Leitsatz (amtlich)

Der Streit um die Erteilung einer Bestätigung nach GrEStG § 8, daß die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kapitalabfindung nach BVG §§ 72 ff tatsächlich erfüllt sind, betrifft einen Anspruch auf eine einmalige Leistung iS von SGG § 144 Abs 1 Nr 1.

 

Leitsatz (redaktionell)

Unter Leistung iS des SGG § 144 Abs 1 Nr 1 ist nicht nur eine Versicherungs- oder Versorgungsleistung (im engeren Sinne) zu verstehen, sondern auch ein von der Verwaltung verlangtes oder auszuübendes Tun, aus dem für den einzelnen ein rechtlicher Vorteil erwächst.

Handelt es sich bei dem Begehren um die Kapitalabfindung selbst um einen nicht berufungsfähigen Streitgegenstand, so kann auch für das Begehren auf die anstelle der Kapitalabfindung tretende "Ersatzleistung", nämlich die Erteilung der Bescheinigung nach GrEStG § 8 Abs 3 nichts anderes gelten.

 

Normenkette

BVG § 72 Fassung: 1964-02-21; SGG § 144 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03; GrEStG § 8 Abs. 3

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Februar 1971 abgeändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27. November 1969 wird in vollem Umfang als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der am ... 1914 geborene Kläger bezieht wegen verschiedener Schädigungsfolgen eine Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H.. Am 20. Januar 1969 erwarb er eine Eigentumswohnung zum Preise von 54.600,- DM, die er seiner Stieftochter und deren Familie zur Verfügung stellen wollte; inzwischen ist die Wohnung von diesen bezogen worden. Am 22. Januar 1969 stellte der Kläger Antrag auf Kapitalabfindung seiner Rente. Für den Fall, daß die Abfindung - etwa wegen nicht ausreichender Mittel - versagt werden müsse, bat er um Erteilung einer Bestätigung, daß die Voraussetzungen für die Gewährung der Kapitalabfindung vorlägen. Diese Bestätigung wollte er dazu verwenden, um einen Antrag auf Befreiung von der Grunderwerbsteuer zu begründen.

Mit Bescheid vom 29. April 1969 lehnte der Beklagte die Anträge des Klägers ab. Die Bewilligung der Kapitalabfindung nach §§ 72 ff Bundesversorgungsgesetz (BVG) setze eine Eigennutzung des mit Hilfe der Kapitalabfindung zu erwerbenden Objektes voraus. Weil die vom Kläger erworbene Eigentumswohnung aber ausschließlich von der Familie der Stieftochter bewohnt werde, könne die begehrte Kapitalabfindung nicht gewährt werden; aus den gleichen Gründen sei auch die Ausstellung einer Bestätigung für Zwecke des § 8 des Grunderwerbssteuergesetzes (GrEStG) nicht möglich. Der Widerspruch, mit dem der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 29. April 1969 begehrte, soweit mit ihm auch die Ausstellung der Bestätigung zur Erlangung der Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 8 GrEStG versagt wurde, war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13. August 1969).

Das Sozialgericht (SG) Köln hat durch Urteil vom 27. November 1969 die Klage abgewiesen. Da der angefochtene Bescheid eine Ermessungsentscheidung darstelle, sei er nur daraufhin zu überprüfen, ob die Verwaltungsbehörde von dem ihr eingeräumten Ermessen einen pflichtwidrigen Gebrauch gemacht habe. Das sei zu verneinen. Das SG hat die Berufung nicht zugelassen.

