Entscheidungsstichwort (Thema)

Berichtigungsbescheid. Zustimmung des Landesversorgungsamtes. Bescheidaufhebung. Ausgleichsrente. Ehegattenzuschlag. Ruhenswirkung wegen verschiedener Ansprüche aus derselben Ursache

 

Leitsatz (amtlich)

Ein vor dem 1.1.1981 erlassener Bescheid, der einen rechtsverbindlichen begünstigenden Verwaltungsakt wegen Rechtswidrigkeit zurücknimmt, ist in einem anhängigen Gerichtsverfahren nicht nach § 45 SGB 10 zu beurteilen.

 

Orientierungssatz

1. Der Berichtigungsbescheid ist nicht allein deshalb aufzuheben, weil das Landesversorgungsamt nicht nach KOVVfG § 41 Abs 2 vor seinem Erlaß auf Grund einer besonderen Prüfung des Falles zugestimmt hat (Abweichung von BSG vom 1962-03-16 11 RV 504/61 = BSGE 16, 265 = SozR Nr 17 zu § 41 VerwVG).

2. Unter Ursache iS des § 65 Abs 1 BVG, auf der die Ansprüche "beruhen" müssen, ist nicht allein ein einheitliches schädigendes Ereignis zu verstehen. Vielmehr kann damit auch das Zusammentreffen verschiedener schädigender Vorgänge gemeint sein, falls es sowohl versorgungs- als unfallversicherungsrechtliche Ansprüche entstehen läßt. Das entspricht dem Sinn und Zweck des § 65 Abs 1 BVG, nämlich Doppelleistungen aus beiden Leistungsbereichen auf das gleiche Ziel hin zu vermeiden.

3. Den Ansprüchen aus der Kriegsopferversorgung - hier auf Ausgleichsrente und Ehegattenzuschlag - brauchen keine gleichartigen aus der Unfallversicherung gegenüberzustehen, wenn die Ruhenswirkung nach § 65 Abs 1 Nr 1 BVG eintreten soll. Es genügt allein, daß hier "Versorgungsbezüge" und dort "Bezüge aus der gesetzlichen Unfallversicherung" beansprucht werden können.

4. BVG § 33a Abs 2 und BVG § 33 Abs 4 sind nach ihrer Stellung im Gesetz keine Sondervorschriften gegenüber der allgemeinen Ruhensregelung des § 65 Abs 1 BVG. Sie erklären diese nicht etwa speziell bezüglich der genannten Leistungen für unanwendbar. Vielmehr ordnen sie eine ausschließliche Besonderheit über die Höhe der Ausgleichsrente und des Ehegattenzuschlages für Pflegezulageberechtigte im Verhältnis zu den allgemeinen Bestimmungen des § 33 Abs 1 bis 3 und des § 33a Abs 1, wonach diese Leistungen grundsätzlich nach dem anzurechnenden Einkommen zu bemessen sind.

5. Aus der Anführung des § 65 BVG in § 33 Abs 4 und in § 33a Abs 2 BVG kann nicht geschlossen werden, diese Leistungen sollten niemals zum Ruhen kommen.

 

Normenkette

BVG §§ 33, 33a; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03; KOVVfG § 41 Abs 1; SGB 10 § 45; SGB 10 Art 2 § 16 Nr 1, §§ 37, 40; KOVVfG § 41 Abs 2; BVG § 65 Abs 1 Nr 1, § 33a Abs 2, § 33 Abs 4

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 10.07.1980; Aktenzeichen L 7 V 220/78)

SG Würzburg (Entscheidung vom 11.05.1978; Aktenzeichen S 10 V 536/77)

 

