Aktenzeichen S 13 KR 1066/13)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Fortsetzung des Revisionsverfahrens wird abgelehnt.

Das Revisionsverfahren ist durch den gerichtlichen Vergleich vom 10. Oktober 2017 beendet.

Außergerichtliche Kosten für das Verfahren auf Fortsetzung des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Wirksamkeit eines zur Erledigung des Rechtsstreits vor dem erkennenden Senat abgeschlossenen Vergleichs streitig.

Der Kläger war seit 1971 freiberuflicher Marketing- sowie Öffentlichkeitsberater und bezieht seit 1.11.1995 eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung. Er schloss am 10.11.1995 aufgrund eines zwischen der zu 2. beigeladenen V. GmbH und einem Konsortium von Versicherungsunternehmen bestehenden Vertrags mit Letzterem einen Rentenversicherungsvertrag (Nr 6/880075/901). Danach hatte er aufgrund einer Einmalzahlung von 500 000 DM ab 1.4.1996 eine vierteljährliche Rentenzahlung von 9933 DM zu beanspruchen.

Seit 2002 ist der Kläger bei der beklagten Krankenkasse gesetzlich kranken- und bei der zu 1. beigeladenen Pflegekasse sozial pflegeversichert. Für die ihm von der V. gezahlte Rente führte diese ab 1.9.2004 Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge an die Beklagte ab. Seinen im Februar 2013 gestellten Antrag, ihm die Sozialversicherungsbeiträge zu erstatten, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 4.6.2013; Widerspruchsbescheid vom 18.9.2013).

Das SG Koblenz hat die ablehnende Verwaltungsentscheidung aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, an den Kläger die vom 1.9.2004 bis zum 28.4.2014 gezahlten Beiträge in Höhe von 40 287,39 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem Zeitpunkt des jeweiligen Einzugs zu erstatten (Urteil vom 28.4.2014 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 9.7.2014). In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG Rheinland-Pfalz ist auf Anraten des Senats ein "Teilvergleich" geschlossen worden. Danach hat sich die beigeladene Pflegekasse verpflichtet, "über die Beitragspflicht bzw. die Erstattung von Beiträgen zur Pflegeversicherung entsprechend dem rechtskräftigen Ausgang des vorliegenden Verfahrens zu entscheiden" und haben die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Pflegeversicherungsbeiträge für erledigt erklärt. Sodann hat das LSG auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 2.7.2015).

Im anschließenden Revisionsverfahren (B 12 KR 7/15 R) haben die Beteiligten am 10.10.2017 in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat "zur Beendigung des Rechtsstreits" folgenden "Vergleich" geschlossen:

"1.

Die Beklagte erkennt an, dass die Rentenzahlungen nicht der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen und nimmt den Bescheid vom 4. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. September 2013 zurück.

2.

Die Beklagte verpflichtet sich, über die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge erneut zu entscheiden.

3.

Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt.

4.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen und der Beigeladenen zu 2. die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten."