In seiner Berufungsschrift führte der Kläger u. a. aus, die Berufung sei zulässig, weil weder die Kapitalabfindung noch die Ausstellung der Bestätigung einmalige Leistungen im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) seien. Die Kapitalabfindung stelle die Abgeltung von wiederkehrenden Leistungen für einen Zeitraum von 10 Jahren dar. Selbst wenn aber § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG anwendbar wäre, sei die Berufung nach § 150 Nr. 2 SGG wegen eines Verfahrensmangels zulässig. Das SG habe nicht geprüft, warum es der Sache keine grundsätzliche Bedeutung beigemessen habe. Das SG gehe weiter irrtümlich davon aus, daß es sich um eine Ermessensentscheidung handele. Das sei zwar bei der Gewährung der Kapitalabfindung der Fall, nicht aber bei der Ausstellung der von ihm gewünschten Bestätigung. Dies sei eine reine Frage der Gesetzesanwendung.

Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat durch Urteil vom 2. Februar 1971 den Beklagten verurteilt, dem Kläger die Bestätigung im Sinne des GrEStG zu erteilen; im übrigen hat es die Berufung als unzulässig verworfen.

Für den Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Bestätigung i. S. des § 8 GrEStG sei der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben. Insoweit sei die Berufung des Klägers auch zulässig, weil es sich nicht um eine einmalige Leistung im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG handele. Zu den einmaligen Leistungen im Sinne dieser Vorschrift seien Sach- oder Barleistungen der Versicherungs- und Versorgungsträger zu zählen. Die Erteilung einer Bestätigung sei aber weder eine Sach- noch eine Barleistung. Die Berufung sei insofern auch begründet. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Bestätigung zu. Nach § 8 Abs. 6 GrEStG trete die Steuervergünstigung nur ein, wenn die für die Bewilligung der Kapitalabfindung zuständige Behörde versichere, daß die in den Absätzen 1 bis 5 der bezeichneten Vorschrift aufgeführten Voraussetzungen erfüllt seien. In § 8 Abs. 6 GrEStG sei zwar ein Anspruch auf die genannte Versicherung der Versorgungsbehörde nicht unmittelbar normiert; da der Beschädigte jedoch auf die Versorgungsbehörde "angewiesen" sei. stehe ihm aus dem Versorgungsrechtsverhältnis in Verbindung mit § 8 Abs. 6 GrEStG ein Anspruch auf diese Versicherung zu, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen dafür erfüllt seien. Dies treffe im Falle des Klägers zu. Er sei Beschädigter und erhalte eine Rente (§ 72 Abs. 1 BVG). Er habe eine Eigentumswohnung erworben (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 BVG) sowie das 21. Lebensjahr vollendet und im Zeitpunkt der Antragstellung das 55. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt gehabt; der Versorgungsanspruch sei anerkannt, und es sei auch nicht zu erwarten, daß innerhalb des Abfindungszeitraumes die Rente wegfallen werde (§ 73 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BVG). Da die Eigentumswohnung der Beschaffung von Wohnraum für Angehörige und der Entlastung der eigenen Wohnung diene und ferner beim Kläger keine Gefahr bestehe, daß er ohne die Rente Leistungen aus der Kriegsopferfürsorge oder der Sozialhilfe für den Lebensunterhalt notwendig habe, sei auch für eine nützliche Verwendung des Geldes Gewähr gegeben (§ 73 Abs. 1 Nr. 4 BVG). Obwohl die Eigentumswohnung nicht vom Kläger selbst, sondern von der Familie seiner Stieftochter bewohnt werde, sei sie auch eine "eigengenutzte" Wohnung im Sinne der Verwaltungsvorschriften (VerwV) Nr. 1 zu den §§ 72 bis 80 BVG, weil nach § 12 Abs. 1 Satz 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, auf welches in § 72 Abs. 2 BVG verwiesen werde, eine Eigentumswohnung dann "eigengenutzt" sei, wenn sie entweder durch den Wohnungseigentümer oder durch seine Angehörigen bewohnt werde. Die Stieftochter des Klägers sei zu seinen Angehörigen zu rechnen. Da der Bescheid vom 29. April 1969 insoweit, als er die Gewährung der Kapitalabfindung ablehne, rechtsverbindlich geworden sei, stehe auch fest, daß die Kapitalabfindung nicht gewährt werden könne. In diesem Bescheid sei eine Kapitalabfindung nicht deshalb abgelehnt worden, weil deren Voraussetzungen nicht vorlagen, sondern aus fiskalischen Gründen. Das gehe daraus hervor, daß der Beklagte den Begriff "eigengenutzt" deshalb eng ausgelegt habe, weil ihm im Zeitpunkt der Antragstellung nur begrenzte Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Dem Kläger müsse deshalb die begehrte Bestätigung erteilt werden.