Tatbestand

Der Kläger hat als Soldat das rechte Auge verloren. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde ursprünglich mit 40 vom Hundert (vH) bewertet. 1946 büßte der Kläger infolge eines Arbeitsunfalles die Sehkraft des linken Auges ein. Er erhält deswegen aus der gesetzlichen Unfallversicherung eine Verletztenrente entsprechend einer MdE von 100 vH, ferner Pflegegeld und Führungsbeihilfe. Ab 1974 bewertete das Versorgungsamt K aufgrund des § 31 Abs 4 Satz 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) idF des Sechsten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (6. AnpG-KOV) die schädigungsbedingte MdE mit 50 vH, weil der Kläger Pflegezulage nach der Stufe III erhielt, und gewährte ihm Ausgleichsrente sowie Ehegatten- und Kinderzuschlag nach dem BVG in voller Höhe (§ 33 Abs 4, § 33a Abs 2, § 33b Abs 4 BVG). Die Pflegezulage ließ es in Höhe des Pflegegeldes aus der Unfallversicherung ruhen. Nachdem der Kläger nach B verzogen war, zahlte das Versorgungsamt W ihm nur noch die Grundrente entsprechend einer MdE um 40 vH und die Pflegezulage abzüglich der Höhe des unfallversicherungsrechtlichen Pflegegeldes. Entsprechend einer allgemeinen Weisung des Landesversorgungsamtes ließ es sowohl den Unterschied zwischen der Rente nach einer MdE von 40 vH und einer solchen um 50 vH als auch die Ausgleichsrente und den Ehegattenzuschlag ebenfalls ruhen. Es berichtigte dementsprechend die seit dem 13. November 1974 erlassenen Bescheide. Von einer Rückforderung der überzahlten Beträge sah das Versorgungsamt jedoch ab (Bescheid vom 19. Juli 1977). Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 10. November 1977). Ab 1. Februar 1978 wird die Pflegezulage wegen der Ruhensbestimmung nicht mehr gezahlt (Bescheid vom 2. Januar 1978). Das Sozialgericht (SG) verpflichtete den Beklagten, dem Kläger die Ausgleichsrente und den Ehegattenzuschlag in voller Höhe zu zahlen; es wies die Klage ab, soweit sie sich gegen die Vorenthaltung der Grundrentendifferenz zwischen 40 vH und 50 vH wandte (Urteil vom 11. Mai 1978). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 10. Juli 1980): Die weit auszulegende Ausnahmevorschrift des § 65 Abs 1 BVG, deren Voraussetzungen beim Kläger gegeben seien, lasse auch die Ausgleichsrente und den Ehegattenzuschlag ruhen. Wenn diese Leistungen nach § 33 Abs 4 und nach § 33a Abs 2 BVG in voller Höhe an Empfänger einer Pflegezulage zu zahlen seien, so sei damit gemeint, daß diese Beschädigten sich kein anderes Einkommen anrechnen zu lassen brauchten. Das hindere aber nicht die Anwendung des übergeordneten Grundsatzes des § 65 Abs 1 BVG, wonach nicht wegen derselben Folgen Leistungen sowohl aus der Kriegsopferversorgung als auch aus der Unfallversicherung gewährt werden dürften. Lediglich ein Ruhen der Pflegezulage, das dem "Empfang" dieser Leistung gleichgestellt sei, solle die Ausgleichsrente und den Ehegattenzuschlag nicht beeinträchtigen.

Der Kläger rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision eine unrichtige Auslegung des § 33 Abs 4 und des § 33a Abs 2 BVG. Diese Sondervorschriften müßten auch dann die Ausgleichsrente und den Ehegattenzuschlag in voller Höhe gewährleisten, wenn allein die Pflegezulage nach § 65 Abs 1 BVG ruhe. Dies habe das SG zutreffend entschieden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des

Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er tritt der vom LSG vertretenen Rechtsauffassung bei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

Soweit die angefochtenen Bescheide von ihm noch angegriffen werden, sind sie nicht rechtswidrig. Auch die volle Ausgleichsrente und der volle Ehegattenzuschlag sind dem Ruhen nach § 65 Abs 1 BVG unterworfen. Der Kläger gilt wegen seines Anspruchs auf Pflegezulage (§ 35 BVG) als Schwerbeschädigter. Deswegen ist ihm ursprünglich die Ausgleichsrente nach § 33 Abs 4 und der Ehegattenzuschlag nach § 33a Abs 2 BVG in voller Höhe, das heißt unabhängig vom sonstigen Einkommen (§ 33 Abs 1 - 3, § 33a Abs 1 BVG) zugesprochen worden. Das setzt für die Ausgleichsrente voraus, daß er eine Pflegezulage mindestens der Stufe III bezieht und für den Ehegattenzuschlag, daß er überhaupt Pflegezulagen-"Empfänger" ist; dies gilt auch für die Zeit des Ruhens der Pflegezulage nach § 65 Abs 1 BVG.