Die Beklagte hat in Ausführung dieses Vergleichs die vom 1.1.2009 bis zum 31.10.2017 entrichteten Beiträge nebst Zinsen in Höhe von insgesamt 44 993,34 Euro erstattet (Schreiben vom 6.11.2017). Die Erstattung der auch vom 1.9.2004 bis zum 31.12.2008 entrichteten Beiträge hat sie wegen Verjährung abgelehnt (Bescheid vom 5.1.2018; Widerspruchsbescheid vom 3.5.2018). Das SG Koblenz hat die Verwaltungsentscheidung aufgehoben und die beklagte Krankenkasse zur Zahlung von 15 831,22 Euro sowie die beigeladene Pflegekasse zur Zahlung von 1831,72 Euro, jeweils nebst 4 % Zinsen seit dem 1.4.2013, verurteilt (Urteil vom 6.9.2018). Das LSG Rheinland-Pfalz hat das Berufungsverfahren wegen des vorliegenden Revisionsverfahrens ausgesetzt.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 4.10.2018 den Vergleich vom 10.10.2017 angefochten und mit Schriftsatz vom 19.10.2018 die Fortsetzung des Revisionsverfahrens B 12 KR 7/15 R beantragt. Nachdem er vor Abschluss des Vergleichs darauf hingewiesen hätte, dass dieser nur Sinn mache, wenn sich später nicht um die Höhe der Beitragserstattung gestritten würde, habe der Sitzungsvertreter der Beklagten "eine kurzfristige und unproblematische Rückerstattung der Beiträge" ausdrücklich zugesichert. Diese Zusicherung sei auch nach der mündlichen Verhandlung gegenüber seinem Sohn erklärt worden. Darauf angesprochen habe der Sitzungsvertreter später geäußert, den Sitzungstermin vor dem BSG nicht gründlich vorbereitet zu haben, so dass seine Vergleichserklärung nicht als verbindlich und abschließend angesehen werden könne. Die nach der mündlichen Verhandlung vor dem SG Koblenz am 6.9.2018 vom Sitzungsvertreter der Beklagten zugesagte Erklärung zur angekündigten Anfechtung sei ebenfalls nicht eingehalten worden. Dieses Verhalten stelle sich als treuwidrige sowie arglistige Täuschung dar und sei das Ergebnis einer durch das Urteil des Senats vom 10.10.2017 (B 12 KR 2/16 R - BSGE 124, 195 = SozR 4-2500 § 229 Nr 22) veranlassten, in tatsächlicher sowie rechtlicher Hinsicht zweifelhaften Besprechung der Spitzenverbände der Kranken- und Rentenversicherungsträger. Der angefochtene Vergleich sei mit einem geheimen Vorbehalt versehen gewesen. Dass sämtliche Beiträge zu erstatten seien, ergebe sich auch aus der Kostenregelung in Ziffer 4 des Vergleichs.

Der Kläger beantragt,

das Revisionsverfahren fortzusetzen sowie das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. Juli 2015 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 28. April 2014 zurückzuweisen, soweit die vom 1. September 2004 bis zum 31. Dezember 2008 gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung betroffen sind.

Die Beklagte beantragt,

festzustellen, dass das Revisionsverfahren durch den gerichtlichen Vergleich vom 10. Oktober 2017 beendet ist,

hilfsweise,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Das Fortsetzungsbegehren des Klägers mit dem Ziel, die Beklagte durch Sachentscheidung zur Erstattung weiterer Krankenversicherungsbeiträge nebst Zinsen zu verurteilen, hat keinen Erfolg. Der Rechtsstreit wurde durch den vor dem erkennenden Senat am 10.10.2017 wirksam geschlossenen Prozessvergleich jedenfalls aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärung beendet (§ 101 Abs 1 Satz 1 SGG). Der Prozessvergleich ist weder aus prozessrechtlichen Gründen (dazu 1.) noch wegen Anfechtung (dazu 2.), Irrtums (dazu 3.) oder geheimen Vorbehalts (dazu 4.) aus materiell-rechtlichen Gründen unwirksam. Daher war vom Senat als bisher mit der Sache befasstes Gericht (vgl BSG Urteil vom 27.6.1958 - 4 RJ 7/57 - BSGE 7, 279, 281 = juris RdNr 22) die Beendigung des Rechtsstreits durch Endurteil festzustellen (BSG Urteil vom 28.11.2002 - B 7 AL 26/02 R - juris RdNr 20).

1. Der gerichtliche Vergleich nach § 101 Abs 1 SGG hat eine rechtliche Doppelnatur. Er ist sowohl Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Prozessrechts bestimmt, als auch ein materiell-rechtlicher Vertrag, für den die Vorschriften der §§ 53, 54 SGB X und des BGB gelten (vgl BSG Urteil vom 13.2.2014 - B 8 SO 15/12 R - SozR 4-3500 § 133a Nr 2 RdNr 10; BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, RdNr 66; BSG Urteil vom 27.9.1994 - 10 RAr 1/93 - BSGE 75, 92, 95 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10 S 46; BAG Urteil vom 23.11.2006 - 6 AZR 394/06 - BAGE 120, 251 = juris RdNr 15). Seine Unwirksamkeit kann daher darauf beruhen, dass entweder der materiell-rechtliche Vertrag nichtig oder wirksam angefochten ist oder die zu seinem Abschluss notwendigen Prozesshandlungen nicht wirksam vorgenommen worden sind (BSG Urteil vom 17.5.1989 - 10 RKg 16/88 - SozR 1500 § 101 Nr 8 S 8). Prozessrechtliche Mängel sind weder vom Kläger vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Vergleich ist ordnungsgemäß protokolliert worden (§ 122 SGG iVm § 160 Abs 3 Nr 1, § 162 Abs 1 und § 163 Abs 1 Satz 1 ZPO) und damit formwirksam zustande gekommen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Vergleich vom 10.10.2017 lediglich vom Kläger und der Beklagten oder auch unter Mitwirkung der Beigeladenen als "Beteiligte" abgeschlossen worden ist. Kläger und Beklagte sind als Hauptbeteiligte nicht gehindert, ohne die Zustimmung notwendig Beigeladener den Rechtsstreit durch Vergleich zu beenden (BSG Urteil vom 30.6.1977 - 12/3 RK 91/75 - SozR 1500 § 101 Nr 5 S 3 f mwN).