Soweit der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 29. April 1969 auch insoweit begehre, als ihm eine Kapitalabfindung versagt worden sei, sei die Berufung unzulässig. Sie betreffe nämlich eine einmalige Leistung im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Daß eine Kapitalabfindung für wiederkehrende Leistungen gewährt werde, ändere an ihrem Charakter als einmalige Leistung nichts. Die Entscheidung des SG, die Berufung nicht zuzulassen, sei einer Überprüfung durch das LSG nicht zugänglich. Selbst die rechtsirrtümliche Nichtzulassung sei kein Verfahrensmangel.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 4. Mai 1971 zugestellte Urteil am 3. Juni 1971 Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 4. August 1971 am 2. August 1971 begründet.

Er rügt die Verletzung der §§ 77, 144, 158 SGG, 8 GrEStG und 72 BVG. Das LSG hätte die Berufung in vollem Umfang als unzulässig verwerfen müssen. Unter den Begriff der Leistung i. S. des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG fielen nämlich nicht nur Bar- und Sachleistungen; darunter sei auch ein sonstiges Tun, Dulden oder Unterlassen zu verstehen, wie sich auch aus der Koppelung des Begriffs der Leistung mit dem Begriff des Anspruchs in § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG und dessen Definition in § 194 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ergebe. Ein "Tun" stelle aber auch das Versichern im Sinne des § 8 Abs. 6 GrEStG aF bzw. das Bestätigen im Sinne des § 8 Abs. 4 GrEStG für Nordrhein-Westfalen dar. Selbst wenn man davon ausgehe, daß die Erteilung einer Bestätigung im Sinne des GrEStG im Ermessen der Versorgungsverwaltung stehe, sei § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG anwendbar; hierfür sei die Art der begehrten Leistung und nicht deren Rechtsgrund maßgebend. Soweit die Gewährung einer Kapitalabfindung im Streit stehe, sei die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG ausgeschlossen. Dann sei es aber nicht verständlich, wenn in einem Streit um eine mit der Gewährung oder Nichtgewährung einer Kapitalabfindung zusammenhängende Nebenleistung das LSG sollte angerufen werden können.

Die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen machten die Berufung auch nicht gemäß § 150 Nr. 2 SGG statthaft. Die Nichtzulassung der Berufung sei für das LSG selbst dann verbindlich, wenn das SG die Berufung zu Unrecht nicht zugelassen habe. Nach der materiell-rechtlichen Auffassung des SG seien die Gewährung der vom Kläger beantragten Kapitalabfindung und die Ausstellung der von ihm gewünschten Bestätigung davon abhängig gewesen, ob es sich um eine "eigengenutzte" Eigentumswohnung gehandelt habe. Das SG habe die Wohnung nicht als "eigengenutzt" angesehen. Diese Entscheidung habe genauso lauten müssen, wenn das SG die Erteilung der Bestätigung nicht als eine Ermessens-, sondern als eine Anspruchsleistung angesehen hätte. Außerdem sei dies allenfalls ein Fehler bei der Anwendung des materiellen Rechts und kein Verfahrensmangel. Im übrigen sei die Erteilung der Bestätigung tatsächlich eine Ermessensleistung der Versorgungsverwaltung, weil darauf kein Anspruch bestehe und sie stets von einer Ermessensausübung abhänge. In dem Hinweis des Klägers, das SG Köln habe die Gesetzmäßigkeit der VerwV zu den §§ 72 ff BVG nicht geprüft, könne die Rüge einer Verletzung des § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG liegen. Das sei aber nicht der Fall, denn das SG habe hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß es die Bestimmungen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes als nicht maßgeblich und andererseits die VerwV Nr. 1 zu den §§ 72 ff BVG als dem Gesetz entsprechend angesehen habe.