Die darüber seit 1974 ergangenen verbindlichen Verwaltungsakte (§ 77 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) durften wegen der Ruhenswirkung berichtigt werden. Das war zulässig, und zwar entweder nach § 41 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) wegen ursprünglicher zweifelsfreier Unrichtigkeit, wie der 11. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) für Fälle dieser Art angenommen hat (SozR Nr 6 zu § 65 BVG), oder wegen der kraft Gesetzes eintretenden Ruhenswirkung (vgl dazu zB BSG SozR 2200 § 1301 Nr 4) rückwirkend auch unabhängig von einer Bindungswirkung, wie der 8. Senat des BSG judiziert hat (BSGE 4, 281, 284f; 20, 161, 163 ff = SozR Nr 7 zu § 65 BVG; im Ergebnis ebenso der 9. Senat in BSGE 23, 47 f = SozR Nr 16 zu § 47 VerwVG; so auch für die Rentenversicherung: Urteil des 4. Senats vom 9. August 1962 - 4 RJ 355/60; BSGE 30, 105, 107 = SozR Nr 12 zu § 1301 Reichsversicherungsordnung -RVO-; vgl auch BSGE 33, 234, 235f = SozR Nr 5 zu § 1279 RVO). Diese weitergehende Eingriffsbefugnis könnte damit zu begründen sein, daß über das Ruhen besonders und selbständig entschieden werden müßte (für die Rentenversicherung: BSGE 32, 114, 115 = SozR Nr 75 zu § 77 SGG), dies aber nicht - negativ - in den rechtsverbindlichen Bescheiden ausdrücklich geschehen ist (anders zB im Falle BSGE 26, 98, 100f = SozR Nr 10 zu § 1278 RVO), insoweit also eine verbindliche Regelung noch fehlte. Beide Rechtsansichten führen im Fall des Klägers zum selben Ergebnis. Die Voraussetzungen für jeden dieser Eingriffe waren gegeben.

Nach der erstgenannten Auffassung war 1977 eine Berichtigung nach § 41 KoVVfG zulässig; denn die rechtsverbindlichen Bescheide waren insoweit zweifelsfrei tatsächlich und rechtlich unrichtig, als das Versorgungsamt bei der Auszahlungsentscheidung nicht beachtet hat, daß der Kläger tatsächlich Leistungen aus der Unfallversicherung wegen der Augenschädigung erhielt, daß diese rechtlich als auf derselben Ursache beruhend zu beurteilen sind und daß infolgedessen kraft Gesetzes die Ansprüche auf die volle Ausgleichsrente und auf den vollen Ehegattenzuschlag ruhten (aA Bischoff, Kriegsopferversorgung 1965, 1). Das Landesversorgungsamt hatte allerdings dieser Berichtigung nicht vor Erlaß des Bescheides auf Grund einer besonderen Prüfung dieses Falles zugestimmt. Dies ist an sich durch § 41 Abs 2 KOVVfG vorgeschrieben. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG (vgl zB BSGE 16, 265 = SozR Nr 17 zu § 41 VerwVG) wäre allein deshalb der angefochtene Bescheid aufzuheben. Das gilt hier aber nicht. Das Landesversorgungsamt hatte zuvor durch eine allgemeine Weisung für Fälle dieser Art angeordnet, was Rechtens sein soll. Außerdem ist jener Formfehler nachträglich durch die Zurückweisung des Widerspruchs als geheilt anzusehen. Mit dieser Entscheidung hat das Landesversorgungsamt die erforderliche Mitwirkung in der Sache des Klägers nachgeholt, bevor der Ruhensbescheid verbindlich geworden ist. Dadurch ist die Verletzung jener Verfahrensvorschrift nach einem allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsatz unbeachtlich (vgl auch BSGE 48, 232 = SozR 2200 § 250 Nr 6; BSG SozR 3100 § 13 Nr 1). Dieser ist zwar erst mit Wirkung ab 1. Januar 1981 für das Sozialrecht in § 41 Abs 1 Nr 5 und Abs 2 iVm § 42 und § 40 Abs 3 Nr 4 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - vom 18. August 1980 (BGBl I 1469) -SGB 10- ausdrücklich vorgeschrieben worden (Art II § 40 Abs 1 Satz 1), hat aber eine darüber hinausgehende Bedeutung als allgemeiner Rechtssatz. Der Große Senat braucht wegen dieser Abweichung von dem zitierten BSG-Urteil nicht angerufen zu werden, weil jetzt allein der erkennende Senat für KOV-Sachen zuständig ist.

