Beteiligte

Klägerin und Revisionsklägerin

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I.

Die Beklagte verlangt von der Klägerin die Rückzahlung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB).

Die 1954 geborene Klägerin begann am 1. August 1968 eine dreijährige Ausbildung zur Damenschneiderin. Auf ihren Antrag vom 6. Februar 1969 sowie weitere Anträge, die sämtlich vom Vater der Klägerin als gesetzlicher Vertreter mitunterzeichnet sind, gewährte die Beklagte für die Zeit vom 6. Februar 1969 bis zum 31. Juli 1971 aufgrund der Bescheide vom 26. März 1969, 7. November 1969, 8. April 1970, 5. August 1970 und 13. April 1971 BAB in jeweils unterschiedlicher Höhe. Wegen der zwischenzeitlich in Kraft getretenen Anordnung ihres Verwaltungsrates über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung vom 31. Oktober 1969 (ANBA 1970 S. 213, A-Ausbildung) nahm die Beklagte mit Bescheid vom 29. März 1971 eine Neuberechnung der monatlichen Beihilfebeträge vor, die zu einer Nachzahlung von insgesamt 176,-- DM für die Zeit ab 31. Oktober bis 30. September 1970 führte. Alle Bescheide wurden an den Vater der Klägerin gerichtet, an den auch die Beihilfe monatlich im voraus überwiesen wurde.

Bei der Berechnung der Leistungen ging die Beklagte für die Ermittlung eines etwa anrechenbaren Elterneinkommens von den entsprechenden Selbsteinschätzungsangaben des als Schiffseigner selbständigen Vaters der Klägerin aus. Diese Angaben erfolgten unter Vorlage des zu dieser Zeit erteilten Einkommensteuerbescheides für 1967 und bezogen sich auf das Kalenderjahr vor der Leistungsgewährung und auf den Zeitraum des Leistungsbezuges selbst. Im Bewilligungsbescheid vom 26. März 1969 war der folgende Vorbehalt enthalten: "Ich weise darauf hin, daß bei der Berechnung der Ausbildungsbeihilfe von dem angegebenen Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit von monatlich 500,-- DM ausgegangen wurde. Sobald Sie den neuen Steuerbescheid erhalten, ist mir dieser unaufgefordert vorzulegen. Sollte sich später ergeben, daß Sie im Jahre 1969 ein höheres Einkommen als 500,-- DM monatlich erzielt haben, so ist die Beihilfe neu zu berechnen. Ergibt sich aufgrund der Neuberechnung, daß für die zurückliegende Zeit eine Beihilfeüberzahlung eingetreten ist, haben Sie diesen Betrag zu erstatten. Die Zahlung der Beihilfe erfolgt somit nur unter Vorbehalt." Einen gleichlautenden Vorbehalt enthielten mit Ausnahme des Nachzahlungsbescheides vom 29. März 1971 und des Bescheides vom 13. April 1971, der BAB für die Zeit vom 1. Oktober 1970 bis 31. Juli 1971 bewilligte, auch die späteren Bewilligungsbescheide der Beklagten; lediglich war anstelle von 500,-- DM - im Anschluß an eine neu erfolgte Selbsteinschätzung des Vaters der Klägerin jeweils ein Betrag von 1.000,-- DM als Grundlage für die Berechnung der BAB zugrunde gelegt und in die Vorbehaltsklausel aufgenommen worden. Aus den von der Klägerin am 14. Dezember 1972 vorgelegten Einkommensteuerbescheiden für ihren Vater für das Jahr 1969 vom 25. Januar 1971 und für das Jahr 1970 vom 25. November 1971 ergab sich, daß das Jahreseinkommen 26.582,-- DM im Jahre 1969 und 15.339,40 DM im Jahre 1970 betragen hatte. Die daraufhin von der Beklagten aufgrund dieser Einkünfte neu berechnete Beihilfe führte zu dem Ergebnis, daß bei Anwendung der angebenden Anrechnungsvorschriften bis zum 31. Juli 1971 eine Leistungsüberzahlung in Höhe von 3.759,10 DM erfolgt war. Die Beklagte hob daher mit Bescheid vom 30. März 1973 ihre Entscheidungen über die Bewilligung von BAB für die Zeit vom 6. Februar 1969 bis 31. Juli 1971 teilweise auf und forderte für diese Zeit den überzahlten Betrag zurück. Der Widerspruch der Klägerin hiergegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. August 1973).

Mit der Klage hat die Klägerin lediglich beantragt, den Bescheid vom 30. März 1973 insoweit aufzuheben, als von ihr die Rückzahlung von Leistungen gefordert werde. Die teilweise Aufhebung der dieser Rückforderung zugrunde liegenden Bewilligungsbescheide hat die Klägerin dagegen nicht angefochten.

Mit Urteil vom 18. Juni 1974 hat das Sozialgericht (SG) Münster nach dem Antrag der Klägerin erkannt.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat sie mit Bescheid vom 17. Dezember 1974 den angefochtenen Bescheid dahingehend abgeändert, daß eine Rückforderung lediglich noch für die Zeit vom 6. Februar 1969 bis Zum 30. September 1970, und zwar in Höhe von 2.919,10 DM, geltend gemacht, der ursprüngliche Bescheid im übrigen aber weiterhin aufrechterhalten werde. Die Klägerin hat den Rechtsstreit im Umfang der Klaglosstellung für erledigt erklärt.

Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat das angefochtene Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 18. Februar 1976). Zur Begründung hat es ausgeführt, daß der angefochtene Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. August 1973 und des Änderungsbescheides vom 17. Dezember 1974, durch den die - allein noch streitbefangene - Rückforderung auf die in der Zeit vom 6. Februar bis 30. September 1970 entstandene Überzahlung von 2.919,10 DM beschränkt worden sei, rechtmäßig sei. Die Voraussetzungen für eine Rückforderung gemäß § 152 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) lägen zwar nicht vor, da weder die während des streitigen Zeitraumes minderjährige Klägerin noch ihr Vater als gesetzlicher Vertreter falsche oder unvollständige Angaben gemacht hätten; des weiteren sei von beiden auch nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig eine Anzeige nach § 148 Abs. 1 AFG unterlassen worden. Da die Steuerbescheide für die Jahre 1969 und 1970 erst ergangen seien, nachdem der streitige Bewilligungszeitraum verstrichen gewesen sei, sei ein schuldhaftes Verhalten nicht ursächlich für die Gewährung der BAB gewesen. Aus demselben Grunde ließe sich auch nicht sagen, daß die Klägerin oder ihr gesetzlicher Vertreter gewußt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gewußt hätten, daß die Voraussetzungen für die Leistung nicht gegeben seien.

Die Rückforderung sei indes aufgrund der in den Bewilligungsbescheiden enthaltenen Vorbehalte der Rückforderung gerechtfertigt. Im Sozialversicherungsrecht sei ein Widerrufsvorbehalt dann als rechtmäßig anerkannt, wenn er - trotz einer daneben etwa bestehenden positiv-rechtlichen Widerrufsregelung sachlich begründet sei und nicht dem pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltung widerspreche. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei ein Widerrufsvorbehalt dann zulässig, wenn die Verwaltung im Interesse vor allem des Begünstigten Vorschuß- oder Vorwegleistungen erbringe, die erst zu einem späteren Zeitpunkt endgültig "abgerechnet" werden könnten. Diese Grundsätze seien auch im Bereich der Bildungsförderung maßgebend. § 20 Abs. 8 A-Ausbildung in der Fassung vom 19. März 1971 (ANBA S. 479), der so zu verstehen sei, daß es auf die für den Zeitpunkt der Antragstellung nachweisbaren Verhältnisse ankomme, stehe dem nicht entgegen. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Zulässigkeit von Widerrufs- bzw. Rückforderungsvorbehalten bei Vorausleistungen seien erfüllt. Das auf den Bedarf des Auszubildenden anzurechnende tatsächliche Einkommen des Vaters der Klägerin habe im Zeitpunkt der Bescheiderteilung noch nicht festgestanden. Daß die Beklagte dennoch einen Bescheid - gleichsam eine Vorabentscheidung - erlassen habe, liege im Interesse der Ausbildungssicherung der Klägerin. Die Beklagte habe nicht ihre Pflicht zu sachgemäßer Ermessensausübung verletzt, da der Vorbehalt die einzige Möglichkeit gewesen sei, den Interessen der Klägerin alsbald zu genügen, ohne die Verwaltungsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Gesetzmäßigkeit von Leistungen zu verletzen.

Das Recht zur Ausübung der Rückforderung sei auch nicht verwirkt, denn die Beklagte habe nicht nach Abschluß der Ausbildung bis zum Erlaß des angefochtenen Bescheides am - 30. März 1973 eine unangemessen lange Zeit verstreichen lassen. Während dieser Zeit sei die Beklagte nicht untätig gewesen, vielmehr habe sie am 3. Oktober 1972 zunächst bei der Lehrherrin der Klägerin angefragt, wann die Abschlußprüfung abgelegt worden sei, sodann habe sie nach Eingang des Antwortschreibens am 10. Oktober 1972, wonach die Prüfung im Juli 1971 bestanden worden sei, den Vater der Klägerin unter dem 10. Oktober 1972 und nochmals über dem 4. Dezember 1972 daran erinnert, die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1969 bis 1971 vorzulegen. Es dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, daß dem Vater der Klägerin mit den Vorbehaltsklauseln aufgegeben worden sei, unaufgefordert die Steuerbescheide für die Jahre der Gewährung von Förderungsleistungen vorzulegen. Angesichts des säumigen, pflichtwidrigen Verhaltens ihres gesetzlichen Vertreters - die im Januar und November 1971 erhaltenen Steuerbescheide habe er erst im Dezember 1972 nach zweimaliger Aufforderung vorgelegt - könne sich die Klägerin mit dem Hinweis auf eine relativ späte Ausübung des Vorbehalts nicht auf ein treuwidriges Vorgehen der Beklagten berufen.

Eine andere Beurteilung sei nicht dadurch geboten, daß die Klägerin die ihr gewährte Beihilfe für ihren Lebensunterhalt verbraucht habe. Der Gesichtspunkt des Wegfalls der Bereicherung sei trotz der Vorschrift des § 152 Abs. 3 AFG innerhalb der Prüfung eines Verstoßes gegen Treu und Glauben zu Untersuchen, könne aber aus den dargelegten Gründen nicht durchgreifen.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 131 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG), §§ 40, 152 AFG, Nrn. 2, 15 und 17 der Richtlinien für die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe nach § 131 AVAVG vom 18. Juli 1968, § 20 Abs. 7 A-Ausbildung 1969, §§ 818 Abs. 3, 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Zur Begründung trägt die Klägerin insbesondere vor: Die in den der BAB zugrunde liegenden Bewilligungsbescheiden enthaltenen Rückforderungsvorbehalte seien unzulässig. Ein Rückforderungsvorbehalt, der einem begünstigenden Verwaltungsakt beigefügt sei, sei dann rechtswidrig, wenn die Voraussetzungen, unter denen eine aufgrund eines solchen Verwaltungsaktes gewährte Leistung zurückgefordert werden könne, gesetzlich abschließend geregelt seien. Eine derartige abschließende Regelung liege vor. Auf die bewilligten und ausgezahlten Mittel der Beklagten hätte die Klägerin einen gesetzlichen Anspruch; sie könnten nicht als bloße Vorschüsse oder Vorauszahlungen auf eine erst später abzurechnende Beihilfe angesehen werden. Die sich auf § 20 Abs. 8 A-Ausbildung 1971 (§ 20 Abs. 7 A-Ausbildung 1969) berufende Ansicht des LSG sei mit dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung nicht vereinbar, die auf die im Zeitpunkt der Antragstellung nachweisbaren Verhältnisse abstelle. Dagegen komme es nicht auf die für den Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblichen Verhältnisse an. Wenn demnach zur Zeit der Antragstellung keine anderen Belege als der Steuerbescheid für 1967 und Einkommensschätzungen des Vaters der Klägerin zum Nachweis der zu berücksichtigenden wirtschaftlichen Verhältnisse hätten beigebracht werden können, so wären diese Unterlagen als "maßgebend" zu behandeln gewesen. Das vom LSG angeführte Urteil des BSG betreffe einen Anspruch auf Erstattung von Schlechtwettergeld und sei nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar.