Die Berufung hätte aber auch dann keinen Erfolg haben dürfen, wenn sie in dem vom LSG angenommenen Umfang statthaft gewesen wäre, weil sie dann als unbegründet hätte abgewiesen werden müssen. Die Nichtgewährung der Kapitalabfindung müsse allein auf dem Mangel ausreichender Mittel beruhen. Bei einer bindenden bescheidmäßigen Ablehnung könne der Grund der Nichtgewährung nur aus ihrem Inhalt entnommen werden. Der angefochtene Bescheid und der Widerspruchsbescheid hätten sich darauf gestützt, daß die vom Kläger gekaufte Eigentumswohnung nicht von ihm selbst bewohnt werde. Daß die Kapitalabfindung mangels ausreichender Mittel nicht bewilligt worden sei, sei im Bescheid nicht erwähnt. Der Hinweis auf die zum augenblicklichen Zeitpunkt nur begrenzt verfügbaren Mittel habe allenfalls eine zusätzliche Motivierung dafür dargestellt, daß eine Eigennutzung verlangt worden sei. Dies erfülle die Voraussetzungen des § 8 GrEStG nicht. Das LSG hätte also schon deshalb den Beklagten nicht zur Erteilung der gewünschten Bestätigung verurteilen dürfen. Darüber hinaus seien auch die Voraussetzungen für die Kapitalabfindung nicht gegeben. Die VerwV Nr. 1 zu den §§ 72 ff BVG sei eine Ermessensrichtlinie, für deren Auslegung nicht die Meinung des Gerichts, sondern die der Verwaltung maßgebend sei. Die Verwaltung stelle aber grundsätzlich darauf ab, daß die Eigentumswohnung nur dann "eigengenutzt" sei, wenn sie der Eigentümer selbst bewohne.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Februar 1971 die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27. November 1969 in vollem Umfange als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

unter Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Februar 1971 die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27. November 1969 als unbegründet zurückzuweisen,

soweit das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen sie nicht schon als unzulässig verworfen hat.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die zugelassene Revision ist begründet.

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß für den im Revisionsverfahren allein noch streitigen Anspruch des Klägers auf Erteilung der von ihm begehrten Bestätigung der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist. Nach § 8 GrEStG wird in bestimmten Fällen beim Erwerb von Grundstücken mit Hilfe einer Kapitalabfindung nach dem BVG die Grunderwerbsteuer nicht erhoben. Kann die beantragte Kapitalabfindung nicht zur Verfügung gestellt werden, obwohl die Voraussetzungen für ihre Gewährung an sich vorliegen, so tritt die Befreiung von der Grunderwerbsteuer gleichwohl ein, wenn die für die Kapitalabfindung zuständige Stelle bestätigt, daß deren Voraussetzungen vorgelegen haben (vgl. § 8 Abs. 3 und 6 GrEStG vom 29. März 1940 - RGBl I S. 585 - bzw. § 8 Abs. 2 und 4 GrEStG f. Nordrhein-Westfalen idF der Bekanntmachung vom 12. Juli 1970 - GVBl für das Land Nordrhein-Westfalen 1970 S. 612). Zuständige Stelle ist nach § 1 Buchst. b der Verordnung über die sachliche Zuständigkeit in der Kriegsopferversorgung (KOV) idF vom 21. Januar 1968 (BGBl I S. 104) das Landesversorgungsamt. Diese Behörde kann die Bestätigung nur unter Zugrundelegung der versorgungsrechtlichen Bestimmungen abgeben. Damit liegt eine Angelegenheit der KOV vor. Daß auf die Abgabe der Erklärung möglicherweise kein Anspruch besteht, ist eine Frage der Begründetheit und berührt die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht.

