Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 29.11.2000; Aktenzeichen L 3/5 KA 79/97)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 29. November 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat den Beklagten deren Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der als Vorsitzender eines Landesschiedsamtes tätig gewesene Kläger begehrt von den drei beklagten Gesamtvertragspartnern eine höhere Entschädigung für Barauslagen und Zeitverlust im Zusammenhang mit zwei in der Zeit zwischen 1993 und 1997 im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung des Landes Niedersachsen anhängig gewesenen Schiedsverfahren. Für seine Tätigkeit forderte der Kläger nach deren Abschluß für 90 bzw 70 Stunden Arbeitsaufwand à 250,– DM insgesamt 41.000,– DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Beklagten waren demgegenüber nach Zustandekommen einer neu geschlossenen Entschädigungsvereinbarung vom 23. Mai 1996 und nach Abstimmung mit dem beigeladenen Land zur Zahlung eines Betrages von je 2.000,– DM bereit. Die nach ergebnislosem Schriftwechsel erhobene Untätigkeitsklage des Klägers mit dem Antrag, den Betrag im Benehmen mit ihm durch Verwaltungsakt festzusetzen, hat das Sozialgericht als unzulässig abgewiesen, da ein Verwaltungsakt nicht ergehen müsse; dem Hilfsantrag auf Zahlung hat es nicht entsprochen, weil die getroffene Vereinbarung auch den Kläger binde und es hier nicht um die Vergütung wirtschaftlicher Erwerbstätigkeit gehe. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung, mit der der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2000 Zahlung von 47.150,– DM, hilfsweise 11.600,– DM, weiter hilfsweise Festsetzung der Entschädigung im Benehmen mit ihm begehrt hat, die Beklagte zu 2. als für die Geschäftsführung des Landesschiedsamtes zuständige Stelle zur Zahlung von 4.400,– DM nebst 4% Zinsen verurteilt. Es hat die Auffassung des Sozialgerichts (SG) zum fehlenden Bedürfnis nach einem Verwaltungsakt geteilt, die Entschädigungsvereinbarung als maßgebliche Rechtsgrundlage für die Ansprüche des Klägers angesehen sowie den genannten Betrag als für seine Tätigkeit in den Schiedsverfahren angemessen gehalten.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, mit der er in drei bezeichneten Fragen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Beschwerde ist unbegründet.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) ist die Revision nur zuzulassen, wenn eine von der Beschwerde hinreichend deutlich bezeichnete Rechtsfrage in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Hinsichtlich der ersten vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam angesehenen Frage, ob die sonstigen Auslagen und der für Zeitverlust an den Vorsitzenden eines Schiedsamtes zu zahlende Pauschbetrag im Benehmen mit dem Vorsitzenden gemäß § 10 Satz 1 der Schiedsamtsverordnung (SchiedsamtsVO) durch Verwaltungsakt festzusetzen sind, insbesondere dann, wenn kein Benehmen erzielt worden ist, fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit in dem angestrebten Revisionsverfahren. Da nach den in zweiter Instanz gestellten Anträgen nicht mehr um die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage iS von § 88 SGG gestritten wird, sondern der Kläger sein Begehren beziffert – mit seinem 2. Hilfsantrag unbeziffert – mit einer Leistungsklage verfolgt hat, kommt es auf die Frage des Verwaltungsaktscharakters der Pauschbetragfestsetzung nicht (mehr) an. Unabhängig davon, wie man abstrakt die Rechtsqualität der Festsetzung der Entschädigung beurteilt, ist für den Erfolg des Rechtsschutzbegehrens allein die Höhe der Vergütung entscheidend, so daß sich nur noch die Frage nach den Maßstäben für die Festsetzung stellen kann. Dieses gilt auch unter dem Blickwinkel des beim LSG gestellten zweiten Hilfsantrages des Klägers, der – wegen erfolgter Zahlungsangebote und Korrespondenz zwischen den Beteiligten – mangels vollstreckungsfähigen Inhalts schon unzulässig ist.

Zur Klärung der zweiten aufgeworfenen Frage, wie der Pauschbetrag für das Ehrenamt eines Schiedsamtsvorsitzenden zu bemessen ist, bedarf es ebenfalls nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, da diese Frage nicht klärungsbedürftig ist. Die Klärungsbedürftigkeit ist zu verneinen, wenn die Beantwortung der Rechtsfrage nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften bzw der dazu vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegen kann (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6 und § 160a Nr 21 S 38). So verhält es sich hier.

