Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldzuschlag. Anrechnung auf die Sozialhilfeleistung. Nachzahlungsbetrag. Erstattung an den Sozialhilfeträger

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Zuschlag zum Kindergeld und die Vorleistung nach § 11a Abs 8 BKGG sind Einkommen im Sinne von § 76 BSHG, welches nicht nach § 77 BSHG von der Anrechnung auf die Sozialhilfe ausgeschlossen ist.

2. Zur Anwendbarkeit der §§ 103 und 104 SGB 10 für den Fall der Bewilligung von Leistungen nach § 11a BKGG.

 

Normenkette

BKGG § 11a Abs 7 S 1; BKGG § 11a Abs 8 S 1; BSHG §§ 76-77; SGB 10 §§ 103, 104 Abs 1 S 1; BSHG § 12 Abs 1

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 08.09.1989; Aktenzeichen L 6 Kg 1/89)

SG Speyer (Entscheidung vom 06.01.1989; Aktenzeichen S 9 Kg 44/87)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, Zuschläge zum Kindergeld nach § 11a Abs 7 und 8 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) für das Jahr 1987 an die Beigeladene als Trägerin der Sozialhilfe zu erstatten.

Im Jahre 1987 bezog die Klägerin für ihre in den Jahren 1978, 1983 und 1986 geborenen Kinder Kindergeld. Die Beigeladene zahlte für diese Personen und den Ehemann der Klägerin Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) in Höhe der Regelsätze nach der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG vom 20. Juli 1962 (BGBl I S 515). Dabei zog sie das Kindergeld als anzurechnende Einkünfte ab. Durch den hier angefochtenen Bescheid vom 27. April 1987 bewilligte die Beklagte der Klägerin das erhöhte Kindergeld nach § 11a Abs 8 BKGG für die beiden älteren Kinder in voller Höhe und für die am 24. April 1986 geborene Tochter Jennifer Ines zur Hälfte unter dem Vorbehalt der Rückforderung. In diesem Bescheid teilte sie der Klägerin außerdem mit, daß der Kindergeldzuschlag für die Zeit von Januar bis einschließlich Mai 1987 gemäß § 104 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) der Beigeladenen erstattet werde. Ab Juni 1987 berücksichtigte die Beigeladene bei der Berechnung der Hilfe zum Lebensunterhalt das erhöhte Kindergeld. Auf den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 27. April 1987 bewilligte die Beklagte durch ihren Bescheid vom 31. Mai 1988 den Kindergeldzuschlag für Jennifer Ines in voller Höhe für das Jahr 1987 und erstattete den nachzuzahlenden Betrag an die Beigeladene. Im übrigen wies sie den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 1988 mit der Begründung zurück, sie habe die beiden Nachzahlungsbeträge gemäß § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X an die Beigeladene erstatten müssen.

Das Sozialgericht (SG) Speyer hat durch Urteil vom 6. Januar 1989 die Bescheide der Beklagten vom 27. April 1987 und vom 31. Mai 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 1988 geändert und die Beklagte verurteilt, den Kindergeldzuschlag für 1987 an die Klägerin auszuzahlen. Die Beigeladene habe keinen Erstattungsanspruch gehabt. Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt, welche die Beigeladene gewährt habe, und dem Kindergeldzuschlag nach § 11a BKGG bestehe keine Zweckidentität iS des § 77 BSHG, so daß der Kindergeldzuschlag nicht als Einkommen habe berücksichtigt werden dürfen. Die Beklagte hätte also den Kindergeldzuschlag nicht an die Beigeladene erstatten dürfen, sondern vielmehr an die Klägerin auszahlen müssen. Das SG hat die Berufung zugelassen. Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat durch Urteil vom 8. September 1989 die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen zurückgewiesen und die Revision zugelassen. In dem Urteil heißt es: Durch die Vorschriften der §§ 104 und 107 SGB X sollten Doppelleistungen und Überzahlungen ausgeglichen werden. Solche Leistungen habe die Beigeladene nicht erbracht. Der Zuschlag zum Kindergeld nach § 11a BKGG müsse neben der Sozialhilfe gezahlt werden, weil er zu den Leistungen mit besonderer Zweckbestimmung iS von § 77 BSHG gehöre, welche nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien. Dies ergebe sich aus der Zweckbestimmung des Kindergeldzuschlages, durch welchen einkommensschwachen Bevölkerungsschichten ein Ausgleich dafür gegeben werde, daß sie die im Rahmen des Familienlastenausgleichs vorgesehenen steuerrechtlichen Kinderfreibeträge nicht in Anspruch nehmen könnten. Demgemäß verfolge der Gesetzgeber mit der Gewährung des Kindergeldzuschlages einen anderen Zweck als mit der Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt. Eine andere Auslegung des § 11a BKGG iVm § 77 BSHG hätte zur Folge, daß ausgerechnet besonders bedürftige Personen nicht in den Genuß des Kindergeldzuschlages kämen. Zwar sei zweifelhaft, ob der Zweck des § 11a BKGG in der Norm "ausdrücklich" (§ 77 Abs 1 BSHG) genannt sei. Es sei aber zwischen der Zweckbestimmung des Kindergeldes und des Kindergeldzuschlages zu unterscheiden. Die Zweckbestimmung des § 11a BKGG sei zumindest in den Gesetzesmaterialien eindeutig dokumentiert. Die Beklagte hätte daher dem Erstattungsbegehren der Beigeladenen nicht entsprechen dürfen.