Die 1977 erlassenen Verwaltungsakte, durch die begünstigende Bescheide teilweise als rechtswidrig zurückgenommen worden sind, hat der erkennende Senat nicht nach § 45 SGB 10 zu beurteilen. Diese Vorschrift regelt die vollständige oder anteilige Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes. In Fällen wie dem des Klägers ist diese Regelung für den Betroffenen günstiger als nach § 41 KOVVfG. Sie setzt der Rücknahme eine Ausschlußfrist (Abs 3 Satz 1). § 41 KOVVfG ist jedoch erst mit Art II § 16 Nr 1 SGB 10 gestrichen worden. Die ältere Vorschrift galt also noch 1977; denn das SGB 10 ist, wie schon dargelegt, am 1. Januar 1981 in Kraft getreten. Diese grundsätzliche Anordnung wird allerdings durch die allgemeine Regelung des Art II § 37 Abs 1 SGB 10 abgeändert, wonach bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen sind. Ob das auch für die durch ein Gerichtsverfahren fortgesetzte Anfechtung eines Bescheides gilt, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls enthält Art II § 40 Abs 2 SGB 10 eine hier maßgebende Sonderbestimmung für die Anwendbarkeit der §§ 44 bis 49 des Art I. Diese Vorschriften sind demnach erstmals anzuwenden, wenn nach dem 31. Dezember 1980 ein Verwaltungsakt aufgehoben wird (Satz 1); ein aufzuhebender Verwaltungsakt kann auch vor dem 1. Januar 1981 erlassen worden sein (Satz 2). Damit ist aber nicht der im anhängigen Verfahren angefochtene Verwaltungsakt gemeint, was der erkennende Senat in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 28. Januar 1981 - 9 RV 29/80 - noch offen gelassen hat. Vielmehr betrifft diese Übergangsbestimmung den rechtsverbindlichen Bescheid, der nach den §§ 44 bis 49 des Art I berichtigt werden soll. Das Wort "aufheben" ("aufgehobene", "aufzuhebende") meint in diesem Zusammenhang als Oberbegriff sowohl die "Rücknahme" unanfechtbar gewordener Verwaltungsakte (Art I §§ 44 und 45) als auch den "Widerruf" (Art I §§ 46 und 47) und die "Aufhebung" im engeren Sinn (Art I § 48). Dies wird durch die Vorschriften des Art I § 49 über die "Aufhebung" eines von einem Dritten angefochtenen Bescheides während eines Verfahrens und des Art I § 50 Abs 1 und 3 Satz 2 über die Erstattung erbrachter Leistungen klargestellt. In allen diesen Fällen sind die verschiedenen genannten Arten von "Aufhebung" eingeschlossen. Diese Tatbestände beziehen sich jedenfalls auf die "Rücknahme" iSd Art I § 45. Dementsprechend wird in der Gesetzesbegründung die Änderung von Verwaltungsakten nach den §§ 42 ff (jetzt §§ 44 ff) einheitlich mit dem Oberbegriff "Aufhebung" bezeichnet und an manchen Stellen auch speziell die "Rücknahme" ausdrücklich damit identifiziert (Begründung zum Entwurf eines SGB - Verwaltungsverfahren - Erstes Kapitel des Zehnten Buches - BT-Drucks 8/2034, S 33, Vorbemerkungen zu §§ 42 ff). Damit stimmt die Begründung zum Entwurf des zum Vorbild genommenen Verwaltungsverfahrensgesetzes überein (BT-Drucks 7/910, S 67 zu §§ 44, 45; vgl auch Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1978, § 48, RdNr 3). Schließlich wird innerhalb des Art II § 40 Abs 2 SGB 10 durch Satz 3 geklärt, daß mit den "aufgehobenen" oder "aufzuhebenden" Verwaltungsakten iSd Sätze 1 und 2 die rechtsverbindlichen gemeint sind, die berichtigt werden. Jene Vorschrift (Satz 3) nimmt von den beiden anderen Regelungen (Sätze 1 und 2) solche Verwaltungsakte der Sozialversicherung aus, die bereits bestandskräftig waren und bei denen auch nach § 1744 RVO in der vor dem 1. Januar 1981 geltenden Fassung eine neue Prüfung nicht vorgenommen werden konnte. Wenn diese Ausnahme sich ausdrücklich auf rechtsverbindliche Bescheide bezieht, muß das ebenfalls für die beiden vorausgegangenen Regelsätze (Sätze 1 und 2) gelten. Diese Auslegung der genannten Übergangsvorschriften entspricht allgemeinen Rechtsgrundsätzen; ihre Richtigkeit wird dadurch bestätigt. Schon zur Bestimmung des § 52 KOVVfG, die dem Art II § 37 Abs 1 SGB 10 entspricht, hat das BSG entschieden, daß in den beim Inkrafttreten "anhängigen Sachen" die Bestimmungen des KOVVfG abweichend vom Wortlaut nicht schlechthin maßgebend sein konnten. Vielmehr sollten damals, das heißt am 1. April 1955 angefochtene Bescheide, durch die begünstigende rechtsverbindliche Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (zB über laufende Leistungen) zurückgenommen worden waren, nach dem zur Zeit ihres Erlasses geltenden Recht, das vor dem KOVVfG galt, auch von den Gerichten beurteilt werden (BSGE 6, 288, 290f; 7, 8, 13; 7, 129, 134f; 8, 11, 13f; 10, 72, 73, 74; für besondere Anordnungen in Rückforderungsbescheiden: BSG SozR Nr 11 zu § 47 VerwVG; BSG, Bundesversorgungsblatt 1966, 66; vgl weitere Zitate bei Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, I/2, S 240b bis 240b II). Gleiches muß hier gelten. Sonach ist der Fall des Klägers, nach § 41 KOVVfG zu beurteilen. Der hierauf gestützte rechtmäßig gewesene Berichtigungsbescheid ist nicht durch eine Rechtsänderung nachträglich rechtswidrig geworden (EYermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Aufl, 1980, § 113, Rz 13).

