Orientierungssatz

Es wird beim 6. Senat des BSG angefragt, ob er an der in den Urteilen vom 16.1.1991 - 6 RKa 10/90 = BSGE 68, 97 = SozR 3-2500 § 106 Nr 4 und vom 31.7.1991 - 6 RKa 18/90 = SozR 3-2500 § 106 Nr 7 vertretenen Ansicht festhält, daß ein gegen den Kassen(zahn)arzt gerichteter Prüfungsanspruch gemäß § 196 BGB der Verjährung unterliegt, und an der im Urteil vom 26.3.1976 - 6 RKa 18/75 = BSGE 41, 275 = SozR 5548 § 3 Nr 2 vertretenen Ansicht, daß der Prüfungsantrag hinsichtlich der Einbeziehung früherer Quartale auch dann mit dem Zugang bei der Prüfungseinrichtung gestellt ist, wenn der Kassen(zahn)arzt von der Antragstellung nicht "demnächst" benachrichtigt wird.

 

Normenkette

BGB §§ 196, 198; RVO § 368n Abs 5; SGB 5 § 106 Abs 5

 

Tatbestand

In der dem 14a Senat vorliegenden Revisionssache 14a/6 RKa 37/91 ist streitig, ob der vom RVO-Prüfungsausschuß erlassene Bescheid über die Kürzung der Honorare des Klägers für die Quartale 1/1977 bis II/1978 ohne das Quartal IV/1977 wegen Verjährung und aus anderen Gründen rechtswidrig war, und ob der beklagte Beschwerdeausschuß die Beschwerde des Klägers zu Recht zurückgewiesen hat.

Der Kläger nimmt als Mitglied der Beigeladenen zu 1) an der kassenzahnärztlichen Versorgung teil. Die Beigeladene zu 2) beantragte am 20. März 1979 eine Überprüfung der Honorarabrechnungen des Klägers für die Quartale I/1977 bis II/1978. Der entsprechende Antrag wurde dem Kläger Anfang Oktober 1979 übersandt; die Beigeladene zu 2) begründete ihren Antrag im August 1980.

Mit Beschluß vom 29. September 1982 kürzte der RVO-Prüfungsausschuß die Honorarforderungen für die genannten Quartale mit Ausnahme des Quartals IV/1977. Der Kürzung lag, soweit sie im Revisionsverfahren noch streitig ist, zum einen eine Umwandlung der jeweils zweifach nach Ziffer Ä 935a Bewertungsmaßstab für kassenzahnärztliche Leistungen (Bema) abgerechneten Leistungen in eine einmalige Abrechnung nach Ziffer Ä 935b in den Fällen zugrunde, in denen Panoramaaufnahmen des Ober- und Unterkiefers in einer Sitzung erstellt worden waren; zum anderen kürzte der Prüfungsausschuß alle im Zusammenhang mit prothetischen Maßnahmen erbrachten Leistungen nach Ziffer 25 Bema mit der Begründung, diese seien unrichtig abgerechnet bzw unwirtschaftlich gewesen. Auf die Beschwerde des Klägers hielt der Beklagte die Kürzung der Honorarforderungen im wesentlichen aufrecht (Beschluß des Beklagten vom 5. März 1986).

Das Sozialgericht (SG) hat den Beschluß des Beklagten und den zugrundeliegenden Beschluß des Prüfungsausschusses insoweit aufgehoben, als die Honorarkürzung auf die jeweils zweifache Abrechnung nach Ziffer Ä 935a Bema gestützt worden war; soweit die Honorarkürzung die Abrechnung nach Ziff 25 Bema betraf, hat das SG den Beschluß der Beklagten aufgehoben und diesen verurteilt, erneut über die Beschwerde zu entscheiden (Urteil vom 12. Juli 1990). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG insoweit geändert, als es den Beschluß des Beklagten aufgehoben hat, soweit dieser die auf Ziffer 25 Bema gestützte Honorarkürzung betraf, und den Beklagten insoweit zur Neubescheidung verurteilt; die weitergehende Klage hat es abgewiesen (Urteil vom 24. April 1991).

Mit der Revision rügt der Kläger, das LSG sei hinsichtlich der Verjährung von Prüfungs- bzw Honorarrückforderungsansprüchen von der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Januar 1991 (6 RKa 10/90) abgewichen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat beabsichtigt, den Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen, damit das LSG klärt, für welche Quartale der Krankenkasse (KK) die Abrechnungsunterlagen in dem Zeitpunkt vorlagen, in dem der Prüfungsantrag dem Kläger Anfang Oktober 1979 bekanntgegeben wurde.

