Verfahrensgang

Hessisches LSG (Beschluss vom 16.01.2018; Aktenzeichen L 9 U 181/17)

SG Darmstadt (Entscheidung vom 27.10.2017; Aktenzeichen S 3 U 107/17)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 16. Januar 2018 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin M. aus F. beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Mit vorbezeichnetem Beschluss hat das Hessische LSG die Wiederaufnahmeklage des Klägers gegen den urteilsersetzenden Beschluss vom 11.2.2016 als unzulässig verworfen und damit gleichzeitig die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens L 9 U 2/15 abgelehnt, in dem die Rücknahme des Bescheides vom 25.7.1988 und des Widerspruchsbescheides vom 7.11.1988 sowie die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen eines im Oktober 1977 erlittenen Arbeitsunfalls im sechsten Zugunstenverfahren verneint worden war.

Das Amtsgericht Darmstadt (Geschäftsnummer 506 XVII 209/16) hat am 25.8.2016 Frau ... A., D., zur Betreuerin des Klägers bestellt. Ihr Aufgabenkreis, in dem sie den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich vertritt, umfasst ua die Vermögenssorge, Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten sowie die Vertretung gegenüber Renten-, Pflege- und Krankenkassen. Der Betreuungsbeschluss beruht auf einem fachpsychiatrischem Sachverständigengutachten der Fachärztin für Psychiatrie D. vom 14.8.2016. Danach liegt beim Kläger diagnostisch eine seelische Behinderung im Sinne einer hirnorganischen Beeinträchtigung bei multimorbidem Krankheitsbild (Zustand nach Schlaganfällen und einer langjährigen chronifizierten Depression) mit einer Tendenz zur weiteren deutlichen Verschlechterung vor. Aufgrund dieser Erkrankung kann der Kläger weder einen freien Willen bilden noch seine Lebensentscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig machen.

Nachdem das LSG der Betreuerin des Klägers den angefochtenen Beschluss vom 16.1.2018 am 18.1.2018 zugestellt hatte, hat der Kläger dagegen am 12.3.2018 privatschriftlich "Nichtzulassungsbeschwerde" eingelegt "sowie Bewilligung der PKH und Beiordnung der Rechtsanwältin M., F." beantragt. Auf Nachfrage des Senats hat die Betreuerin mit Antwortschreiben vom 22.5.2018 das Sachverständigengutachten der Fachärztin für Psychiatrie D. vom 14.8.2016 übersandt und mitgeteilt, sie unterstütze den Kläger ua in administrativen Angelegenheiten, kenne den PKH-Antrag und habe Rechtsanwältin ... M. kontaktiert.

II

Der Antrag des Klägers "auf Bewilligung der PKH und Beiordnung der Rechtsanwältin ... M." ist abzulehnen, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1, § 121 Abs 1 ZPO). Dabei braucht der Senat nicht näher darauf einzugehen, ob das PKH-Gesuch im Zeitpunkt der Antragstellung wegen Prozessunfähigkeit des Klägers (§ 71 Abs 2 SGG iVm § 104 Nr 2, § 105 BGB) schwebend unwirksam gewesen ist, weil seine Betreuerin diese Prozesshandlung durch Schreiben vom 22.5.2018 mit heilender (Rück-)Wirkung zumindest konkludent genehmigt hat (zur nachträglichen Genehmigungsmöglichkeit schwebend unwirksamer Prozesshandlungen vgl BSG Urteile vom 21.6.2001 - B 13 RJ 5/01 R - Juris RdNr 21 und vom 24.3.1971 - 6 RKa 16/70 - BSGE 32, 253 = SozR Nr 17 zu § 73 SGG).

1. Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), der angefochtene Beschluss von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder aufgezeigt worden noch nach Durchsicht der Akten aufgrund der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung des Streitstoffs zu erblicken. Dagegen ist eine allgemeine Überprüfung des vorinstanzlichen Beschlusses in dem Sinne, ob das LSG unter Würdigung der Angaben des Klägers richtig entschieden hat, im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft. Es ist nicht erkennbar, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen.

a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder die Frage bereits höchstrichterlich entschieden ist (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70). Rechtsfragen, die in diesem Sinne grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind nicht erkennbar.

b) Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

c) Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass das LSG verfahrensfehlerhaft ein Prozessurteil erlassen haben könnte, anstatt eine Sachentscheidung zu treffen (vgl dazu BSG Urteil vom 6.3.1975 - 7 RAr 114/74 - BSGE 39, 200, 201 = SozR 1500 § 144 Nr 3 S 8 und Beschluss vom 28.11.2007 - B 11a/7a AL 34/07 B - SozR 4-1500 § 151 Nr 3 RdNr 10). Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger einen der in § 179 SGG iVm §§ 579, 580 ZPO genannten Wiederaufnahmegründe schlüssig dargelegt hat und die Wiederaufnahmeklage deshalb zulässig sein könnte. Vor allem ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers weder, dass ein Nichtigkeitsgrund iS des § 579 Abs 1 Nr 1 bis 4 ZPO vorliegen könnte, noch, dass er die eventuelle Nichtigkeit in den Fällen der Nr 1 und 3 nicht im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen konnte (§ 579 Abs 2 ZPO). Ferner ist nicht erkennbar, dass in dem Berufungsverfahren L 3 U 14/12 eine spätestens im Zeitpunkt der dortigen mündlichen Verhandlung errichtete, aber erst später aufgefundene Urkunde nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt worden ist (§ 580 Abs 1 Nr 7b ZPO).

Da dem Kläger somit keine PKH zu bewilligen ist, hat er nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO auch keinen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts. Es kann folglich offenbleiben, ob PKH auch deshalb zu versagen ist, weil die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erst nach Ablauf der einmonatigen Beschwerdefrist eingereicht worden ist (vgl zu diesem Erfordernis BSG SozR 1750 § 117 Nr 1, 3 und 4).

2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen LSG vom 16.1.2018 - L 9 U 181/17 - ist unzulässig. Der Kläger konnte, worauf er in der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich hingewiesen worden ist, die Beschwerde (und sonstige Rechtschutzgesuche) wirksam nur durch zugelassene Prozessbevollmächtigte (§ 73 Abs 4 SGG) einlegen lassen.

Die somit nicht formgerecht eingelegte Beschwerde und die sonstigen Rechtschutzgesuche des Klägers sind daher als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI12151540

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