Das LSG irrt aber, wenn es die Berufung insoweit als zulässig angesehen hat. Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG ist die Berufung nicht zulässig, soweit sie Ansprüche auf einmalige Leistungen betrifft. Der Begriff der "Leistung" ist vom Bundessozialgericht (BSG) bisher dahin definiert worden, daß darunter Leistungen von Versorgungs- und Versicherungsträgern an berechtigte Staatsbürger fallen, nicht jedoch die von solchen öffentlich-rechtlichen Trägern gegen den einzelnen Staatsbürger erhobenen Zahlungsansprüche (vgl. BSG 3, 234 ff und SozR § 144 SGG Nr. 3, 4, 9, 11, 16, 19). Wenn hiernach also unter diesem Begriff des § 144 SGG nur "Sozialleistungen des Staates oder öffentlicher Körperschaften" (vgl. BSG 3, 234, 236) zu verstehen sind, dann ist für die weitere Abgrenzung weder jene bürgerlich-rechtliche Auffassung geeignet, wonach "Leistung" jede Zuwendung ist, die eine Vermögensverschiebung bewirkt (vgl. Palandt, Komm. z. BGB, Anm. 2 zu § 812), noch die Anspruchsdefinition in § 194 BGB als das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen; dies um so mehr, als die §§ 145 ff SGG selbst bereits kraft Gesetzes Einschränkungen enthalten (vgl. BSG in SozR Nr. 16 zu § 144 SGG). Diese bürgerlich-rechtlichen Begriffe sind hierfür also zu unbegrenzt, so daß sie den Ausschluß der Berufung in unzulässiger Weise erweitern und deshalb den Rechtsschutz im Sozialrecht in sinnwidriger Weise beeinträchtigen würden. Eine Einschränkung muß durch die Beachtung des Umstandes getroffen werden, daß sich § 144 SGG mit Ansprüchen auf dem Gebiet des Sozialrechts befaßt. So spricht der 6. Senat des BSG im Zusammenhang mit der Frage der Berufungsfähigkeit von Honorarstreitigkeiten im Arztrecht folgerichtig auch von Sozialleistungsansprüchen (vgl. BSG 11, 102).

Dem folgend ist unter "Leistung" i. S. des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG sonach eine vom Staat oder von einem öffentlich-rechtlichen Versorgungs- oder Versicherungsträger zu bewirkende Handlung zu verstehen, die dieser Träger auf Grund seiner zum Sozialrecht gehörenden Aufgabenstellung vorzunehmen hat und aus der für den einzelnen ein rechtlicher Vorteil erwächst. Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Voraussetzungen bei dem Anspruch auf Kapitalabfindung nach Maßgabe der §§ 72 ff BVG erfüllt sind. Aber auch bei der vom Kläger begehrten bestätigenden Bescheinigung handelt es sich um eine derartige Leistung, weil ihre Ausstellung oder Verweigerung in das Aufgabengebiet des nach den einschlägigen Bestimmungen des BVG zuständigen Versorgungsträgers fällt und weil der Kläger mit ihrer Hilfe die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Grunderwerbsteuerpflicht nach § 8 GrEStG bewirken kann. Die vom Kläger gegenüber der Versorgungsbehörde begehrte Handlung ist daher eine Leistung i. S. des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Daß sie auch eine einmalige Leistung ist, bedarf keiner näheren Begründung. Nach der Rechtsprechung des BSG ist hierunter ein Geschehen zu verstehen, das sich seiner Natur nach in einer bestimmten, verhältnismäßig kurzen Zeitspanne abspielt und sich im wesentlichen in einer einzigen Gewährung erschöpft (vgl. BSG 2, 135, 136; BSG in SozR Nr. 16 zu § 144 SGG). So ist es auch hier. Die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG sind sonach erfüllt, so daß die Berufung ausgeschlossen ist. Ob es sich dabei um eine Leistung handelt, die kraft Rechtsanspruchs oder nach dem Ermessen der Verwaltungsbehörde zu erfüllen ist, spielt für die Frage ihrer Berufungsfähigkeit nach § 144 Abs. 1 SGG keine Rolle (vgl. BSG in SozR Nr. 29 zu § 144 SGG).