1. Der Senat sieht sich hieran in Ansehung des § 41 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) idF durch Gesetz vom 17. Dezember 1990 durch die in der Beschlußformel bezeichneten Urteile des 6. Senats gehindert. Die Entscheidungen zur Verjährung sind zwar zum Kassenzahnarztrecht ergangen und der erkennende 14a-Senat ist für dieses Rechtsgebiet allein zuständig. Die in der Formel gekennzeichneten beiden Rechtsfragen können jedoch für das Kassenarztrecht und das Kassenzahnarztrecht nicht unterschiedlich beantwortet werden. Da der 6. Senat für das Kassenarztrecht weiterhin zuständig ist, kann er trotz der Änderung der Geschäftsverteilung auch weiterhin mit dieser Rechtsfrage befaßt werden (§ 41 Abs 2 Satz 2 SGG).

2. Der Senat hält die Fragen für entscheidungserheblich, (1) ob ein gegen den Kassen(zahn)arzt gerichteter Prüfungsanspruch der Verjährung unterliegt, und (2) ob der Prüfungsantrag hinsichtlich der Einbeziehung früherer Quartale auch dann mit dem Zugang bei der Prüfungseinrichtung gestellt ist, wenn der Kassen(zahn)arzt von der Antragstellung nicht "demnächst" benachrichtigt wird.

Würde der Senat zur Verjährung der in den angeführten Urteilen des 6. Senats geäußerten Rechtsauffassung folgen, so müßte er die Bescheide des Prüfungsausschusses und des Beschwerdeausschusses wegen Verjährung des Prüfungsanspruches aufheben, also der Revision des Klägers in vollem Umfang entsprechen.

Würde der 6. Senat seine Entscheidungen zur Verjährung aufgeben, so würde der beabsichtigten Rückverweisung die Rechtsauffassung des 6. Senats entgegenstehen, daß der Zugang des Prüfungsantrags beim Prüfungsausschuß auch dann für die Bestimmung der letzten 8 Quartale maßgebend ist, wenn der Antrag dem Kassenzahnarzt nicht demnächst mitgeteilt wird.

Das rechtfertigt es, diese Frage (vorsorglich) in die Anfrage einzubeziehen. Überdies sind beide Fragen nach Auffassung des anfragenden Senats auch in der Weise inhaltlich verbunden, daß nur bei der beabsichtigten strengeren Handhabung der für die Einbeziehung früherer Quartale geltenden Fristbestimmung auf eine (analoge) Anwendung der vom 6. Senat herangezogenen Verjährungsbestimmungen verzichtet werden kann, um überhaupt zu einer zeitlichen Begrenzung des Verfahrens vor dem Prüfungsausschuß zu gelangen.

3. Die Entscheidungserheblichkeit der Fragen entfällt auch nicht unter dem Gesichtspunkt, daß dem Revisionsbegehren aus anderen Gründen stattzugeben ist. Zwar rügt die Revision auch, der Beklagte habe Ermessens- oder Beurteilungsspielräume überschritten, bzw die gegebene Begründung lasse nicht erkennen, daß diese Spielräume eingehalten worden seien. Dies läßt jedoch - nach der ständigen Rechtsprechung des 6. Senats (BSG Urteil vom 31. Juli 1991 SozR 3-2500 § 106 Nr 6 und BSG Beschluß vom 27. März 1991 - 6 BKa 54/90), der sich der Senat anschließen will - nur eine Aufhebung des Bescheides des beklagten Beschwerdeausschusses und dessen Verurteilung zur Neubescheidung zu. Als Grund für die von der Revision primär angestrebte Aufhebung auch des Prüfbescheides und damit die Beendigung des Prüfverfahrens kommt neben der von den Senaten unterschiedlich beurteilten Verjährung nur in Betracht (a) ein Verstoß gegen Zuständigkeitsvorschriften, da beide Kürzungskomplexe den Gebührenansatz berühren und (b) eine Verletzung des durch § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gebotenen Vertrauensschutzes hinsichtlich des Honorarbescheides. Der Prüfbescheid ist indes unter keinem der genannten Gesichtspunkte rechtswidrig, so daß die Frage der Verjährung nicht offen bleiben kann.

