Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Verfahrensmangel ist nicht bezeichnet iS SGG § 160a Abs 2 S 3, wenn der Beschwerdeführer die Verletzung einer landesrechtlichen Verfahrensvorschrift rügt (Fortführung von BSG 1975-10-15 11 BA 88/75 = SozR 1500 § 160 Nr 10).

2. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist durch einen vom Beschwerdeführer persönlich verfaßten und unterzeichneten Schriftsatz, auch wenn er von dem Prozeßbevollmächtigten eingereicht und zum Gegenstand seines Vorbringens erklärt wird, jedenfalls dann nicht ordnungsgemäß begründet, wenn der Streitstoff von dem Prozeßbevollmächtigten selbst ersichtlich nicht überprüft worden ist.

 

Orientierungssatz

Die Nachprüfung einer Entscheidung des Berufungsgerichts auf sachliche "Richtigkeit" kann nicht Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde sein (vergleiche BSG 1975-06-26 12 BJ 12/75 = SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10). Angebliche Fehler der allein dem Tatsachengericht obliegenden Beweiswürdigung können nicht als Verfahrensmängel geltend gemacht werden.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 160a Abs. 2 S. 3, §§ 166, 128 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 14.11.1980; Aktenzeichen L 1 An 91/79)

SG Berlin (Entscheidung vom 14.03.1979; Aktenzeichen S 1 An 2702/78)

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin vom 14. November 1980 ist unzulässig.

Auf die Beschwerde ist die Revision zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder (2.) das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, wobei der geltend gemachte Verfahrensmangel ua nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 SGG). In der Begründung der Beschwerde muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde des Klägers nicht.

Das gilt zunächst für sein Vorbringen, in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 14. November 1980 habe entgegen landesrechtlichen Bestimmungen als Protokollführerin eine Verwaltungsangestellte und nicht eine Beamtin fungiert. Der Kläger will hiermit ersichtlich einen Verfahrensmangel im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend machen. Der Beschwerdeführer kommt jedoch seiner Obliegenheit zur "Bezeichnung" des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) nicht dadurch nach, daß er die Verletzung einer landesrechtlichen Verfahrensvorschrift rügt. Als ein die Zulassung der Revision rechtfertigender Verfahrensmangel kommt von vornherein nur die Verletzung einer revisiblen Verfahrensvorschrift in Betracht. Nur unter dieser Voraussetzung ist entsprechend dem Sinn der Nichtzulassungsbeschwerde die Gewähr dafür gegeben, daß nach Zulassung der Revision das BSG auch sachlich über die Begründetheit der Verfahrensrüge entscheiden kann (vgl zu diesem Gesichtspunkt auch Beschluß des Senats vom 25. Juni 1980 - 1 BA 23/80 -). Eine sachliche Entscheidung über die Rüge einer Verletzung landesrechtlicher Verfahrensvorschriften ist ihm versagt. Revisibel ist allein Bundesrecht oder eine sonstige im Bezirk des Berufungsgerichts geltende Vorschrift, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt (§ 162 SGG). Demzufolge hat das BSG bereits entschieden, daß eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nicht dargetan ist, wenn die Beschwerdebegründung eine Frage irrevisiblen Rechts als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet (BSG SozR 1500 § 160 Nr 10 S 9). Entsprechendes muß im Rahmen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG gelten mit der Folge, daß mit dem Vorbringen, das LSG habe eine landesrechtliche Verfahrensvorschrift verletzt, ein Verfahrensmangel entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht bezeichnet worden ist.

