Leitsatz (redaktionell)

1. Der Revisionsgrund der Divergenz (SGG § 160 Abs 2 Nr 2) kann anstelle des Revisionsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (SGG § 160 Abs 2 Nr 1) entstehen, wenn vor der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde vom Großen Senat des BSG über die grundsätzliche Rechtsfrage neu entschieden wird.

2. Der Zulassung der Revision steht in einem solchen Fall nicht entgegen, daß in der Beschwerdebegründung eine Divergenz noch nicht als Revisionszulassungsgrund bezeichnet werden konnte.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 Fassung: 1974-07-30, Nr. 1 Fassung: 1974-07-30, § 160a Abs. 2 S. 3 Fassung: 1974-07-30

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. August 1976 wird zugelassen.

 

Gründe

Die Revision war zuzulassen.

Die Beklagte hat in ihrer Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht: Der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen einer Versicherten, die täglich 6 Stunden leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten könne, Versichertenrente zu gewähren sei, komme wieder grundsätzliche Bedeutung zu, wie die erneute Anrufung des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) im Zusammenhang mit dessen Beschlüssen vom 11. Dezember 1969 zeige (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160 a Abs. 2 Satz 3 SGG).

In der Sache ist umstritten, ob der Teilzeitarbeitsmarkt für die Klägerin, die nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) noch halb- bis unter vollschichtig leichte Frauenarbeiten verrichten kann, als verschlossen anzusehen ist.

Nach Ablauf der Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Große Senat des BSG über die von der Beklagten angeführten Vorlagen am 10. Dezember 1976 entschieden. Danach hat die Rechtsfrage jetzt zwar keine grundsätzliche Bedeutung mehr; jedoch stimmt nun die Entscheidung des LSG nicht mit der des Großen Senats überein, die für alle noch nicht rechtskräftig entschiedenen Streitsachen der Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit von nur zu Teilzeitarbeit fähigen Versicherten Bedeutung hat. Insofern besteht nun eine Divergenz zwischen der Entscheidung des LSG und der des Großen Senats; denn der Große Senat hat seine Entscheidungssätze der Beschlüsse vom 11. Dezember 1969 nicht aufrechterhalten. Er hat ua entschieden, daß einem aus gesundheitlichen Gründen nur zu Teilzeitarbeit fähigen Versicherten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist, wenn ihm innerhalb eines Jahres seit Stellung des Rentenantrags nicht ein für ihn in Betracht kommender Arbeitsplatz angeboten wird.

Daß die Beklagte in der Beschwerdebegründung noch nicht eine Divergenz als Revisionszulassungsgrund bezeichnen konnte, steht der Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 nicht entgegen (vgl. BFHE 112, 342 mit weiteren Hinweisen; BFH vom 29. Juli 1976 in Der Betriebsberater 1976, 1301); denn die Revisionszulassungsgründe wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und wegen Divergenz dienen gemeinsam dem Ziel, die Rechtseinheit zu wahren (vgl. auch die Entscheidung des Senats vom 15. Dezember 1976 = 4 BJ 1/76).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662827

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