Eine Rückzahlungsverpflichtung könne auch deshalb nicht in Betracht kommen, weil die Klägerin nicht mehr bereichert sei. Unverständlich sei, weshalb das LSG gemeint habe, die Berufung der Klägerin auf § 818 Abs. 3 BGB könne nicht durchgreifen. Außerdem sei ein etwa bestehender Rückzahlungsanspruch der Beklagten verwirkt. Zwar bestü Monaten keine Bedenken, doch habe das Arbeitsamt in der Zeit vom 1. Oktober 1970 bis 3. Oktober 1972 überhaupt nichts unternommen, um die Höhe des anrechenbaren Einkommens des Vaters der Klägerin endgültig zu klären und die Berechnung der Beihilfen entsprechend zu überprüfen. Schon durch diese Untätigkeit über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren habe sich der Erlaß des Rückforderungsbescheides so sehr verzögert daß die Klägerin nach Treu und Glauben nicht mehr mit einer Rückforderung habe rechnen müssen.

Im übrigen hätte das LSG, nachdem auch die Höhe der Rückforderung von der Klägerin bestritten worden sei, diese Höhe nachprüfen und entsprechende Feststellungen hierüber im Urteil treffen müssen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 18. Juni 1974 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist teilweise begründet.

Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist die Rechtmäßigkeit des von der Beklagten erhobenen Anspruchs auf Rückzahlung von BAB für die Zeit vom 6. Februar 1969 bis 30. September 1970 in Höhe von 2.919,10 DM (Bescheid vom 30. März 1973 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 1973, abgeändert durch Bescheid vom 17. Dezember 1974, § 96 SGG). Soweit die Beklagte in den genannten Bescheiden die früheren Bewilligungen von BAB aufgehoben hat, ist dies bindend geworden; denn die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage nur noch gegen die geltend gemachte Rückforderung von BAB. Das LSG hat somit zu Recht nur über diesen Streitgegenstand, gegen dessen Berufungsfähigkeit keine Bedenken bestehen, entschieden.

Der Rückforderungsanspruch der Beklagten ist insoweit nicht gegeben, als er die Leistungen für die Zeit bis zum 30. Oktober 1969 einschließlich betrifft sowie hinsichtlich der im Bescheid vom 29. März 1971 gewährten Nachzahlung von 176,-- DM.

Rechtsgrundlage für die Bewilligung der BAB war für die Zeit vom 6. Februar 1969 bis zum 30. Juni 1969 § 131 AFG in Verbindung mit den zu dieser Bestimmung gem. § 138 AVAVG ergangenen Richtlinien des Verwaltungsrates der Beklagten für die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfen (Ausbildungs-RL) vom 18. Juli 1968 (ANBA 1968, 791), für die Zeit vom 1. Juli 1969 - dem Tag des Inkrafttretens des AFG (§ 251 AFG) - bis zum 30. Oktober 1969 § 40 AFG in Verbindung mit den genannten Ausbildungs-RL, die gemäß § 242 Abs. 10 Nr. 5 AFG bis zum Inkrafttreten der gemäß § 39 AFG erlassenen A-Ausbildung am 31. Oktober 1969 weitergegolten haben. Vom 31. Oktober 1969 an richtete sich die Gewährung von BAB an die Klägerin nach § 40 AFG in Verbindung mit den Vorschriften der A-Ausbildung.

Das LSG hat zutreffend entschieden, daß der Rückforderungsanspruch der Beklagten sich nicht aus gesetzlichen Bestimmungen herleiten läßt. Dabei kann die Frage offenbleiben, ob für den im Bescheid vom 30. März 1973 erhobenen Rückforderungsanspruch insgesamt - also auch für die Zeit vor Inkrafttreten des AFG am 11 Juli 1969 - von der Regelung in § 152 AFG auszugehen ist oder ob sich die Rückforderung für die Zeit vom 6. Februar bis 30. Juni 1969 nach § 185 AVAVG beurteilt (vgl. insoweit BSGE 3, 234, 237; BSG in SozR Nr. 2 zu § 185 AVAVG; Hennig/Kühl/Heuer, Komm. zum AFG, Anm. 1 zu § 152). In den hier allein in Betracht kommenden Tatbeständen der schuldhaften Verursachung einer Leistungsüberzahlung stimmen beide Regelungen ihrem Inhalt nach nämlich überein. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) trifft jedoch weder die Klägerin noch ihren Vater als gesetzlichen Vertreter für dessen haftungsbegründendes Verhalten die Klägerin einzutreten hätte, ein Schuldvorwurf im Sinne von § 185 AVAVG oder § 152 AFG. Weder haben sie danach schuldhaft falsche oder unvollständige Angaben gemacht noch schuldhaft eine vom Gesetz erwartete Anzeige über geänderte Verhältnisse (vgl. § 148 AFG) unterlassen. Außerdem haben beide - in Betracht dessen, daß die Steuerbescheide des Vaters für 1969 und für 1970 erst nach Ende des streitigen Bewilligungszeitraumes ergangen sind - nicht etwa gewußt bzw. nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht gewußt, daß insoweit die Voraussetzungen für die Zahlung von BAB nicht vorgelegen haben.

Der Rückforderungsbescheid der Beklagten findet demnach weder in § 185 AVAVG noch in § 152 AFG eine Grundlage.