4. Unter Zugrundelegung der in der Beschlußformel bezeichneten Urteile des 6. Senats vom 16. Januar 1991 und 31. Juli 1991 wäre der "Prüfungsanspruch" (eine Bezeichnung, auf die noch einzugehen ist) der beklagten Prüfeinrichtung gegen den Kassen(zahn)arzt verjährt. Als maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Verjährung wird der Zeitpunkt der Abrechnung bezeichnet. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluß des Jahres, in das die Abrechnung fällt (§ 202 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)) und beträgt entsprechend der für die typischen Geschäfte des täglichen Lebens geltenden Verjährungsdauer nach § 196 BGB zwei Jahre.

Die Honorarabrechnungsunterlagen hat der Kläger jedenfalls vor Stellung des Prüfungsantrags (vom 20. März 1979) vorgelegt. Der Prüfungsanspruch verjährte damit Ende 1981. Dem Beschluß des Prüfungsausschusses vom 29. September 1982 stand damit die Einrede der Verjährung entgegen.

Der Senat sieht für einen der zweijährigen Verjährung nach § 196 BGB unterliegenden Prüfungsanspruch als Grundlage des Prüfverfahrens keine Rechtsgrundlage.

1. Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch) unterliegt nach § 194 BGB der Verjährung.

Rechte, die keine Ansprüche sind, unterliegen nicht der Verjährung. Das gilt insbesondere für Gestaltungsrechte, für absolute Rechte und für Einreden (Heinrichs in Palandt, BGB, 51. Auflage, § 194 Anm 2). Der dem § 194 BGB zugrundeliegende Rechtsgrundsatz gilt auch im öffentlichen Recht. Davon geht auch der 6. Senat aus.

2. Das Prüfverfahren ist nach dem Gesetz auf die endgültige Feststellung des Honoraranspruchs in Ersetzung des Honorarbescheides und auf die Festsetzung eines etwaigen Regresses wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise ausgerichtet. Es wird mit dem Erlaß eines entsprechenden Bescheides abgeschlossen. Das Recht des Prüfungsausschusses, den Honoraranspruch endgültig und entsprechend dem Prüfungsergebnis anders als im Honorarbescheid festzusetzen, ist nicht auf ein Tun oder Unterlassen des Kassen(zahn)arztes gerichtet. Es ist jedenfalls kein Anspruch, sondern eher einem Gestaltungsrecht vergleichbar. Deshalb sollte in diesem Zusammenhang von einem Prüfungsrecht und nicht von einem Prüfungsanspruch gesprochen werden. Die Bezeichnung Prüfungsanspruch erscheint nur sinnvoll, wenn sie auf den Anspruch der KKen gegen die Prüfeinrichtung auf Durchführung der Prüfung bezogen wird.

a) Der 6. Senat hat das Vorliegen eines (verjährbaren) Prüfungsanspruchs der Prüfeinrichtung gegen den Kassen(zahn)arzt damit begründet, daß es bei dieser Prüfung nicht allein um eine verwaltungsinterne Pflicht der Prüfgremien gehe, sondern zugleich um einen Anspruch gegen den Kassen(zahn)arzt, der diese Prüfung zu dulden und zu unterstützen habe (BSGE 68, 97 = SozR 3-2500 § 106 Nr 4).

Das Prüfverfahren ist indes nicht auf die Durchsetzung der Mitwirkungspflicht ausgerichtet. Ob der Anspruch auf Mitwirkung der Verjährung unterliegt, mag dahinstehen, da ein solcher Anspruch nicht Streitgegenstand ist. Streitig sind vielmehr die Honorarkürzungen, was der 6. Senat in seiner Entscheidung vom 16.1.1991 eingangs (BSGE 68, 97) zutreffend hervorhebt. Soweit eine solche Kürzung ohne Streit um die Mitwirkung vorgenommen wird, kommt es auf eine etwaige Verjährung des Mitwirkungsanspruchs nicht an.