Gegen diese Rechtsauffassung wenden die Beklagte und die Beigeladene sich mit den von ihnen eingelegten Revisionen. Nach ihrer Auffassung ist auch der Kindergeldzuschlag Einkommen iS von § 76 BSHG, zumal da eine ausdrückliche Freilassung iS von § 77 BSHG nicht erfolgt sei. Der Kindergeldzuschlag stelle eine Aufstockung des allgemeinen Kindergeldes dar. Im übrigen werde auch der Kinderfreibetrag sozialhilferechtlich wie Einkommen berücksichtigt. Die Auffassung des LSG stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG). Zweifelhaft könne allerdings sein, ob der unter Vorbehalt der Rückforderung gezahlte Kindergeldzuschlag ohne weiteres Einkommen iS von § 76 BSHG sei. Es handele sich bei dem Kindergeldzuschlag um eine rückforderbare Vorleistung auf einen noch ungewissen künftigen Sozialleistungsanspruch. Dadurch werde der Kindergeldzuschlag aber nicht zu einer eigenen Einkommensart; er stehe wie das Kindergeld zur Deckung des Unterhaltsbedarfs der Familie zur Verfügung. Die Beklagte rechne den Kindergeldzuschlag auf Weisung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung regelmäßig den Monaten zu, für die sie aufgrund der monatlichen Ausgestaltung dieses Zuschlages als Zusatzanspruch zum Kindergeld zu zahlen seien. Voraussetzung hierfür sei, daß der Sozialhilfeträger im gleichen Zeitraum Leistungen erbracht habe. Im vorliegenden Fall seien besondere Zuordnungen nicht erfolgt, so daß die Zahlungen jeweils den Monaten als anzurechnendes Einkommen zugeordnet worden seien, für die sie bestimmt gewesen seien.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Klage unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entschieden, nachdem die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

Die zulässigen Revisionen sind begründet. Die Beklagte war verpflichtet, den bewilligten Kindergeldzuschlag der Beigeladenen als Erstattungsleistung zu zahlen. Die angefochtenen Urteile waren daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Erstattungspflicht der Beklagten gegenüber der Beigeladenen mit der Folge des Eintritts der Erfüllungsfiktion gemäß § 107 SGB X könnte sowohl nach § 103 SGB X als auch gemäß § 104 SGB X begründet sein. Die Gerichte der Vorinstanzen haben ausschließlich untersucht, ob die Erstattungsverpflichtung der Beklagten gegenüber der Beigeladenen auf § 104 SGB X beruhte. Dies war zumindest für einen Teil der Zuschlagszahlungen unzutreffend. § 104 SGB X regelt die Erstattungsansprüche des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers gegenüber anderen Trägern von Sozialleistungen. Das Vorhandensein einer nachrangigen Verpflichtung eines von mehreren Leistungsträgern setzt voraus, daß gleichzeitig auch ein anderer Leistungsträger zur Gewährung einer Sozialleistung verpflichtet ist. Diese sich aus der Logik der Sache ergebende Voraussetzung einer Erstattungsberechtigung nach § 104 SGB X folgt auch aus der Definition, welche in Abs 1 Satz 2 der Norm enthalten ist. Danach ist ein Leistungsträger nachrangig verpflichtet, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Zu den Eigentümlichkeiten des § 104 SGB X gehört demzufolge, daß der Berechtigte gleichzeitig Ansprüche gegen wenigstens zwei Leistungsträger hat (vgl BSG SozR 1300 § 105 Nr 1; Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch SGB 10/3 § 104 Rz 14; Urteil des erkennenden Senats vom heutigen Tage - 10 RKg 28/89 -). Das Bestehen eines allgemeinen gesetzlichen Vorbehalts, wie etwa in § 2 Abs 2 BSHG, reicht nicht aus. Daß sowohl bei der Beklagten als auch bei der Beigeladenen gleichzeitig eine Leistungsverpflichtung ab Januar 1987 und für alle Zahlungen an die Beigeladene bestanden haben könnte, ist zu verneinen; sie ist allenfalls für die Monate April und Mai 1987 gegeben, worauf noch einzugehen ist.

