Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 11.06.2021; Aktenzeichen L 21 R 237/20)

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 24.01.2020; Aktenzeichen S 49 R 19/19)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Juni 2021 - L 21 R 237/20 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

 

Gründe

I

Der Kläger ist 1933 geboren und algerischer Staatsangehöriger. Er arbeitete von Februar 1959 bis November 1973 in Deutschland als Schweißer und war bei der damaligen Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz (LVA) rentenversichert. Aus Anlass seiner Rückkehr nach Algerien beantragte er am 7.12.1973 die Erstattung seiner zur Rentenversicherung gezahlten Beiträge. Die LVA gab dem Antrag des Klägers mit Bescheid vom 10.5.1976 statt und setzte die zu erstattenden Beiträge auf 13 901,76 DM fest. Zudem wies sie in den Erläuterungen zu diesem Bescheid darauf hin, dass die Erstattung der Beiträge weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten ausschließe. Die Rechtsbehelfe des Klägers, der den Erstattungsbetrag als viel zu niedrig ansah, hatten keinen Erfolg (Urteil des SG Düsseldorf vom 30.11.1979 - S 10 ≪11≫ J 167/78).

Im Juli 1998 forderte der Kläger die Zahlung einer Rente. Diesen Antrag lehnte die LVA ab, weil dem Kläger die zur Rentenversicherung gezahlten Beiträge erstattet worden seien (Bescheid vom 18.9.1998). Auch die Rechtsbehelfe gegen diese Entscheidung blieben ohne Erfolg; entsprechende Klagen vor dem SG Düsseldorf (S 5 RJ 7/03 bzw S 49 ≪15≫ R 110/17) nahm der Kläger zurück.

Am 25.1.2018 erhob der Kläger erneut vor dem SG Düsseldorf eine Klage auf Zahlung des vollen Betrags einer Rente aus seinen Arbeitsjahren in Deutschland vom 11.2.1959 bis zum 30.11.1973. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.1.2020). Sie sei bereits unzulässig, in jedem Fall aber auch in der Sache nicht begründet, weil die zutreffend erfolgte Beitragserstattung das Versicherungsverhältnis aufgelöst habe. Nach dem Monat November 1973 habe der Kläger in Deutschland keine Beiträge zur Rentenversicherung mehr geleistet. Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 11.6.2021). Das Urteil des LSG wurde dem Kläger mit Einschreiben/Rückschein nach Algerien übermittelt. Ein Rückschein ist nicht zu den Akten gelangt.

Mit Schreiben vom 13.11.2021 hat der Kläger einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) gestellt und um Beiordnung eines Rechtsanwalts gebeten. Am 27.1.2022 ist eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beim BSG eingegangen, in der sämtliche Fragen mit "nein" beantwortet wurden.

II

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen.

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann PKH für ein Verfahren vor dem BSG nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier nicht der Fall.

Gegen das Urteil des LSG vom 11.6.2021 kommt als Rechtsmittel nur eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 160a SGG) in Betracht. Auf eine solche Beschwerde ist die Revision nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),

- das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

Es ist nicht erkennbar, dass sich in der Sache des Klägers Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen könnten. Die Rechtsfolge, dass mit einer vorgenommenen Beitragserstattung das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst wird und Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nicht mehr bestehen, ergibt sich klar aus dem Gesetz (vgl § 210 Abs 6 Satz 2 und 3 SGB VI). Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass das LSG in seinem Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG abgewichen wäre.

Offenbleiben kann, ob die Auskunft des LSG im Berufungsverfahren, das Gericht könne keinen Rechtsanwalt für den Kläger beauftragen (Antwort vom 11.2.2021 auf das Schreiben des Klägers vom 20.1.2021), den Hinweispflichten des Gerichts nach § 106 Abs 1 SGG in jeder Hinsicht entsprach. Selbst wenn darin ein Verfahrensmangel zu sehen wäre, könnte das hier nicht zur Bewilligung von PKH führen. Bei der Prüfung, ob PKH für eine Nichtzulassungsbeschwerde zusteht, ist die hinreichende Erfolgsaussicht nicht allein danach zu beurteilen, ob die Beschwerde - etwa aufgrund Missachtung einer Verfahrensvorschrift - Erfolg haben kann. PKH ist auch dann zu versagen, wenn der Antragsteller in der Sache letztlich nicht erreichen kann, was er mit dem Prozess erreichen will, wenn die Revision also im Falle ihrer Zulassung nicht zum Erfolg führen kann oder der Antragsteller selbst nach einer Zurückverweisung der Sache an das LSG unterliegen muss (stRspr; vgl ua BSG Beschluss vom 26.10.1994 - 8 BH ≪Kn≫ 1/94 - SozR 3-6610 Art 5 Nr 1 S 2; BSG Beschluss vom 20.12.2016 - B 5 R 218/16 B - juris RdNr 4; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 13.7.2005 - 1 BvR 1041/05 - SozR 4-1500 § 73a Nr 3 RdNr 10 f). PKH hat nicht den Zweck, Bedürftigen die Durchführung von Verfahren auf Staatskosten zu ermöglichen, die im Ergebnis nicht zu ihrem Vorteil ausgehen können und die ein vernünftig abwägender Rechtsuchender, dem entsprechende Mittel zur Verfügung stehen, auf eigene Kosten nicht führen würde.

Auf dieser Grundlage kann dem Kläger PKH für ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht bewilligt werden. Seine Klage auf Gewährung einer Rente trotz erfolgter Beitragserstattung kann letztlich keinen Erfolg haben. Der Ausschluss von Versicherungsleistungen nach Erstattung der gezahlten Beiträge ist eine zwingende Folge des auch der gesetzlichen Rentenversicherung zugrunde liegenden Versicherungsprinzips. Anspruch auf eine Altersrente haben nach den §§ 35 bis 38 SGB VI nur "Versicherte". Eine Beitragserstattung führt zur Auflösung des bis dahin begründeten Versicherungsverhältnisses (§ 210 Abs 6 Satz 2 SGB VI). Aufgrund der im Jahr 1976 auf seinen Antrag hin durchgeführten Beitragserstattung ist der Kläger seitdem nicht mehr Versicherter in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. An diesen Folgen seiner damaligen Entscheidung muss sich der Kläger festhalten lassen.

Da dem Kläger mithin PKH nicht zusteht, entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

Düring                                              Hannes                                                    Gasser

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15225274

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