Die vorstehende Auffassung wird durch die Tatsache bestätigt, daß die begehrte Bestätigung lediglich an die Stelle der Kapitalabfindung selbst tritt. Letztere ist aber, obwohl sie für einen Zeitraum von 10 Jahren gewährt wird, eine einmalige Leistung (BSG in SozR Nr. 9 zu § 150 SGG; vgl. auch BSG 2, 129, 130; 135, 136; ferner Peters-Sautter-Wolff, Komm. z. SGG § 144 Anm. 2). Wenn einem Beschädigten eine Kapitalabfindung trotz Vorliegens ihrer Voraussetzungen (etwa - wie hier - aus fiskalischen Gründen) nicht gewährt werden kann, so soll wenigstens die mit der Gewährung der Kapitalabfindung verbundene Grunderwerbsteuerbefreiung durch eine entsprechende Bestätigung erreicht werden. In beiden Fällen geht es also der Sache nach um die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Kapitalabfindung vorliegen. Auf dem Gebiet des Steuerrechts tritt diese Bestätigung an die Stelle der Kapitalabfindung selbst; sie hat dort also dieselbe rechtliche Auswirkung wie die gewährte Kapitalabfindung. Infolgedessen ist auch verfahrensrechtlich der Anspruch auf Erteilung dieser Bestätigung genauso zu behandeln wie die Kapitalabfindung. Die Bestätigung ist nicht etwa das Gegenstück zur Kapitalabfindung, sondern ihr Surrogat, die Ersatzleistung. Für den Streit um sie die Nachprüfbarkeit durch das Berufungsgericht generell zuzulassen, würde auch gegen den Sinn und Zweck des § 144 SGG verstoßen. Diese Vorschrift verfolgt durch den Ausschluß der Berufung bei Ansprüchen auf einmalige Leistungen und auf wiederkehrende Leistungen für nicht mehr als dreizehn Wochen das Ziel, weniger wichtige Rechtsstreitigkeiten von den Landessozialgerichten fernzuhalten. Die in Rede stehende Bestätigung hat sowohl rechtlich wie wirtschaftlich für den Beschädigten eine wesentlich weniger ins Gewicht fallende Bedeutung als die Gewährung der Kapitalabfindung selbst. Es würde deshalb dem mit § 144 SGG verfolgten Sinn nicht entsprechen, zwar die bedeutungsvollere Leistung der Kapitalabfindung nicht als kraft Gesetzes berufungsfähig anzusehen, wohl aber einen Streit um die Erteilung der an die Stelle der Kapitalabfindung tretenden Ersatzleistung in Form der vom Kläger begehrten Bestätigung (vgl. auch LSG Baden-Württemberg in Breithaupt 1965 S. 241).

Die Berufung ist auch nicht nach § 150 Nr. 2 SGG statthaft, weil der Kläger keine wesentlichen Verfahrensmängel gerügt hat.