Die Klägerin verlangt eine Leistung nach § 11a BKGG. Diese wird grundsätzlich nach Ablauf des Zeitraumes, für den sie bestimmt ist, nämlich nach Ablauf eines Kalenderjahres, auf Antrag gezahlt, § 11a Abs 7 Satz 1 BKGG. Der Anspruch auf den Zuschlag zum Kindergeld nach § 11a Abs 7 BKGG entsteht also nachträglich mit rückwirkender Kraft; er besteht daher nicht gleichzeitig mit dem Anspruch auf die jeweils im laufenden Jahr fällige Sozialhilfeleistung (Urteil des erkennenden Senats vom heutigen Tage aaO).

Im vorliegenden Falle verlangte die Klägerin indessen eine Zahlung nach der besonderen Regelung des § 11a Abs 8 BKGG. Diese Leistung wird bereits während des Jahres, für welche die Zuschlagszahlung in Betracht kommt, gewährt. Voraussetzung ist, daß glaubhaft gemacht wird, die Berechtigte werde voraussichtlich infolge der bei ihr und ihrem Ehegatten bestehenden Einkommenssituation einen Anspruch auf den Zuschlag erwerben. Zwar verlangt § 11a Abs 8 BKGG nicht ausdrücklich, wie dies in Abs 7 für die Zuschlagszahlung der Fall ist, einen Leistungsantrag. Dieser ist jedoch in der durch § 11a Abs 8 Satz 1 BKGG geforderten Glaubhaftmachung enthalten. Mit der ausdrücklichen Bewilligung der Leistung nach § 11a Abs 8 BKGG ist ein Anspruch auf deren Auszahlung gegeben. Im April/Mai 1987 könnte eine Gleichzeitigkeit der Zahlungsverpflichtung der Beklagten und der Beigeladenen gegeben und auch § 104 SGB X wegen des in § 2 Abs 1 BSHG bestimmten Nachrangs der Sozialhilfe anwendbar sein. Dies kann jedoch der Senat offenlassen. Insoweit käme es nämlich darauf an, ob der Anspruch auf die Zahlung nach § 11a Abs 8 BKGG noch im April oder im Mai entstanden ist und gleichzeitig ein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen bestanden hatte. In diesem Falle wäre die Beklagte nach § 104 SGB X verpflichtet gewesen, die Leistungen des Sozialhilfeträgers für April und Mai 1987 oder nur für Mai 1987 an die Beigeladene zu erstatten. Auch bei dieser Fallkonstellation kann die Klägerin nicht die Auszahlung der nach § 11a Abs 8 BKGG bewilligten Leistung an sich selbst verlangen; denn rechtlich spielt es keine Rolle, ob die Beigeladene einen Erstattungsanspruch nach § 103 oder § 104 SGB X hat. In beiden Fällen gilt der von der Klägerin gemachte Zahlungsanspruch als erfüllt (vgl § 107 Abs 1 SGB X).

Hingegen kommt als Rechtsgrundlage derjenigen Erstattungszahlung, welche die Beklagte für nachträglich entstandene Leistungen an die Klägerin erbrachte, nur § 103 SGB X in Frage. In dem Urteil des LSG fehlen entsprechende Tatsachenfeststellungen. Dem Inhalt des in den Feststellungen des LSG enthaltenen Abhilfebescheides vom 31. Mai 1988 ist zu entnehmen, daß die Zahlung eines Teiles der Leistung für Jennifer Ines zutreffend als rückwirkende Zuschlagszahlung nach § 11a Abs 7 BKGG erfolgte; denn inzwischen - nach Ablauf des Kalenderjahres 1987 - war für eine Zahlung unter dem Vorbehalt nach § 11a Abs 8 BKGG kein Raum mehr. Entsprechend fehlt in dem Bescheid ein Vorbehalt der Rückforderung. Jedenfalls insoweit kommt ebenso wie zumindest von Januar bis März 1987 eine Erstattungsverpflichtung ausschließlich nach § 103 SGB X in Betracht. Wegen der besonderen Sachverhaltsgestaltung kann jedoch im vorliegenden Falle dahingestellt bleiben, welche Beträge die Beklagte nach § 103 und welche sie nach § 104 SGB X an die Beigeladene zu erstatten hatte; denn es liegen die sonstigen Erstattungsvoraussetzungen beider Vorschriften vor.