Das weitere Beschwerdevorbringen ist unbeachtlich. Die Prozeßbevollmächtigten des Klägers haben sich insoweit darauf beschränkt, dem BSG die Fotokopie eines vom Kläger persönlich abgefaßten und unterzeichneten Schreibens mit der Anmerkung zu übersenden, sie machten dessen Inhalt zum Gegenstand ihres Vorbringens. Diese Art des Vorgehens widerspricht dem § 166 SGG. Hiernach müssen sich die Beteiligten vor dem BSG durch zugelassene Prozeßbevollmächtigte vertreten lassen. Das gilt ebenso wie für die Einlegung und Begründung der Revision auch für die Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde. Hinsichtlich der Revisionsbegründung entspricht es ständiger Rechtsprechung des BSG, daß der Begründungszwang die sorgfältige Vorbereitung des Verfahrens gewährleisten und den Prozeßbevollmächtigten anhalten soll, vor Einlegung der Revision die Rechtslage gewissenhaft zu prüfen und unter Umständen von aussichtslosen Revisionen abzusehen. Demgemäß muß die von dem postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnete Revisionsbegründung aus sich heraus erkennen lassen, daß er den Prozeßstoff überprüft hat und die volle eigene Verantwortung für den Inhalt der Revisionsbegründung übernimmt. Zum Nachweis hierfür genügen die bloße Einreichung einer von dem nicht postulationsfähigen Revisionskläger gefertigten Revisionsbegründung und die Erklärung, hierauf werde Bezug genommen oder verwiesen, nicht (vgl zu alledem BSG SozR Nr 3 zu § 166 SGG; Nrn 27, 46, 49 zu § 164 SGG; BSGE 6, 269, 270; 7, 35, 39; ferner BSG SozR 1500 § 164 Nr 4; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Rechtsprechung vgl BVerfG SozR 1500 § 164 Nr 17 S 29). Das muß insbesondere dann gelten, wenn die Ausführungen des Revisionsklägers vom juristischen und insbesondere vom revisionsrechtlichen Standpunkt aus abwegig oder unhaltbar sind. In diesem Falle kann selbst dann, wenn der Prozeßbevollmächtigte sich diese Ausführungen ausdrücklich zu eigen macht, nicht davon ausgegangen werden, daß er selbst den Prozeßstoff überprüft hat (vgl BVerwGE 22, 38, 40).

Diese Erwägungen müssen entsprechend für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gelten. Sie dient der Eröffnung der Revisionsinstanz, sofern nicht bereits das LSG die Revision zugelassen hat. Insbesondere nach Einführung der reinen Zulassungsrevision durch das am 1. Januar 1975 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 30. Juli 1974 (BGBl I S 1625) soll die Revision nur noch unter den abschließend aufgezählten Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG zulässig sein. Die Darlegung dieser Voraussetzungen erfordert juristische Sachkunde und speziell eine detaillierte Kenntnis des für den Bereich der Sozialgerichtsbarkeit maßgebenden materiellen und Verfahrensrechts und der dazu ergangenen Rechtsprechung. Demgemäß sind auch die Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde von dem für das Verfahren vor dem BSG geltenden Vertretungszwang (§ 166 Abs 1 SGG) nicht ausgenommen. Damit muß die Beschwerdebegründung, soll sie den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügen, erkennen lassen, daß der Streitstoff von dem postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten selbst überprüft und vor allem daraufhin untersucht worden ist, ob einer der Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 SGG gegeben ist. Hiervon kann nicht die Rede sein, wenn der Prozeßbevollmächtigte die Ausführungen in einer vom Beschwerdeführer persönlich verfaßten Beschwerdebegründung zwar zum Gegenstand seines Vorbringens macht, die Beschwerdebegründung selbst aber erkennen läßt, daß dem Verfasser Wesen und Funktion der Nichtzulassungsbeschwerde ersichtlich nicht bekannt sind.

So liegt der Fall hier. In dem von seinen Bevollmächtigten an den Senat weitergeleiteten Schreiben vom 14. März 1981 setzt sich der Kläger ausführlich mit der Sachentscheidung des LSG auseinander und versucht darzulegen, daß und aus welchen Gründen die von ihm behaupteten weiteren Versicherungszeiten entgegen der Absicht des Berufungsgerichts bei der Berechnung seines Altersruhegeldes berücksichtigt werden müssen. Er hat dabei ersichtlich verkannt, daß die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf seine sachliche "Richtigkeit" nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10) und angebliche Fehler der allein dem Tatsachengericht obliegenden Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) nicht als Verfahrensmängel geltend gemacht werden können (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Zulassungsgründe im Sinne des § 160 Abs 2 SGG sind dem Schriftsatz vom 14. März 1981 nicht zu entnehmen. Bei dieser Sachlage kann nicht angenommen werden, daß die Prozeßbevollmächtigten des Klägers den Prozeßstoff überprüft und sich erst aufgrund des Ergebnisses einer solchen Überprüfung die Ausführungen des Klägers zu eigen gemacht haben. Damit fehlt es an einer prozeßordnungsgemäßen Begründung der Beschwerde.

Sie ist nach alledem als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Breith. 1982, 260

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