Daß das SG die Berufung nicht zugelassen und auch keine näheren Ausführungen darüber gemacht hat, warum es von einer Zulassung absah, begründet keinen wesentlichen Verfahrensmangel. Das BSG hat hierzu bereits wiederholt ausgesprochen, daß die Entscheidung des SG über die Zulassung der Berufung das LSG bindet, auch wenn sie unrichtig sein sollte, ferner daß sie vom BSG grundsätzlich nicht nachgeprüft werden kann und nicht besonders begründet werden muß (vgl. BSG 3, 231 ff und SozR Nr. 12, 17, 19, 29 zu § 150 SGG sowie für den vergleichbaren Fall der Zulassung der Revision durch das LSG SozR Nr. 1, 18, 19 zu § 162 SGG). Würde man die Frage, ob die Zulassung ausgesprochen werden müßte oder nicht, im Wege des § 150 Nr. 2 SGG von dem höherinstanzlichen Gericht entscheiden lassen, so würde das im Ergebnis dazu führen, daß eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden könnte, die aber im SGG ausdrücklich nicht vorgesehen ist (vgl. BSG aaO).

Ob im Vorbringen des Klägers, das SG habe sich nicht damit befaßt, ob die VerwV zu den §§ 72 bis 80 BVG dem Gesetz entsprechen, und auch nicht angegeben, warum es den vom Zweiten Wohnungsbaugesetz geprägten Begriff "eigengenutzt" nicht für seine Entscheidung verwandt hat, eine Rüge der Verletzung des § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG liegt, kann dahinstehen; denn § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG wäre hierdurch nicht verletzt. Die Entscheidungsgründe gehören zwar zum notwendigen Urteilsinhalt. Dabei ist aber zu beachten, daß die Entscheidungsgründe nicht schon dann fehlen, wenn sie knapp, oberflächlich oder sogar falsch sind (vgl. BVerwG DÖV 1964, 563; Peters-Sautter-Wolff aaO, § 136 Anm. 6). Die Entscheidungsgründe müssen, ohne daß hierfür ein bestimmter Umfang anzugeben wäre, die leitenden Gedanken erkennen lassen und sich mit den von den Beteiligten aufgeworfenen und für die Entscheidung erheblichen Rechtsfragen auseinandersetzen (vgl. SozR Nr. 9 zu § 136 SGG). Diesen Anforderungen entspricht ausreichend die Begründung des SG, wonach für seine Entscheidung das BVG und die dazu erlassenen VerwV, nicht aber das Zweite Wohnungsbaugesetz heranzuziehen sind, und daß der von ihm nachzuprüfende Verwaltungsakt eine Ermessensentscheidung ist. Ob diese Auffassungen zutreffend sind, ist eine Frage des sachlichen Rechts; ein etwaigen Fehler hierbei könnte keinen Verfahrensfehler begründen.

Auch die Rüge, das SG habe die Frage, ob die Bestätigung nach § 8 Abs. 6 GrEStG zu erteilen sei, irrtümlich als eine Ermessensentscheidung angesehen und den Bescheid deshalb nur in eigeschränktem Umfang nachgeprüft, ergibt keinen Verfahrensmangel. Das Verfahren eines Gerichts bestimmt sich nach seiner sachlich-rechtlichen Auffassung (vgl. BSG 2, 84). Nur diese Auffassung greift der Kläger mit seinem entsprechenden Vorbringen im Berufungsverfahren an. Er bemängelt also die Rechtsauffassung des SG, nicht dessen Verfahren. War das SG aber von der sachlich-rechtlichen Auffassung ausgegangen, daß die Gewährung einer Kapitalabfindung und demgemäß auch die Ausstellung der vom Kläger gewünschten Bestätigung im Ermessen der Verwaltungsbehörde steht, dann durfte es entsprechend dieser Auffassung seine Nachprüfung auf die Rechtmäßigkeit der von der Verwaltung getroffenen Entscheidung im Rahmen der dem Gericht durch § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG gezogenen Grenzen beschränken.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG war daher nicht statthaft. Das Urteil des LSG ist sonach unrichtig, soweit es die Berufung als zulässig ansieht. Auf die Revision des Beklagten mußte das Urteil des LSG somit entsprechend abgeändert und die Berufung in vollem Umfang als unzulässig verworfen werden. Das BSG konnte in der Sache selbst entscheiden, da neue Ermittlungen nicht mehr notwendig sind (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669882

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