Überdies erscheint dem 14a-Senat die Annahme des 6. Senats, die Mitwirkungspflichten bei der Prüfung der Kassenärzte könnten vom Anspruchsberechtigten "eingeklagt werden" (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 7 auf S 33), bedenklich. Das gilt insbesondere, wenn dies iS von erzwingbar zu verstehen sein sollte, da die normale Mitwirkungspflicht des Leistungsberechtigten nach den §§ 60 ff Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) nicht erzwingbar ist. In Betracht kommt lediglich eine Konkretisierung der Mitwirkungspflicht bezogen auf bestimmte Handlungen durch Verwaltungsakt, um bei verweigerter Mitwirkung die nachteiligen Rechtsfolgen nach den §§ 60 ff SGB I herbeiführen zu können. Im Bereich des Zivilrechts sind vergleichbare Pflichten als Obliegenheiten einzustufen. Ihre Einhaltung ist isoliert nicht einklagbar, doch führt ihre Verletzung oder Nichtbeachtung zu Rechtsnachteilen bei der Durchsetzung eigener Ansprüche. Bei ihnen kommt ähnlich wie bei den Einreden eine Verjährung nicht in Betracht.

Eine andere Qualifizierung der Mitwirkungspflicht folgt auch nicht aus der Tatsache, daß deren Verletzung uU auch durch Disziplinarmaßnahmen (§ 368m Abs 4 Reichsversicherungsordnung (RVO)/ § 81 Abs 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)) geahndet werden kann.

Die Disziplinargewalt der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung (K(Z)ÄV) ergibt sich aus ihrer Stellung als öffentlich-rechtliche Körperschaft mit Pflichtmitgliedschaft: Die an der kassen(zahn)ärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte stehen kraft ihrer Mitgliedschaft in der K(Z)ÄV zu dieser in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis, das ihnen gegenüber den Einsatz solcher hoheitlicher Maßnahmen legitimiert, die zur Erreichung des der K(Z)ÄV übertragenen Zwecks erforderlich sind. Dieser für öffentlich-rechtliche Zwangskörperschaften allgemein geltende Grundsatz findet im Kassenarztrecht in § 368n Abs 2 Satz 2 RVO (§ 75 Abs 2 Satz 2 SGB V) iVm § 368m Abs 4 RVO (§ 81 Abs 5 SGB V) seinen Niederschlag. Danach haben die K(Z)ÄV'en die Erfüllung der den Kassen(zahn)ärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Kassen(zahn)ärzte nötigenfalls unter Anwendung disziplinarischer Maßnahmen (die nach § 368m Abs 4 RVO /§ 81 Abs 5 SGB V in der Satzung der jeweiligen K(Z)ÄV zu regeln sind) zu ihrer Erfüllung anzuhalten (BSGE 11, 1; 15, 161, 165). Disziplinarmaßnahmen sind von daher nicht Ausfluß eines gegen den (Zahn)Arzt gerichteten Anspruchs auf Mitwirkung am kassen(zahn)arztrechtlichen Abrechnungsverfahren, sondern ein Instrument der K(Z)ÄV, deren sie sich bedient, um eigene öffentlich-rechtliche Pflichten erfüllen zu können (zu Qualifizierung als Mitwirkungspflicht vgl BSG SozR 2200 § 368n Nr 57, S 198).

b) Der 6. Senat hat das Vorliegen eines Prüfungsanspruchs im Urteil vom 31.7.1991 (SozR 3-2500 § 106 Nr 7) zusätzlich damit begründet, gerade durch die Einbeziehung der ärztlichen Verordnungsweise in das Prüfungsverfahren, wobei es zur Auferlegung von Regressen kommen kann, mache deutlich, daß es bei dieser Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht nur um die Feststellung des rechtmäßigen Honorars, sondern um die Aufrechterhaltung von Funktionstüchtigkeit und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung geht (vgl dazu Bundesverfassungsgericht in SozR 2200 § 368n Nr 29). Der Arzt werde geprüft, ob er sich im Rahmen der Wirtschaftlichkeit gehalten hat oder nicht. Insoweit, als er verpflichtet ist, bei seinen Behandlungen und Verordnungen das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten (§ 368e Satz 2 RVO, § 12 Abs 1 SGB V), treffe ihn ein entsprechender öffentlich-rechtlicher Anspruch.