2. Der Prozessvergleich ist auch nicht aus materiell-rechtlichen Gründen wegen der vom Kläger erklärten Anfechtung unwirksam. Nach § 123 Abs 1 Alt 1 BGB kann derjenige eine Willenserklärung mit der Folge der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts (§ 142 Abs 1 BGB) anfechten, der zu ihrer Abgabe durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist. Zu dieser Anfechtung ist der Kläger nicht berechtigt. Eine arglistige Täuschung durch die Beklagte liegt nicht vor.

Täuschung ist die vorsätzliche Erregung, Bestärkung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums, sei es durch das Vorspiegeln falscher oder das Verschweigen wahrer Tatsachen, um den Willensentschluss des Getäuschten zu beeinflussen (vgl BGH Urteil vom 22.2.2005 - X ZR 123/03 - juris RdNr 11). Sie darf sich nicht auf lediglich subjektive Werturteile, sondern muss sich auf objektiv nachprüfbare Angaben beziehen (BGH Urteil vom 19.9.2006 - XI ZR 204/04 - BGHZ 169, 109, 115 = juris RdNr 24). Die Täuschung ist arglistig, wenn der Täuschende weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er unredlich handelt, der Getäuschte dies nicht erkennt und ohne die Täuschung die Willenserklärung nicht oder nicht mit dem geäußerten Inhalt abgegeben hätte (vgl BGH Urteil vom 3.3.1995 - V ZR 43/94 - juris RdNr 16). Schließlich muss die Täuschung für die angefochtene Willenserklärung des Getäuschten ursächlich gewesen sein. Eine Willenserklärung kann nur dann angefochten werden, wenn der Anfechtende einem auf die Bestimmung des Willens gerichteten Verlangen nachgegeben und die Willenserklärung nicht aus eigener, selbständiger Überlegung abgegeben hat (BAG Urteil vom 12.5.2010 - 2 AZR 544/08 - juris RdNr 41). Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist eine arglistige Täuschung der Beklagten weder vorgetragen noch ersichtlich.

Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob die Behauptung des Klägers zutrifft, ihm sei vom Beklagtenvertreter vor Vergleichsabschluss "eine kurzfristige und unproblematische Rückerstattung der Beiträge" ausdrücklich zugesichert worden. Selbst wenn dem so wäre, ist mit ihr keine falsche Tatsache (uneingeschränkte Beitragserstattung) vorgespiegelt worden. Es steht nicht in Widerspruch zu dieser Aussage, dass die Beklagte - ob rechtmäßig oder rechtswidrig, ist hier nicht zu entscheiden - die Beitragserstattung teilweise für die Zeit vom 1.9.2004 bis zum 31.12.2008 abgelehnt und insoweit die Verjährungseinrede erhoben hat.