Soweit die Beklagte ihren Anspruch auf Erstattung von BAB auf einen Rückforderungsvorbehalt stützt, ist er nur zum Teil begründet. So kam die Beklagte die Rückzahlung der im Bescheid vom 29. März 1971 bewilligten Nachzahlung von BAB in Höhe von 176,-- DM schon deshalb nicht verlangen, weil sie sich insoweit die Rückzahlung gar nicht vorbehalten hat. Dieser Bescheid bewilligte die Leistung nämlich ohne jeglichen Zusatz des Vorbehalts der Rückforderung. Der in anderen - früheren - Bescheiden enthaltene Vorbehalt erstreckt sich nicht auf die Leistungsbewilligung im Bescheid vom 29. März 1971. Angesichts der möglichen schwerwiegenden finanziellen Folgen, die mit einem Rückforderungsvorbehalt - im Falle seiner Zulässigkeit - ausgelöst werden können, ist nur ein eindeutiger ausdrücklicher Vorbehalt, der dem Bürger klar vor Augen stellt, welche Leistungen in welcher Größenordnung er u.U. wieder zurückzahlen muß, in der Lage, den Anspruch der Beklagten zu begründen (vgl. BSG SozR 4100 § 152 Nr. 3). Mit Rücksicht darauf, daß auch in dem späteren Bescheid vom 13. April 1971, durch den Leistungen für die Zeit ab 1. Oktober 1970 bewilligt wurden, ein Vorbehalt nicht enthalten war, hat die Beklagte im Berufungsverfahren ihre Rückforderung entsprechend beschränkt (Änderungsbescheid vom 17. Dezember 1974).

Die Revision der Klägerin ist sonach insoweit begründet, als die Beklagte von ihr zu Unrecht den Betrag von 176,-- DM aus der Bewilligung vom 29. März 1971 zurückverlangt.

Aber auch soweit die Beklagte in den von ihr wirksam aufgehobenen Bewilligungsbescheiden den Vorbehalt der Rückforderung jeweils ausdrücklich angebracht hat, begründet dies nicht ihren Rückerstattungsanspruch in dem vollen, weiter geltend gemachten Umfang.

Dem Wortlaut des in den übrigen Bewilligungsbescheiden enthaltenen Vorbehalts nach handelt es sich nicht nur um einen Vorbehalt der Aufhebung der Leistung, sondern um einen Vorbehalt der Rückforderung geleisteter Zahlungen. Die Rückforderung setzt jedoch in diesem Falle voraus. daß der Vorbehalt überhaupt beachtlich ist, daß sie aus Gründen erfolgt, die sich im Rahmen des Vorbehalts halten und daß die allgemeinen Grundsätze der Ermessensausübung beachtet werden.

Grundsätzlich ist die Zulässigkeit der auf einen Vorbehalt gestützten Rückforderung davon abhängig, daß der Vorbehalt selbst (als Nebenbestimmung eines begünstigenden Verwaltungsaktes) zulässig ist. Weder der Widerruf einer Begünstigung noch die Rückforderung einer Leistung kann daher auf einen seiner rechtlichen Qualität nach unzulässigen, z.B. unerlaubten Vorbehalt gestützt werden (BSG SozR 4100 § 152 Nr. 3; vgl. auch BVerwG in DVBl. 1965, 728, 729). Ungeachtet der Frage - die hier nicht zu entscheiden ist -, ob auch ein rechtswidrig angebrachter Vorbehalt mangels Anfechtung in Bindungswirkung erwachsen kann (vgl. Kühl, ABA 1973, 125; Hönig, Die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen bei Verwaltungsakten, Dissertation München 1968, S. 213), folgt dies jedenfalls daraus, daß die Ausübung des Vorbehalts ermessensgebunden ist (BSGE 7, 227, 229; 37, 155, 159; Forsthoff, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl. München 1973, S. 266 mit weiteren Nachweisen). Ein Ermessensfehler müßte aber regelmäßig dann angenommen werden, wenn die Verwaltung einen neuen Verwaltungsakt - nämlich den im Vorbehalt als möglich angekündigten - setzt, dessen Erlaß ihr gerade von Rechts wegen nicht gestattet ist (vgl. Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, München 1976 § 49, Anm. 6a). Eine andere Beurteilung liefe darauf hinaus, daß sich die Verwaltung rechtlich wirksam zur Vornahme neuer Verwaltungsakte "ermächtigen" könnte, deren Erlaß ihr von Rechts wegen gerade verboten ist.

Die rechtliche Zulässigkeit der Anbringung des Vorbehalts folgt im vorliegenden Fall zwar nicht aus einer für die Berechtigung derartiger Nebenbestimmungen grundsätzlich zu fordernden gesetzlichen Regelung (BSGE 37, 155, 159), jedoch aus den Besonderheiten des Falles. Wie der Senat bereits entschieden hat, erlauben die gesetzlichen Bestimmungen des AFG - wie früher des AVAVG - der Beklagten grundsätzlich nicht die Anbringung eines Rückforderungsvorbehalts bei Leistungsbewilligungen. § 152 AFG ist das Korrektiv zu der der Beklagten ein Praktisch unbegrenztes Recht zum Eingriff in die Bestandskraft begünstigender Verwaltungsakte einräumenden Vorschrift des § 151 AFG. Die dem Vertrauensschutz der Betroffenen in den Bestand von Verwaltungsregelungen dienende Rückforderungsnorm grenzt abschließend den Bereich ein, in dem ein Schutz des Vertrauens nicht mehr stattfindet, so daß grundsätzlich ein darüber hinausgehendes Rückforderungsrecht, wie es der Vorbehalt einer Rückforderung begründen soll, nicht erlaubt ist (BSG SozR 4100 § 152 Nr. 3). In dem vorgenannten Urteil hat der Senat jedoch ausnahmsweise die Zulässigkeit eines Vorbehalts dann anerkannt, wenn bei der Entscheidung über den Anspruch die Anspruchsvoraussetzungen "noch nicht in der für eine abschließende Beurteilung ausreichenden Weise vorliegen, die dafür erforderlichen Tatsachen noch unvollkommen oder ungeprüft sind, die Verwaltung aber im wohlverstandenen Interesse des Begünstigten Leistungen bereits erbringen will und darf" (BSG a.a.O.). Aus im Ergebnis gleichen Erwägungen hat das BSG die Zulässigkeit von Rückforderungsvorbehalten im Bereich der Schlechtwettergeldregelung anerkannt (vgl. SozR Nr. 1 zu § 68 AFG; BSGE 37, 155, 158; 40, 23, 24 f.; Urteil vom 27. Januar 1977 - 7 RAr 121/75 -). In der schon genannten Entscheidung vom 31. August 1976 (SozR 4100 § 152 Nr. 3) hat der Senat ausdrücklich auch im Bereich der BAB den Rückforderungsvorbehalt für denkbar gehalten.