Auch die Voraussetzungen für eine Ruhensfeststellung sind gegeben. Wie das LSG zutreffend entschieden hat, ruhen die volle Ausgleichsrente und der volle Ehegattenzuschlag nach § 65 Abs 1 BVG.

Die Ansprüche auf diese Versorgungsbezüge (§ 9 Nr 3 BVG) gehen auf dieselbe Ursache iSd § 65 Abs 1 BVG zurück wie die Bezüge aus der Unfallversicherung und ruhen deswegen in Höhe derselben nach Nr 1 der Vorschrift. Unter "Ursache" in diesem Sinn, auf der die Ansprüche "beruhen" müssen, ist nicht allein ein einheitliches schädigendes Ereignis zu verstehen. Vielmehr kann damit auch das Zusammentreffen verschiedener schädigender Vorgänge gemeint sein, falls es sowohl versorgungs- als unfallversicherungsrechtliche Ansprüche entstehen läßt. Das entspricht dem Sinn und Zweck des § 65 Abs 1 BVG, nämlich Doppelleistungen aus beiden Leistungsbereichen auf das gleiche Ziel hin zu vermeiden (BSG, Bundesversorgungsblatt 1976, 19; vgl auch Rundschreiben des BMA vom 22. März 1977, Bundesversorgungsblatt 1977 S 39 Nr 21). So war es hier. Die Leistungen aus der Unfallversicherung "beruhen" in ihrer vollen Höhe nicht allein auf der Einbuße der Sehkraft des linken Auges als einem Unfallschaden, sondern außerdem darauf, daß der vorausgegangene, kriegsbedingte Verlust des rechten Auges als Vorschaden berücksichtigt worden ist; das entspricht Maßstäben, die einheitlich für die Unfallversicherung wie für die KOV gelten (BSGE 19, 201, 202 = SozR Nr 16 zu § 30 BVG; BSGE 41, 70, 76 = SozR 3100 § 30 Nr 11; BSGE 47, 123, 127 = SozR 3100 § 89 Nr 7). Andererseits "beruht" der Anspruch auf Pflegezulage nach Stufe III als Versorgungsleistung (§ 35 Abs 1 BVG) auf dem Zusammenwirken der schädigungsbedingten und der schädigungsunabhängigen Sehschädigung als gleichwertigen Mitursachen (BSGE 13, 40 = SozR Nr 9 zu § 35 BVG; BSGE 17, 114, 119 f = SozR Nr 15 zu § 30 BVG; vgl auch BSGE 41, 75 f; 41, 80, 82 ff = SozR 3100 § 35 Nr 2). Dieser Anspruch auf eine Pflegezulage bewirkt, wie eingangs dargelegt, daß die MdE, die allein wegen der Schädigungsfolgen mit nicht mehr als 40 vH zu bemessen ist, auf mindestens 50 vH festgestellt wird, und verschafft dem Kläger den Status, daß er als Schwerbeschädigter gilt. Das ist überhaupt die Grundvoraussetzung für die Ansprüche auf Ausgleichsrente und auf Ehegattenzuschlag (§ 32 Abs 1, § 33a Abs 1 Satz 1 BVG). Insoweit gehen die Versorgungsleistungen auf dieselbe Ursache wie die Unfallbezüge zurück.