Mit dem angefochtenen Prozessvergleich hat sich die Beklagte lediglich verpflichtet, über die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge "erneut zu entscheiden". Der Erlass einer derart neuen Entscheidung - die nicht selten Gegenstand eines das sozialgerichtliche Verfahren beendenden Prozessvergleichs ist - steht aufgrund der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die ebenso wie die Rechtsprechung an Recht und Gesetz gebunden ist (Art 20 Abs 3 GG), unter dem Vorbehalt einer Prüfung der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen, hier der Voraussetzungen einer Beitragserstattung nach §§ 26 und 27 SGB IV. Der - vermeintliche - Hinweis auf eine "kurzfristige und unproblematische Rückerstattung der Beiträge" ist aus objektiver Empfängersicht daher nicht als Zusicherung (vgl § 34 SGB X, der im Übrigen Schriftform verlangt) jeglicher geltend gemachter Beitragserstattung anzusehen, sondern betrifft die Abwicklung des zur Überzeugung der Beklagten nach rechtlicher Prüfung bestehenden Beitragserstattungsanspruchs. Aus dem Verhalten des Klägers folgt nichts anderes. Er hat sich im Vergleichswege mit einer neuen Verwaltungsentscheidung und damit einer erneuten Anspruchsprüfung hinsichtlich der begehrten Beitragserstattung einverstanden erklärt. Wäre der Kläger von einer uneingeschränkten Beitragserstattung ausgegangen, hätte neben dem Anerkenntnis der fehlenden Beitragspflicht nahegelegen, auch die Anerkennung der Erstattung sämtlicher gezahlter Beiträge zumindest dem Grunde nach oder jedenfalls den Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede zu fordern. Eine solche Forderung ist weder vorgetragen noch ersichtlich und auch nicht aus der Kostenregelung des Vergleichs abzuleiten.

Auch das weitere Vorbringen des Klägers berechtigt nicht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Soweit er sich auf nach Abschluss des Prozessvergleichs eingetretene Umstände beruft, fehlt es - unabhängig von der inhaltlichen Richtigkeit des Vortrags - jedenfalls an der notwendigen Kausalität der geltend gemachten Täuschungshandlung. Nachträgliche Geschehnisse können für die angefochtene Willenserklärung nicht bestimmend gewesen sein.

Schließlich fehlt es an Anhaltspunkten für eine arglistige Täuschung durch Verschweigen von Tatsachen. Diese kommt nur dann in Betracht, wenn der Anfechtungsgegner zu einer Aufklärung und Offenbarung von Tatsachen verpflichtet war (vgl BSG Urteil vom 24.1.1991 - 2 RU 51/90 - juris RdNr 24). Zu einem Hinweis, dass gegebenenfalls die Einrede der Verjährung erhoben wird, war der Beklagtenvertreter aber nicht verpflichtet. Wird vom Sozialversicherungsträger ein Sozialleistungs- oder Beitragserstattungsanspruch nicht anerkannt, sondern lediglich die Verpflichtung zum Erlass einer erneuten Entscheidung übernommen, ist - wie bereits ausgeführt wurde - eine vorangehende rechtliche Prüfung selbstverständlich und damit der Ausgang dieses weiteren Verwaltungsverfahrens offen.

3. Auch die Anfechtbarkeit wegen Irrtums nach § 119 Abs 1 BGB scheidet aus. Danach kann, wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falls nicht abgegeben haben würde. Dass der Kläger(vertreter) über Bedeutung und Tragweite der Erledigungserklärung geirrt oder diese nicht seinem Willen entsprochen hätte (vgl BGH Beschluss vom 5.6.2008 - V ZB 150/07 - BGHZ 177, 62, juris RdNr 14 f), ist von der Revision nicht aufgezeigt worden und nicht zu erkennen. Ferner ist der Prozessvergleich nicht nach § 58 Abs 1 SGB X iVm § 779 Abs 1 BGB unwirksam. Voraussetzung hierfür ist, dass der von beiden Parteien nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zu Grunde gelegte Sachverhalt nicht der Wirklichkeit entspricht und der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde (BGH Urteil vom 20.3.2013 - XII ZR 72/11 - juris RdNr 17). Ein solcher beidseitiger Irrtum über die Vergleichsgrundlage liegt nicht vor.

4. Schließlich ist der Prozessvergleich nicht wegen eines geheimen Vorbehalts im Sinne des § 116 BGB unwirksam. Danach ist eine Willenserklärung nicht deshalb nichtig, weil sich der Erklärende insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen; sie ist nur dann nichtig, wenn sie einem anderen gegenüber abzugeben ist und dieser den Vorbehalt kennt. Hierfür ist nichts ersichtlich.

5. Mit dem Bescheid vom 5.1.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.5.2018 hat die Beklagte Ziffer 2 des wirksamen Prozessvergleichs ausgeführt. Die Rechtmäßigkeit des die Beitragserstattung ablehnenden Verwaltungsakts hat nicht der erkennende Senat zu beurteilen, sondern ist Gegenstand des (ausgesetzten) Berufungsverfahrens.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 14048164

NZS 2021, 235

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