Diese Ausnahme von der prinzipiellen Unzulässigkeit des Vorbehalts rechtfertigt sich, letztlich aus dem gerade auch im Sozialversicherungsrecht anerkannten Grundsatz, daß ein Verwaltungsakt mit einer Nebenbestimmung versehen werden darf, wenn sie sicherstellen soll, daß die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden (BSGE 30, 124, 125; 37, 155, 159; vgl. neuerdings § 36 Abs. 1 VerwVfG).

Im vorliegenden Fall war die Versehung der Bewilligungen mit Rückforderungsvorbehalten deshalb zulässig, weil im Zeitpunkt der Entscheidung über die Anträge der Klägerin die tatsächliche Sachlage unsicher war, noch nicht alle für die gegenwärtige Leistung erforderlichen Sachumstände festgestellt waren, die den Anspruch begründen, und die erfolgte Bewilligung dem wohlverstandenen Interesse der Klägerin entsprach.

Nach der hier maßgeblichen Fassung des § 40 Abs. 1 AFG ist Voraussetzung für die Gewährung von BAB, daß der Bildungsteilnehmer die erforderlichen Mittel nicht selbst aufbringen kann und dem Unterhaltspflichtigen die Aufbringung üblicherweise nicht zuzumuten ist. Zu dieser Norm hat die Bundesanstalt für Arbeit (BA), gestützt auf die gesetzliche Ermächtigung des § 39 AFG, in den §§ 9 ff. A-Ausbildung nähere Bestimmungen über Anrechnung von Einkommen des Auszubildenden sowie der Eltern und Ehegatten aufgenommen und in § 20 A-Ausbildung das Nähere über Verfahren und Entscheidung geregelt. Nach § 20 Abs. 7 A-Ausbildung - durch die 2. Änderungsanordnung vom 19. März 1971 wurde Abs. 7 von § 20 A-Ausbildung zu Abs. 8 der Vorschrift - sind bei der Bewilligung von BAB die wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebend, die zur Zeit der Antragstellung nachweisbar sind. Diese Vorschrift enthält - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht eine abschließende Regelung dahin, daß die Beklagte nur solche Verhältnisse berücksichtigen dürfe, die im Zeitpunkt der Antragstellung nachgewiesen sind, regelmäßig also Verhältnisse aus der Vergangenheit, vorliegend die durch den Einkommensteuerbescheid des Vaters der Klägerin für 1967 "nachgewiesenen" Einkommensverhältnisse. Nur bei einer solchen Auslegung wäre eine bei der Entscheidung über einen BAB-Antrag stets sichere Sachlage vorhanden, die die Anbringung eines Rückforderungsvorbehalts ausschlösse. Eine derartige starre Festlegung der Beklagten an den Nachweis früherer Verhältnisse bei Antragstellung kam dieser Regelung der A-Ausbildung jedoch nicht beigemessen werden. Sie geht zwar offenbar von der Erwägung aus, daß Einkommensverhältnisse unterhaltspflichtiger Personen über längere Zeiträume im wesentlichen unverändert andauern, so daß Nachweise über zurückliegende Zeiten im allgemeinen sachgerechte Entscheidungsgrundlagen bilden können. Ihr jedoch die Bedeutung beizumessen, erkennbare, wenn auch noch nicht "nachweisbare", Veränderungen dieser Verhältnisse für die Zeit der Antragstellung und die weitere Zukunft - den Bewilligungszeitraum - außer acht lassen zu müssen, ginge fehl. Eine solche Auslegung stände auch mit dem Gesetz nicht in Einklang. Aus § 40 Abs. 1 AFG ergibt sich nämlich, daß prinzipiell die Einkommensverhältnisse im Bewilligungszeitraum, d.h. dem Zeitraum, für den über die Leistung von BAB entschieden wird, maßgebend sind. Die Beklagte würde gegen das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoßen, falls sie diesen sich aus dem Gesetz ergebende Notwendigkeit einer zeitlichen Deckung von Berechnungszeitraum (für das Einkommen des Auszubildenden und seiner unterhaltspflichtigen Personen) und Bewilligungszeitraum generell unberücksichtigt ließe. Eine entsprechende Regelung enthält übrigens ausdrücklich das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Zwar erklärt § 24 Abs. 1 BAföG als maßgebend für die Anrechnung des Einkommens der Eltern und des Ehegatten des Auszubildenden die Einkommensverhältnisse im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraumes, weil das Gesetz davon ausgeht, daß die Einkommensverhältnisse im wesentlichen unverändert andauern und darum unterstellt, daß die Verhältnisse des vorletzten Kalenderjahres noch eine regelmäßig zutreffende Grundlage der Verwaltungsentscheidung bilden. Doch wird in Abs. 3 von § 24 BAföG deutlich, daß prinzipiell entsprechend dem Grundsatz der Bedürftigkeit des § 1 BAföG auch - wie für das Einkommen des Auszubildenden (§ 22 BAföG) - die Einkommensverhältnisse der Eltern und des Ehegatten im Bewilligungszeitraum maßgebend sind. Danach wird der Berechnungszeitraum aktualisiert, wenn glaubhaft gemacht wird, daß das Einkommen im Bewilligungszeitraum voraussichtlich wesentlich niedriger sein wird als in dem nach Abs. 1 maßgeblichen Zeitraum. Für diesen Fall wird Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet. Der Senat sieht keine Bedenken, diesen Regelungsinhalt wegen des insoweit vergleichbaren Bewilligungsverfahrens bei der BAB für die Auslegung von § 20 Abs. 7 A-Ausbildung ergänzend heranzuziehen. Das hat zur Folge, daß die Beklagte nach § 20 Abs. 7 A-Ausbildung zwar grundsätzlich von den zur Zeit der Antragstellung nachweisbaren Verhältnissen auszugehen hat, auch wenn es sich dabei lediglich um Verhältnisse aus vergangenen (abgelaufenen) Zeiträumen handelt. Liegen demgegenüber jedoch besondere Umstände vor, zu denen insbesondere die glaubhafte Erklärung des zum Unterhalt Verpflichteten gehört, daß im Bewilligungszeitraum mit geringeren Einkünften zu rechnen ist, als sie sich aus den bisher möglichen Nachweisen ergeben, so ist die Beklagte nicht gehindert, diese Angaben der Berechnung von BAB zunächst zugrunde zu legen. Unter diesen Voraussetzungen stellt die tatsächlich erfolgende Leistung eine Vorauszahlung dar; die wirkliche Einkommenssituation ist noch unsicher und eine nachträgliche endgültige Bewilligung notwendig, die der Forderung des § 40 Abs. 1 AFG nach einer möglichst auf den Bewilligungszeitraum abgestimmten Einkommensanrechnung Rechnung trägt.