Rechtsgrundlage für den Entschädigungsanspruch des Klägers ist § 10 Satz 1 SchiedsamtsVO (iVm § 89 Abs 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫). Danach wird der „Pauschbetrag” für den Vorsitzenden eines Schiedsamtes für sonstige Barauslagen und für Zeitverlust von den beteiligten Körperschaften im Benehmen mit dem Vorsitzenden und mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde (§ 10 Satz 3 SchiedsamtsVO) festgesetzt, wobei sich der Anspruch gegen die für die Geschäftsführung eines Landesschiedsamtes zuständige Stelle richtet (§ 9 Satz 2 iVm § 10 Satz 2 SchiedsamtsVO). Auch wenn höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Vorschrift nicht ersichtlich ist, können die dafür maßgeblichen Bemessungsgrundsätze auch ohne Revisionsverfahren nicht zweifelhaft sein. Abweichend von der Rechtslage in anderen vergleichbaren Rechtsmaterien (vgl zB § 41 Viertes Buch Sozialgesetzbuch ≪Mitglieder von Selbstverwaltungsorganen der Sozialversicherung≫ iVm einem Beschluß der Vertreterversammlung; §§ 1 ff Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen; § 76 Abs 5 Elftes Buch Sozialgesetzbuch ≪Schiedsstellenmitglieder in der Pflegeversicherung≫, § 76a Abs 3 und 4 Betriebsverfassungsgesetz ≪Einigungsstellenmitglieder≫, beide iVm Ausführungsverordnungen), gibt § 10 SchiedsamtVO keinen Aufschluß über die konkrete Höhe der Entschädigung des Schiedsamtsvorsitzenden; die Vorschrift weist lediglich die Bestimmung bzw Festsetzung den sonst am Schiedsverfahren beteiligten Institutionen zu und macht dabei nur die Vorgabe eines Pauschbetrages. Immer dann aber, wenn eine Anspruchsgrundlage – wie hier – Einzelheiten über den Umfang einer bestimmten Leistung oder Gegenleistung nicht regelt, bestimmt sich deren Inhalt, wie aus § 315 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) folgt, nach billigem Ermessen. § 315 BGB ist auch heranzuziehen, wenn ein Gesetz einem Beteiligten ein nicht näher konkretisiertes Bestimmungsrecht zuweist (vgl Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl 2000, § 315 RdNr 4). Was insoweit wiederum billig und angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und ist der allgemeingültigen Präzisierung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich; eine Revisionszulassung setzt andererseits voraus, daß die Rechtssache derart bedeutsam ist, daß sie über den zu entscheidenden Einzelfall hinausgeht. Letztlich hat sich auch das LSG von der Geltung der Grundsätze des § 315 BGB leiten lassen, weil es in seinem Urteil unter detaillierter Auswertung der Aufgabenstellung und des Verlaufs der Schiedsverfahren zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die dem Kläger zuerkannte Vergütung – auch vor dem Hintergrund der getroffenen Entschädigungsvereinbarung – angemessen sei.

Offensichtlich ist indessen, daß die Grundsätze, die der Senat in seinem vom Kläger zur Untermauerung der Beschwerde in Bezug genommenen Urteil vom 24. Juni 2000 für die Vergütung von Vorstandsmitgliedern der Kassenärztlichen Vereinigungen aufgestellt hat (BSGE 86, 203, 209 ff = SozR 3-2500 § 80 Nr 4 S 35 ff), auf die Vorsitzenden von Schiedsämtern nicht übertragbar sind. Zum einen betraf der Streitgegenstand im genannten Revisionsverfahren die Klage der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) gegen eine ministerielle Aufsichtsverfügung, die die Beanstandung der Entschädigungsordnung einer Körperschaft zum Gegenstand hatte, so daß ein ganz anderer gerichtlicher Überprüfungsmaßstab zur Anwendung gelangte. Zum anderen sind die Unterschiede zwischen der Tätigkeit des Vorstandsvorsitzenden einer KÄV und der Tätigkeit eines Schiedsamtsvorsitzenden von Funktion und Einbindung in das Ehrenamt her so offenkundig, daß eine Orientierung der Entschädigung an hauptamtlicher Erwerbstätigkeit bei der Schiedsamtstätigkeit nach § 89 Abs 1 und Abs 1a SGB V ausscheiden muß.

Aus den vorstehenden Ausführungen beantwortet sich ebenfalls die dritte vom Kläger zur Überprüfung durch den Senat gestellten Rechtsfrage, ob bei der Bestimmung des Pauschbetrages für sonstige Barauslagen und Zeitverlust iS von § 10 Satz 1 SchiedsamtsVO konkret ermittelt werden muß, welcher Zeitverlust und welche sonstigen Barauslagen für den Vorsitzenden eines Schiedsamts entstehen. Auch für die Beantwortung dieser Frage bedarf es daher keiner Durchführung eines Revisionsverfahrens. Wenn sich nämlich die Höhe der Entschädigung des Schiedsamtsvorsitzenden nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls richtet, ist jede Festsetzung von Entschädigung ermessensfehlerfrei und rechtmäßig, die auf sachlichen Erwägungen beruht. Für die Festlegung der Höhe kommt – unter der Voraussetzung, daß sie in einem „Pauschbetrag” erfolgt – zB eine Orientierung an den Zeit- und Vermögenseinbußen eines Schiedsamtsvorsitzenden in Betracht; es unterläge aber im Rahmen gerichtlicher Überprüfung auch keiner Beanstandung, im Interesse einer Gleichbehandlung und Typisierung verallgemeinerte, ermessensbindende Regelungen vorzusehen, solange diese das Maß des Angemessenen nicht grob unterschreiten. Für letzteres ist im Beschwerdeverfahren nichts geltend gemacht worden oder ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175807

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