Voraussetzung für den Erstattungsanspruch der Beigeladenen gegenüber der Beklagten nach den vorgenannten Vorschriften ist, daß der Anspruch der Klägerin auf die Hilfe zum Lebensunterhalt (teilweise) entfallen und die Beklagte für die entsprechende Leistung zuständig geworden ist. Der Anspruch der Klägerin auf die gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des BSHG könnte entfallen sein, weil und soweit sie gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach § 11a BKGG erworben hatte. Voraussetzung hierfür wäre, daß die Leistungen nach § 11a BKGG auf die Hilfe zum Lebensunterhalt anzurechnen sind. Ob dies der Fall ist, ergibt sich, wie die Gerichte der Vorinstanz zutreffend untersucht haben, aus den Vorschriften der §§ 76, 77 BSHG. Der erkennende Senat ist, anders als diese Gerichte, der Auffassung, daß die Leistungen, welche die Beklagte rückwirkend gemäß § 11a BKGG erbrachte, anrechenbares Einkommen im Sinne dieser Vorschriften sind.

Zum Einkommen im Sinne des BSHG gehören nach § 76 Abs 1 des Gesetzes alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit den dort genannten Ausnahmen, welche im vorliegenden Rechtsstreit keine Rolle spielen. Da es sich bei den Leistungen nach § 11a BKGG um Geldleistungen handelt, sind sie demgemäß Einkommen iS von § 76 Abs 1 BSHG. Es kann dahingestellt bleiben, ob die in § 11a Abs 8 BKGG enthaltene Regelung der Vorschrift des § 11a Abs 7 BKGG lediglich als besondere Zahlungsbestimmung nachgeordnet und ob es Ziel dieser Vorschrift ist, die nach § 11a Abs 8 BKGG Berechtigten schon vorzeitig in den Genuß des Kindergeldzuschlages zu setzen, ohne ihnen bereits den Anspruch iS des § 11a Abs 7 BKGG zu gewähren, oder ob die Vorleistungsregelung in § 11a Abs 8 BKGG einen - nur unter Vorbehalt zu erfüllenden - eigenständigen Anspruch begründet. In jedem Falle ist die gemäß § 11a Abs 8 BKGG zu erbringende Leistung Einkommen iS von § 76 BSHG. Zwar wird die Zahlung an die Berechtigten unter der Bedingung gewährt, daß sich die zustehenden Kinderfreibeträge bei ihr und ihren Ehegatten voraussichtlich nicht auswirken werden. Diese (auflösende) Bedingung nimmt der Leistung nicht den Charakter von Einkommen. Sie ist dazu bestimmt, die ungünstige Unterhaltssituation der Berechtigten momentan zu verbessern. Für den Fall, daß sich die Prognose hinsichtlich der Auswirkung der Kinderfreibeträge als unzutreffend erweist, entfällt die Rückforderung und Rückzahlung der Leistung jedenfalls bei Empfängern von Leistungen nach dem BSHG, um die es hier allein geht. Es kommt dann lediglich eine Erstattung unter den Leistungsträgern in Frage. Für Berechtigte wirkt sich die bedingte Leistung nach § 11a Abs 8 BKGG nicht im Sinne der Schmälerung von Unterhaltsmitteln aus.