Aus dem Umstand einer noch unsicheren Sachlage für den Fall, daß ein Unterhaltspflichtiger sein Einkommen im Bewilligungszeitraum im Vergleich zu früher erzielten Einkünften niedriger einschätzt und diese Tatsache der BA glaubhaft macht, folgt, die Zulässigkeit des - im Bereich der Ausbildungsförderung nach dem BAföG zwingend vorgeschriebenen - Vorbehalts der Rückforderung.

Der Vater der Klägerin hat sein Einkommen mit 500,-- DM, später mit 1.000,-- DM, im Vergleich zu dem sich aus dem Einkommensteuerbescheid 1967 ergebenden Einkünften von 12.470.-- DM niedriger eingeschätzt und dies der Beklagten gegenüber schriftlich erklärt. Ob diese Angaben durch die Einkommensentwicklung des Vaters der Klägerin bestätigt werden würden, war unsicher. Daß die Beklagte einen positiven Bescheid erteilte - wenn auch zunächst ohne genaue Kenntnis des anrechenbaren Einkommens des Vaters - lag im Interesse der Klägerin, weil damit auf jeden Fall ihre Ausbildung zu dem von ihr gewählten Beruf gesichert werden sollte. Diese Ausbildung wäre möglicherweise gefährdet gewesen, wäre die Beklagte allein vom vorliegenden Einkommensteuerbescheid des Jahres 1967 ausgegangen und wären tatsächlich die erzielten Einkünfte geringer ausgefallen.

Die Voraussetzungen, unter denen ein begünstigender Verwaltungsakt mit einem Vorbehalt der Rückforderung versehen werden darf, sind nach alledem erfüllt.

Die Rückforderung der Beklagten ist nicht zu beanstanden unter dem Gesichtspunkt des Inhalts des Vorbehalts. Diese Frage ist deshalb von Bedeutung, weil sich die Rückforderung an den Rahmen des Vorbehalts halten muß (BSG vom 21. Januar 1977 - 7 RAr 121/75 -). Vorbehalten hat sich die Beklagte die Rückforderung überzahlter Beträge für den Fall, daß der Vater der Klägerin ein höheres Einkommen als 500,-- DM bzw. 1.000,-- DM monatlich erzielt hat und aufgrund der dann erfolgenden Neuberechnung für die zurückliegende Zeit eine Beihilfeüberzahlung eingetreten ist. Maßgebend für den Anspruch der Beklagten auf Rückerstattung ist, daß wegen der Anrechnung eines höheren als des vormals geschätzten Einkommens eine Beihilfeüberzahlung eingetreten ist, demnach die Voraussetzungen für die ursprüngliche Zahlung von BAB im Hinblick auf deren Höhe nicht vorgelegen haben. Davon ist im vorliegenden Fall ohne weitere materiell-rechtliche Prüfung schon deshalb auszugehen, weil der Teil des Bescheides vom 30. März 1973 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 1973, mit dem inhaltlich die früheren Bewilligungsbescheide teilweise aufgehoben worden sind, mangels Anfechtung rechtlich bindend geworden ist. Nach der Rechtsprechung des Senats entfaltet ein bestandskräftiger Verwaltungsakt auch eine materielle Bindungswirkung, die im Falle eines Aufhebungsbescheides nicht nur die Entscheidung enthält, daß die früher ergangenen Bewilligungen aufgehoben werden, sondern auch die Feststellung, daß die materiellen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht vorgelegen haben (Urteil vom 27. Januar 1977 - 7 RAr 121/75- ).

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, daß Bewilligungen von BAB, insoweit sie eine bestimmte Höhe überschritten, zu Unrecht erfolgten, mithin Beihilfeüberzahlungen vorgekommen sind. Darüber hinaus stellt der Aufhebungsbescheid auch die Höhe der Überzahlungen fest, so daß diese Feststellung der Höhe nach ebenfalls materiell bestandskräftig ist. Die Klägerin ist deshalb zu Unrecht der Ansicht, das LSG hätte die Höhe der Rückforderungssumme nachprüfen und im Urteil entsprechende Feststellungen treffen müssen.