Den Ansprüchen aus der KOV - hier auf Ausgleichsrente und Ehegattenzuschlag - brauchen keine gleichartigen aus der Unfallversicherung gegenüberzustehen, wenn die Ruhenswirkung nach § 65 Abs 1 Nr 1 BVG eintreten soll. Es genügt allein, daß hier "Versorgungsbezüge" und dort "Bezüge aus der gesetzlichen Unfallversicherung" beansprucht werden können (zu § 65 Abs 1 Nr 2: BSG SozR 3100 § 65 Nr 1; ebenso für Ausgleichsrente und Ehegattenzuschlag: Lamla, Kriegsopferversorgung 1972, 58). Anders als bei dieser allgemeinen Ruhensregelung des § 65 Abs 1 BVG ist es bei den Sondertatbeständen der Absätze 2 und 3 (vgl dazu BSG aaO), die aber andere BVG-Leistungen betreffen. Den KOV-Sonderleistungen für Schwerbeschädigte, die dem Kläger zukommen, entsprechen überhaupt keine Leistungen aus der Unfallversicherung. Sie allein beruhen aber in Fällen wie dem des Klägers auf derselben Ursache wie die Versicherungsbezüge. Wenn sie dennoch insgesamt von der Ruhensvorschrift des § 65 Abs 1 BVG deshalb verschont blieben, weil ihnen Leistungen der Unfallversicherung entsprechen müßten, träte die Ruhenswirkung zweckwidrig für einen bedeutsamen Leistungsbereich gar nicht ein.

Das SG und der Kläger verkennen den Gehalt des § 33 Abs 4 und des § 33a Abs 2 BVG, wenn sie meinen, diese Vorschriften schlössen als Sonderregelung ein Ruhen der vollen Leistungen aus. Die genannten Bestimmungen sind nach ihrer Stellung im Gesetz keine Sondervorschriften gegenüber der allgemeinen Ruhensregelung des § 65 Abs 1 BVG. Sie erklären diese nicht etwa speziell bezüglich der genannten Leistungen für unanwendbar. Vielmehr ordnen sie eine ausschließliche Besonderheit über die Höhe der Ausgleichsrente und des Ehegattenzuschlages für Pflegezulageberechtigte im Verhältnis zu den allgemeinen Bestimmungen des § 33 Abs 1 bis 3 und des § 33a Abs 1, wonach diese Leistungen grundsätzlich nach dem anzurechnenden Einkommen zu bemessen sind. In diesen abweichenden Sonderfällen wird der volle Betrag unabhängig vom Einkommen gesichert.