Es ist schon nicht erkennbar, wer Inhaber eines gegen den Arzt gerichteten öffentlich-rechtlichen Anspruchs auf Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots sein soll. Die den Arzt treffende Pflicht zu wirtschaftlicher Behandlungs- und Verordnungsweise ergibt sich aus der der K(Z)ÄV obliegenden Gewährleistungspflicht (§ 368n Abs 1 RVO/ § 75 Abs 1 Satz 1 SGB V), wonach die kassenärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen zu entsprechen hat. Die K(Z)ÄV erfüllt diese Pflicht durch ihre Mitglieder, die Kassen(zahn)ärzte. Insoweit ist dem Urteil des 6. Senats vom 31. Juli 1991 (SozR 3-2500 § 106 Nr 7) zuzustimmen. Die Pflicht zur Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots ist Bestandteil der öffentlich-rechtlichen Ordnung, der der Kassen(zahn)arzt als Mitglied der K(Z)ÄV unterliegt. Diese rechtliche Verpflichtung kann indes entgegen der Auffassung des 6. Senats nicht als ein verjährbarer "Wirtschaftlichkeitsanspruch" der Prüfeinrichtungen gedeutet werden.

c) Die in diesem Zusammenhang erwähnten Ansprüche auf Rückzahlung und/oder Schadensersatz unterliegen selbst der Verjährung, können aber eine Verjährung des Prüfrechts nicht begründen.

Ein Rückzahlungsanspruch entsteht erst mit dem Prüfbescheid. Bis zum Erlaß des Prüfbescheides besteht der Anspruch auf das bezogene Honorar nach Maßgabe des Honorarbescheides. Die Auffassung im Urteil des 6. Senats vom 16.01.1991 (BSGE 68, 97, 99), der Rückzahlungsanspruch beginne schon mit der Abrechnung des Kassenzahnarztes gegenüber seiner Vereinigung (mit Hinweis auf § 198 Satz 1 BGB :"Die Verjährung beginnt mit der Entstehung des Anspruchs"), berücksichtigt nicht die Bindungswirkung des Honorarbescheides für die Zeit bis zum Erlaß des Prüfbescheides.

Soweit ausnahmsweise im Prüfungsverfahren ein sonstiger Schaden insbesondere durch mangelhafte Prothetik festgestellt wird, erscheint die zweijährige Verjährung des § 198 BGB nicht angemessen, wenn die Verjährung mit der Entstehung des Anspruchs im Zeitpunkt des Kunstfehlers und damit vor der Kenntnis der KK vom Schadenseintritt beginnen soll.

Im Kassenarztbereich tritt die Fälligkeit des Honoraranspruchs erst mit dem Wirksamwerden des Prüfbescheides ein (BSGE 56, 116, 120). Der Honoraranspruch kann nicht unabhängig von der Kürzung geltend gemacht werden. Hier wirkt sich das Kürzungsrecht als eine Einrede gegen den Honoraranspruch aus, und ein Einrederecht unterliegt nicht der Verjährung.

3. Die Deutung des Prüfungsrechts als ein der Verjährung unterliegender Anspruch ist unabhängig von den gegen ihre Begründung bestehenden dogmatischen Bedenken vor allem deshalb abzulehnen, weil diejenigen Beteiligten, die die Folgen der Verjährung letztlich wirtschaftlich trifft, nämlich KKen und K(Z)ÄVen, nicht in der Lage sind, den Eintritt der Verjährung zu verhindern.

Der Gläubiger eines Anspruchs kann nach den §§ 210 und 220 BGB den Eintritt der Verjährung immer durch Klageerhebung und die in § 209 BGB gleichgestellten Handlungen verhindern.

Sind Ansprüche vor Klageerhebung in einem Verwaltungsverfahren zu prüfen, so unterbricht die Antragstellung als Beginn des Verwaltungsverfahrens die Verjährung (§§ 220 und 210 BGB). Gerade bei den kurzen Verjährungsfristen geht das BGB entsprechend dem römisch-rechtlichen Grundsatz "agere non valenti non currit praescriptio" davon aus, daß dem Gläubiger jederzeit die Möglichkeit offensteht, eine Verjährungsunterbrechung durch die Erhebung einer Klage zu erreichen.

Nach den genannten Urteilen des 6. Senats wird die Verjährung nicht durch den Prüfungsantrag unterbrochen, wobei allerdings eine analoge Anwendung der §§ 210 und 220 BGB nicht erwogen wird. Die die Prüfung beantragende KK (bzw nach neuem Recht auch die K(Z)ÄV (§ 106 Abs 5 Satz 1 SGB V)) muß den Honorarkürzungsanspruch bei dem Prüfungsausschuß (Verwaltungsbehörde iS des § 220 BGB) geltend machen und kann eine Unterbrechung der Verjährung nicht durch Erhebung einer Klage erreichen. Hier aber sollen KK bzw K(Z)ÄV als Gläubiger der Rückzahlungsforderung die Verjährung hinnehmen, ohne selbst deren Eintritt durch rechtzeitige Klageerhebung verhindern zu können.