Soweit es die Beihilfeüberzahlungen bis einschließlich 30. Oktober 1969 anbelangt, ist die Revision der Klägerin jedoch begründet; denn in diesem Umfang durfte die Beklagte von ihrem Rückforderungsvorbehalt gegenüber der Klägerin keinen Gebrauch machen.

Selbst bei einem rechtmäßigen Vorbehalt der Rückforderung von Leistungen darf die Verwaltung dieses Recht nicht beliebig - willkürlich - geltend machen; vielmehr hat sie sich hierbei - wie schon erwähnt - in den Grenzen pflichtgemäßen Ermessens zu bewegen (BSGE 7, 227, 228; 37, 155, 159; BSG in SozR 4100 § 152 Nr. 3). Auch ein unter Widerrufsvorbehalt stehender begünstigender Verwaltungsakt ist nämlich dazu bestimmt, Recht und Rechtslagen der Betroffenen zu schützen (BSGE 7, 227, 228). Die Frage, ob und wann die Geltendmachung eines Rückforderungsvorbehalts die so gesetzten Grenzen verletzt, richtet sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalles.

Vorliegend ist die Geltendmachung der Rückforderung von BAB gegenüber der Klägerin für die bis zum 30. Oktober 1969 einschließlich eingetretenen Leistungsüberzahlungen deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte ohne sachlich rechtfertigenden Grund von einer sie selbst bindenden Regelung abgewichen ist. Bis zum 30. Oktober 1969 waren die Ausbildungs-RL in Kraft. Diese sahen in Nrn. 15 und 16 nicht nur eine besondere Mitwirkungspflicht der Eltern bzw. der gesetzlichen Vertreter vor, wenn der Antragsteller minderjährig war. In Nr. 17 Abs. 3 der Ausbildungs-RL ist darüber hinaus bestimmt worden, daß überzahlte Beträge von dem gesetzlichen Vertreter zu erstatten sind, sofern der Anspruchsberechtigte minderjährig ist. Nach den Verwaltungsanweisungen hierzu ist insoweit der Zeitpunkt der Erteilung des Rückforderungsbescheides maßgebend (Durchführungsanweisungen -DA- Nr. 17.2 Abs. 2 vom 4. November 1968, abgedruckt bei Paul, AFG, Essener Verlag, Stand Dezember 1968, S. 291). Die Beklagte hat hiernach eine Selbstbindung in der Weise vorgenommen, ihr Rückforderungsrecht gegenüber Minderjährigen grundsätzlich nicht auszuüben. Weicht sie hiervon ohne sachlichen Grund ab, verstößt sie gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung (BSGE 9, 232, 236). Eine derartige Bindung an den Gleichbehandlungsgrundsatz kam sich auch aus reinen Verwaltungsregelungen, insbesondere Richtlinien ergeben, wenn darin eine ständige Verwaltungspraxis zum Ausdruck kommen soll (BSGE 30, 213, 216). So ist es hier.

Da die Klägerin im Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbescheides noch minderjährig war, handelte die Beklagte mit der Erhebung des Rückforderungsanspruchs gegen sie ermessensfehlerhaft, ohne sich hierfür - wie die bindenden Feststellungen des LSG ergeben - auf einen sachlichen Grund berufen zu können. Auf die Revision der Klägerin ist demnach die klagabweisende Entscheidung des SG für den Rückforderungszeitraum bis zum 30. Oktober 1969 wiederherzustellen.

Die Revision der Klägerin ist hingegen nicht begründet, soweit es die Leistungsüberzahlungen in der Zeit ab 31. Oktober 1969 anbelangt. In diesem Umfang weist die ermessensgebundene Ausübung des rechtmäßigen Rückforderungsvorbehalts keinen Ermessensfehler auf. Umstände, die das Ermessen der Beklagten einschränken könnten, sind nicht ersichtlich. Die Rückforderung der überzahlten BAB ist zur Wahrung der Belange der Versichertengemeinschaft, der zu Unrecht gewährte Mittel wieder zufließen sollen, erforderlich.

Demgegenüber beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf den Einwand, nicht mehr bereichert zu sein (§ 818 Abs. 3 BGB).