Die Gerichte der Vorinstanzen haben demgemäß zutreffend überprüft, ob die Anrechnung der Zahlungen nach § 11a Abs 8 BKGG evtl gemäß § 77 BSHG ausgeschlossen ist. Sie haben dies bejaht. Dieser Rechtsauffassung vermag der erkennende Senat jedoch nicht zu folgen. Nach § 77 Abs 1 BSHG setzt die Nichtberücksichtigung einer Leistung als anrechenbares Einkommen voraus, daß sie aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften gewährt wird, der Zweck, zu dem sie erbracht wird, ausdrücklich genannt ist und daß die geleistete Sozialhilfe nicht demselben Zweck dient. Außer Frage steht, daß die Zahlungen nach § 11a BKGG Leistungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften sind. Die Vorschrift dient einerseits dem Schutz des Empfängers der anderen öffentlich-rechtlichen Leistung: Soll mit ihr ein ausdrücklich genannter besonderer Bedarf gedeckt werden, dann darf dem Empfänger der Leistung diese Bedarfsdeckung nicht dadurch unmöglich gemacht werden, daß er durch Versagung der Sozialhilfe gezwungen wird, die andere Leistung ihrer Zweckbestimmung zuwider zu verwenden. Andererseits dient die Vorschrift dazu, Doppelleistungen aus öffentlichen Kassen für ein und denselben Zweck zu vermeiden (BVerwGE 45, 157; 69, 177). Dem Zweck des Gesetzes wird nur entsprochen, wenn in dem anderen jeweiligen Leistungsgesetz der Zweck der Leistung ausdrücklich genannt ist. Hieran fehlt es im vorliegenden Falle. Der Gesetzgeber hat in § 11a Abs 1 Satz 1 BKGG klargestellt, daß es bei der Zahlung des Zuschlages zum Kindergeld um eine Erhöhung des Kindergeldes geht. Der Kindergeldzuschlag ist ein rechtlich selbständiger Teil des Kindergeldes (Urteil des Senats SozR 5870 § 11a Nr 1). Zweck der Vorschrift ist demgemäß, einen zusätzlichen Beitrag zur Unterhaltssicherung von Familien mit Kindern zu leisten. Von dieser Zweckbestimmung wird auch die Leistung nach § 11a Abs 8 BKGG umfaßt. Sie soll helfen, die Mittel schnell und selbst dann zur Verfügung zu stellen, wenn noch nicht zweifelsfrei abzusehen ist, ob der Anspruch auf das erhöhte Kindergeld überhaupt entstehen wird.

Von diesem Zweck des § 11a BKGG ist die Motivationslage des Gesetzgebers und der Weg, welchen er zur Erreichung des vorgesetzten Zieles genommen hat, zu unterscheiden. Die Motive des Gesetzgebers ihrerseits geben, anders als das LSG angenommen hat, nicht den Zweck der Leistung wieder, sondern vielmehr die Beweggründe, welche den Gesetzgeber veranlaßt haben, den Anspruch auf die Leistung zu geben. Insoweit hat das LSG zutreffend dargelegt, daß der Gesetzgeber insbesondere denjenigen Kindergeldberechtigten helfen wollte, denen auf steuerrechtliche Weise kein angemessener Beitrag zum Familienunterhalt zukommt. Er hat dies, wie dargelegt, auf dem Wege über eine Erhöhung des Kindergeldes bewirkt. Der Kindergeldzuschlag und die rückforderbare Leistung nach § 11a Abs 8 BKGG dienen jedoch in gleicher Weise der Erhöhung des Kindergeldes und damit der Unterhaltssicherung von Familien mit Kindern. Eine andere Zwecksetzung ist weder ausdrücklich im Gesetz bestimmt noch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen.

Die Gerichte der Vorinstanz und die Beteiligten zweifeln nicht daran, daß das Kindergeld - und damit auch die Leistungen nach § 11a BKGG - demselben Zweck dienen wie die Hilfe zum Lebensunterhalt, welche die Beigeladene gezahlt hatte. Aus diesem Grunde darf die im vorliegenden Falle gewährte Leistung bei der Berechnung des Einkommens der Klägerin iS von § 76 BSHG nicht ausgenommen werden (wie hier BVerwG ZfSH/SGB 1986, 218/219; VG Kassel ZfSH/SGB 1988, 211 f; Piel, ZfSH/SGB 1986, 386, 389; vgl hierzu auch Giese ZfSH/SGB 1986, 159 ff, Urteil des BSG vom 9. November 1989 - 11 RAr 7/89 -, zur Veröffentlichung bestimmt; zum Kindergeldzuschlag: Urteil des OVG Lüneburg vom 28. September 1988 - 4 OVG A 8/87 - und Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 1. Februar 1990 - 12 A 88/89 -). Infolge der Anrechenbarkeit der Zahlungen ist der Anspruch auf Leistungen nach dem BSHG insoweit (nachträglich) entfallen und die Erstattungsverpflichtung der Beklagten gemäß §§ 103, 104 SGB X entstanden.

Nach alledem war die Beklagte verpflichtet, der Beigeladenen die fraglichen Leistungen in der Weise zu erstatten, wie dies in den angefochtenen Bescheiden vom 27. April 1987 und vom 31. Mai 1988, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 1988, festgelegt wurde. Die gegen diese Bescheide erhobene Klage ist demgemäß nicht begründet. Die entgegenstehenden Urteile der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und die Klage gegen die genannten Bescheide abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661184

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