4. Der Senat verkennt nicht, daß für die Auffassung des 6. Senats letztlich die Überlegung ausschlaggebend war, der Kassen(zahn)arzt müsse dagegen geschützt werden, daß ein Prüfungsverfahren ohne seine Kenntnis in beliebiger Dauer abläuft und daß er erst mehrere Jahre nach seiner Abrechnung mit diesem Verfahren konfrontiert wird. Gerade der in dem Urteil vom 16. Januar 1991 (BSGE 68, 97) beurteilte Sachverhalt belegt das Gewicht dieser Argumentation.

a) Nach Auffassung des 14a Senats wird der Anspruch des Kassen(zahn)arztes auf eine zeitgerechte endgültige Entscheidung über seine Honorarforderung durch andere Rechtsinstitute hinreichend gewahrt.

Dem Schutz des Kassen(zahn)arztes dienen zunächst die vertraglichen Regelungen über die Begrenzung der nach Antragstellung rückwirkend noch prüfbaren Quartale (hier: § 3 Abs 2 der vorläufigen Verfahrensordnung - Begrenzung auf die letzten acht Quartalsabrechnungen). Aus ihnen ergibt sich eine den Kassen(zahn)arzt schützende Verpflichtung der Prüfungsgremien, auf verspätete Anträge hin kein Prüfungsverfahren einzuleiten, wie dies auch der 6. Senat zunächst angenommen hat (BSG SozR 5548 § 3 Nr 2 und 5550 § 17 Nr 1).

Im Urteil vom 16.1.1991 wird allerdings ausgeführt:

"Prüfanträge der Krankenkassen und ihrer Verbände (-vgl § 20 Abs 6 BMV-Z-) haben auf den Ablauf der Verjährungsfrist keinen Einfluß. Auf eine evtl gesamtvertraglich geregelte Antragsfrist kann sich der Kassen(zahn)arzt daher nicht berufen. Sein Interesse an einer baldigen Klärung wird durch das Institut der allgemeinen Verjährungs-/Ausschlußfrist, das geltungsmäßig einer untergesetzlichen Fristenregelung vorgeht, in vollem Umfang berücksichtigt, so daß eine solche vertragliche Regelung allenfalls verwaltungsinterne Wirkung entfalten kann. Dementsprechend kann es auf den Ablauf der Verjährungs-/Ausschlußfrist auch keinen Einfluß haben, zu welchem Zeitpunkt dem Kassen(zahn)arzt von der Stellung eines Prüfungsantrages eine Mitteilung zugeht; ob insoweit ein die Rechtmäßigkeit der Prüfungsentscheidung tangierender Verfahrensmangel, insbesondere eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs vorliegt, was hier nicht behauptet wird, ist eine andere Frage".

Eine Regelung, daß nur eine bestimmte Zahl der im Zeitpunkt des Prüfungsantrags zuletzt abgerechneten Quartale in die Prüfung einbezogen werden darf (Bestimmung der Prüf-Quartale), kann den - beim Fehlen einer Verjährung erforderlichen und von dieser Regelung bezweckten Schutz des Kassen(zahn)arztes nur bewirken, wenn mit ihr die Pflicht des Prüfungsausschusses verbunden ist, den Arzt alsbald vom Prüfungsantrag zu benachrichtigen.

Eine solche Bestimmung der Prüf-Quartale ist deshalb nach ihrer Zielsetzung in diesem Sinne auszulegen. Ob eine solche Benachrichtigungsfrist auch aus § 12 Abs 2 Satz 2 SGB X abgeleitet werden kann, weil der Arzt als beabsichtigter Adressat des Prüfungsbescheides Beteiligter des Prüfungsverfahrens ist, kann dahinstehen.

b) Die Regelung der Einbeziehung früherer Quartale in die Prüfung kann den erforderlichen Schutz des Kassen(zahn)arztes nur erreichen, wenn ein Prüfungsantrag für die Einbeziehung früherer Quartale nur dann herangezogen werden darf, wenn er vom Prüfungsausschuß dem Kassen(zahn)arzt "demnächst" bekanntgegeben wird.