§ 33 Abs 4 und § 33a Abs 2 BVG regeln außerdem nach ihrem Wortlaut allein den Rechtsanspruch als solchen - ohne Beziehung zum Ruhen - durch Verwendung des Begriffes "erhalten" (vgl auch zB § 31 Abs 1 Satz 1, § 32 Abs 1, § 33a Abs 1, § 33b Abs 1 Satz 1, §§ 39, 40a Abs 1 Satz 1, § 41 Abs 1 Satz 1, §§ 43, 44 Abs 1 Satz 1, § 45 Abs 1 Satz 1); dieser hat die gleiche Bedeutung wie die sonst im BVG üblichen Bezeichnungen "gewähren" und "zahlen". Vom Bestehen eines Rechtsanspruches ist aber das Ruhen zu unterscheiden, das nur seine Verwirklichung -zeitweilig- berührt (BSG SozR 3100 § 65 Nr 2). Wenn die Ansprüche auf volle Ausgleichsrente und auf vollen Ehegattenzuschlag ua davon abhängen, daß eine Pflegezulage, im ersten Fall mindestens der Stufe III beansprucht werden kann, "auch wenn" dieser Anspruch nach § 65 Abs 1 BVG ruht, so ist damit gar nichts über das Verhältnis zwischen jenen in § 33 Abs 4 und in § 33a Abs 2 BVG geregelten Leistungen zum Ruhen gemäß § 65 Abs 1 BVG ausgesagt. Dadurch wird vielmehr - ebenso wie durch den anderen dem Bezug der Pflegezulage gleichgestellten Tatbestand des § 35 Abs 3 BVG - lediglich die Voraussetzung für den Rechtsanspruch auf die volle Höhe sinnvoll erweitert. Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des § 33 Abs 4 und des § 33a Abs 2 BVG sowie aus der jeweiligen Stellung des einzelnen Absatzes innerhalb des gesamten Paragraphen, sondern ist außerdem aus der Rechtsentwicklung zu erkennen. Ursprünglich war im BVG die volle Ausgleichsrente auf Empfänger einer Pflegezulage mindestens der Stufe III beschränkt (§ 33 Abs 4). Die Verwaltungspraxis dehnte dies nach dem Grundgedanken dieser Vorschrift auf solche Beschäftigte aus, denen die Pflegezulage nach § 33 Abs 2 BVG nicht gezahlt wurde (Rundschreiben des BMA vom 23. September 1959, Bundesversorgungsblatt 1959 S 134 Nr 41). Das Erste Neuordnungsgesetz (NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) sanktionierte dies ausdrücklich (§ 33 Abs 3). Das Zweite NOG vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) schuf die jetzige Fassung, bezog also auch die nach § 65 Abs 1 BVG ruhende Pflegezulage als Anspruchsvoraussetzung ein. Damit sollte der Personenkreis der an sich Pflegezulageberechtigten, denen die volle Ausgleichsrente zukommt, der Klarstellung halber erschöpfend beschrieben werden (Begründung zum Entwurf des Zweiten NOG, BR-Drucks 189/83, S 18, zu § 33). Das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Ersten NOG vom 20. April 1961 (BGBl I 443) fügte in § 33a als Satz 3 die Regelung an, daß Satz 2 über die Anrechnung von Einkommen nicht für Empfänger einer Pflegezulage gilt. Dabei wurde durch einen Klammerzusatz auf § 33 Abs 3 Bezug genommen, die neue Regelung also derjenigen über die Ausgleichsrente angepaßt. Die in Klammern hinzugefügte Ergänzung entfiel aber mit dem Zweiten NOG. Erst durch das 4. AnpG-KOV vom 24. Juli 1972 (BGBl I 1284) wurde die jetzt geltende, mit § 33 Abs 4 BVG übereinstimmende Fassung eingeführt. Diese Entwicklung verdeutlicht den zwingenden Zusammenhang zwischen dem ruhenden Anspruch auf Pflegezulage, der als dem verwirklichten Anspruch ("Empfänger") gleichwertig behandelt wird und dem Anspruch auf die volle Ausgleichsrente sowie den vollen Ehegattenzuschlag als Bedürftigkeitsleistungen. Da der Tatbestand des Ruhens einer Pflegezulage demnach allein eine begrenzte Bedeutung für die Bemessung der Ansprüche aus den §§ 33 und 33a BVG hat, kann nicht aus der Anführung des § 65 BVG in § 33 Abs 4 und in § 33a Abs 2 BVG geschlossen werden, diese Leistungen sollten niemals zum Ruhen kommen.

Nach alledem hat das LSG zutreffend entschieden, daß die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Breith. 1981, 987

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