Nach den Feststellungen des LSG ist zwar davon auszugehen (§ 163 SGG), daß die Klägerin die ihr gewährte Beihilfe für ihren Lebensunterhalt verbraucht hat. Gemäß § 818 Abs. 3 BGB ist der Empfänger einer Leistung zur Herausgabe des Erlangten nicht verpflichtet, soweit er nicht mehr bereichert ist. § 818 Abs. 3 BGB findet jedoch keine Anwendung. Nach § 152 Abs. AFG wird die Rückzahlungspflicht nach den Abs. 1 und 2 Von 152 AFG nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Empfänger von Leistungen nicht mehr bereichert ist. Der Wegfall der Bereicherung kann hiernach nicht geltend gemacht werden. Allerdings steht nicht - wovon § 152 Abs. 3 AFG ausgeht - eine Rückforderung nach § 152 AFG unmittelbar im Streit, sondern eine aufgrund eines entsprechenden Vorbehalts. Bei dem Rückzahlungsanspruch der Beklagten handelt es sich, ohne Rücksicht darauf, ob er unmittelbar aus § 152 AFG oder einem Rückforderungsvorbehalt hergeleitet wird, der Rechtsnatur nach jedoch um einen Öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Wenn Abs. 3 des § 152 AFG den Entreicherungseinwand ausdrücklich ausschließt, so stellt das Gesetz (deklaratorisch) klar, daß auf den Öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch im Bereich der Arbeitsförderung und Arbeitslosenversicherung die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften der §§ 812 ff. BGB, die in anderen Rechtsgebieten teilweise zur Lückenausfüllung herangezogen werden, unanwendbar sind (vgl. auch Schönefelder/Kranz/Wanka. Komm. zum AFG § 152 Rd. Nr. 19; ebenso schon für die entsprechende Vorschrift des § 185 Abs. 4 AVAVG: Krebs, Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, § 185, I; Draeger/Buchwitz/Schönefelder, AVAVG, § 185 Rd. Nr. 32). Selbst wenn eine analoge Anwendung des § 152 Abs. 3 AFG auf den Fall einer auf einen entsprechenden Vorbehalt gestützten Rückforderung außer Betracht zu bleiben hätte, so ergibt sich die Unanwendbarkeit des § 818 Abs. 3 BGB schon - wie der 7. Senat des BSG noch unter der Geltung des AVAVG entschieden hat (SozR Nr. 7 zu § 185 AVAVG am Ende) - aus der Rechtsnatur des Rückforderungsanspruchs als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Besondere Gründe, die es gerechtfertigt erscheinen ließen, den Entreicherungseinwand im Falle der Rückzahlung aufgrund eines Vorbehalts zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Wollte man annehmen, daß der Leistungsempfänger gegenüber der Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen den Einwand des Wegfalls der Bereicherung erheben könnte, so wäre der Beklagten mit der Einräumung der Bewilligung von Mitteln unter Rückforderungsvorbehalt nur ein wertloser Behelf zur Berichtigung eines unrichtigen Bescheides und damit zur Herstellung der richtigen materiellen Rechtslage in die Hand gegeben. Gerade der Zweck des Vorbehalts, nämlich die Forderung der BA auf Wiedererlangung der zu Unrecht gezahlten Leistungen in erster Linie durchzusetzen, würde dann nicht erreicht werden. Da die BAB wie auch die anderen Leistungen des AFG in aller Regel wegen ihrer Funktion der Unterhaltssicherung alsbald verbraucht werden, würde sich der Auszubildende so gut wie stets mit Erfolg des Entreicherungseinwandes bedienen können. Aus diesen Gründen ist allein die fehlende Bereicherung auch kein das Ermessen der Beklagten einschränkender Gesichtspunkt, der die Ausübung des Rückforderungsvorbehalts ermessensfehlerhaft und damit unzulässig erscheinen ließe.

Ferner hat die Beklagte die Geltendmachung ihres Rückforderungsanspruchs entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im Öffentlichen Recht allgemein anerkannt (Bundesverfassungsgericht -BVerfG- DÖV 1972, 312; BSGE 7, 199, 200; 34, 211; 35, 91, 94; 41, 275, 278). Es beinhaltet im wesentlichen, daß es als eine unzulässige Rechtsausübung anzusehen ist, wenn ein Recht in Widerspruch zu eigenem früheren Verhalten geltend gemacht wird, weil der Berechtigte während einer längeren Zeitspanne dem Verpflichteten gegenüber untätig gewesen ist und besondere Umstände hinzugetreten sind, aufgrund deren sein Verhalten als Verstoß gegen Treu und Glauben empfunden wird (BSGE 34, 211; 35, 91, 94). Zutreffend hat das LSG eine Verwirkung nicht darin erblickt, daß vom Eingang der bis dahin fehlenden Steuerbescheide im Dezember 1972 bis zum Erlaß des Bescheides vom 30. März 1973 eine Bearbeitungszeit von rund 3 Monaten benötigt worden ist. Angesichts der Massenverwaltung in diesem Teilbereich der Arbeitsverwaltung ist die benötigte Bearbeitungszeit keine unangemessen lange Zeitspanne. Dies räumt auch die Klägerin ein. Sie leitet eine Verwirkung des Rückzahlungsanspruchs jedoch daraus her, daß das. Arbeitsamt in der Zeit vom 1. Oktober 1970 bis zum 3. Oktober 1972, also etwa zwei Jahre lang, nichts unternommen hatte, um die Höhe des anrechenbaren Einkommens des Vaters der Klägerin genauer als dies bei Erlaß der Bewilligungsbescheide möglich gewesen war, zu klären und die Berechnung der Beihilfen entsprechend zu überprüfen.

Aus dem Zeitraum von zwei Jahren kann die Klägerin den Einwand der Verwirkung keinesfalls herleiten, zumal da schon die Verjährung von Erstattungsansprüchen vier Jahre beträgt (§ 222 AFG). Nach der Rechtsprechung des BSG wird regelmäßig eine Zeitspanne der Untätigkeit von vier Jahren als unterste Grenze angesehen, um Verwirkung annehmen zu können (vgl. BSGE 21, 27, 33, 34; BSG vom 22. Juni 1977 - 10 RV 59/76 - mit weiteren Nachweisen). Im Übrigen genügt für die Wirksamkeit des Verwirkungseinwandes die Berufung auf bloßen Zeitablauf nicht. Es müssen noch weitere Umstände hinzutreten, die nach den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen, und aufgrund derer der Schuldner vertrauen durfte, daß der andere sein Recht nicht mehr gegen ihn ausüben werde (vgl. BVerfG a.a.O.; BSGE 34, 211, 214; 35, 91, 95).

Außer dem Zeitablauf sind hier jedoch keine Umstände ersichtlich, welche die Rückforderung als mit der Wahrung von Treu und Glauben nicht vereinbar erscheinen lassen. Allein aufgrund der Untätigkeit der Beklagten, dem Unterlassen von Nachforschungen, durfte die Klägerin nicht darauf vertrauen, sie werde nicht mehr in Anspruch genommen. Zwar mag im Einzelfall auch ein Unterlassen einen Vertrauensschutz begründen, dann jedoch nur unter der Voraussetzung, daß das Nichtstun der Behörde nach den Umständen als bewußt und planmäßig betrachtet werden muß. Solche Umstände sind jedenfalls unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Beklagte davon ausgehen durfte, die Klägerin oder ihr gesetzlicher Vertreter werde entsprechend dem Hinweis im Rückforderungsvorbehalt die neuen Einkommensteuerbescheide unaufgefordert vorlegen, nicht ersichtlich.

Nach allem muß der Revision in diesem Umfang der Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 38

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