Dies ergibt sich aus dem entsprechend anwendbaren Rechtsgedanken des § 270 Abs 3 der Zivilprozeßordnung (ZPO). Danach tritt eine fristwahrende oder verjährungsunterbrechende Wirkung eines Antrags oder einer Erklärung mit der Einreichung bei Gericht nur ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

Wird der Antrag dagegen, wie in dem zu entscheidenden Fall erst mit erheblicher Verzögerung (hier: nach sechseinhalb Monaten) zugestellt, so ist bei der Ermittlung der nach den Prüfverfahrensordnungen noch prüfbaren Quartale (§ 3 Abs 2 der hier maßgebenden Verfahrensordnung: die letzten acht Quartale) vom Zeitpunkt der Zustellung des Antrags auszugehen. Insoweit will der Senat vom Urteil des 6. Senats vom 26. März 1976 - 6 RKa 18/75 - (BSGE 41, 75, 278 = SozR 5548 § 3 Nr 2) abweichen. Dort ist der Prüfungsantrag vom 20. Dezember 1968 erst zusammen mit dessen Begründung vom 24. Juni 1971 dem Kläger bekanntgegeben worden. Gleichwohl hat der 6. Senat in der angeführten Entscheidung hinsichtlich der Anzahl der einzubeziehenden Quartale nicht auf die Bekanntgabe sondern auf den Zugang beim Prüfungsausschuß abgehoben.

c) Soweit der Kassen(zahn)arzt an einem baldigen Abschluß des Prüfungsverfahrens interessiert ist, steht ihm dann - neben der Möglichkeit, die Ermittlungen des Prüfungsausschusses zu fördern, soweit dies von seiner Mitwirkung abhängt - das Instrument der Untätigkeitsklage zumindest in entsprechender Anwendung des § 88 SGG zur Verfügung.

Die Untätigkeitsklage ermöglicht dabei einen effektiven Rechtsschutz aber nur, wenn der Prüfungsantrag zur Wahrung der für die Einbeziehung früherer Quartale geltenden Frist dem Zahnarzt "demnächst" bekanntgegeben werden muß. Der Senat sieht den Hinweis auf den insoweit gegebenen Rechtsschutz als tragende Überlegung für seine Auffassung zur Verjährung an und hat auch deshalb das Erfordernis der demnächstigen Bekanntgabe des Prüfungsantrages in seine Anfrage aufgenommen.

d) Darüber hinaus kann das Recht der KKen und der K(Z)ÄVen auf sachliche Entscheidung über einen wirksam bestellten Prüfungsantrag verwirkt werden. Insoweit folgt der 14a Senat der früheren Rechtsprechung des 6. Senats (SozR 5548 § 3 Nr 2). Verwirkung kann insbesondere eintreten, wenn die Begründung des Antrags längere Zeit verzögert wird und der betroffene Kassen(zahn)arzt daraus entnehmen kann und entnommen hat, daß die das Prüfungsverfahren betreibenden Hoheitsträger den Antrag nicht weiterverfolgen wollen.

Diese aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitete und auch im öffentlichen Recht durchgreifende Rechtsfolge setzt jedoch voraus, daß durch ein Verhalten ("beredtes Schweigen bzw Unterlassen") der am Prüfverfahren Beteiligten auf Seiten des Kassenarztes ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist, der eine spätere Weiterverfolgung eines längere Zeit nicht betriebenen Prüfungsverfahrens als treuwidrig erscheinen läßt.

Hierbei wird auch zu berücksichtigen sein, daß der mit der Honorarabrechnung verbundene Vorbehalt späterer Überprüfung zeitlich nicht in einer gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßenden Weise überdehnt werden darf. Dies ergibt sich aus dem in § 32 SGB X enthaltenen Rechtsgedanken, wonach auch der rechtmäßige Vorbehalt einer endgültigen Entscheidung der Behörde nicht das Recht gibt, die endgültige Regelung beliebig lange hinauszuzögern. Hieraus kann jedoch in dem dem Senat vorliegenden Rechtsstreit keine dem Revisionsbegehren entsprechende Entscheidung abgeleitet werden, da die für die Annahme von Verwirkung erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen nach Auffassung des Senats nicht erfüllt sind.

Die vom 14a Senat beabsichtigte Entscheidung läßt - im Gegensatz zu den Urteilen des 6. Senats vom 16. Januar und 31. Juli 1991 - gesamtvertraglichen Regelungen über die zeitliche Höchstdauer des Prüfungsverfahrens bis zu seinem Abschluß durch Erlaß eines Prüfungsbescheides Raum, da sie nicht davon ausgeht, daß diese Zeitspanne durch gesetzliche Vorgaben bestimmt wird.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662627

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