Entscheidungsstichwort (Thema)

Doppelregress des Kfz-Versicherers bei mehreren Obliegenheitsverletzungen

 

Verfahrensgang

LG Neuruppin (Urteil vom 06.11.2003; Aktenzeichen 2 O 59/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 09.11.2005; Aktenzeichen IV ZR 146/04)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 6.11.2003 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Neuruppin teilweise abgeändert.

Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 5.112,92 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.11.2002 zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 92 % und die Beklagte 8 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 83 % und die Beklagte 17 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei kann die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger hat in dem vorliegenden Rechtsstreit die Feststellung des Deckungsschutzes durch die Beklagte im Rahmen einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung begehrt. Die Beklagte nimmt den Kläger widerklagend im Wege des Regresses auf Ersatz ihrer Aufwendungen im Zusammenhang mit der Regulierung zweier Unfallschäden in Anspruch. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte von ihrer Leistungsverpflichtung infolge des unerlaubten Entfernens vom Unfallort durch den Kläger in zwei Fällen frei geworden ist.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger den Schaden telefonisch ggü. dem Versicherungsagenten der Beklagten gemeldet hat, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob er bei dieser Gelegenheit angegeben hat, sein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss geführt zu haben. Mit Schreiben vom 26.9.2001 sprach die Beklagte die fristlose Kündigung des Versicherungsverhältnisses aus (Bl. 8 GA). Der Kläger hat die Höhe des von der Beklagten geltend gemachten Schadens sowie geleistete Zahlungen an Dritte mit Nichtwissen bestritten und im Übrigen geltend gemacht, dass nach § 5 Abs. 3 KfzPflVV eine Begrenzung der Leistungsfreiheit der Beklagten bis zu einem Höchstbetrag von 5.112,92 Euro bestehe.

Das LG hat mit dem angefochtenen Urteil die Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte 6.149,25 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.11.2002 zu zahlen. Zur Begründung hat das LG ausgeführt:

Die Beklagte berufe sich zu Recht auf ihre Leistungsfreiheit. Der Kläger habe vorsätzlich gegen seine Obliegenheit verstoßen, nach Eintritt des Versicherungsfalles alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und Verminderung des Schadens dienlich sein könne, indem er sich nach den beiden Kollisionen unerlaubt von den Unfallorten entfernt habe. Darin liege eine vorsätzlich erfolgte Verletzung der Aufklärungsobliegenheit. Die vom Kläger behauptete psychische Ausnahmesituation rechtfertige keine andere Wertung. Eine verminderte Schuldfähigkeit i.S.d. § 21 StGB lasse den Vorwurf der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung nicht entfallen. Darüber hinaus habe der Kläger eine weitere Obliegenheitsverletzung begangen, indem er durch seinen Nachtrunk die Feststellung seiner Blutalkoholkonzentration erschwert oder gar unmöglich gemacht habe. Auf den weiteren Inhalt der Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten am 8.12.2003 (Bl. 97 GA) zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 7.1.2004 per Telefax beim Brandenburgischen OLG eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. 100 GA) und sein Rechtsmittel mit einem am 6.2.2004 per Telefax eingegangenen Schriftsatz begründet (Bl. 111 ff. GA).

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren nur noch hinsichtlich der Widerklage weiter; soweit das LG die von ihm erhobene Feststellungsklage abgewiesen hat, greift er dies mit der Berufung nicht an. Zur Begründung macht er geltend, dass die Entscheidung des LG auf einer Rechtsverletzung beruhe und nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigten. Entgegen der Auffassung des LG stelle das unerlaubte Entfernen vom Unfallort nicht automatisch eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nach § 7 I Abs. 2 AKB dar. Er beruft sich insoweit auf die Rechtsprechung des OLG Saarbrücken, wonach der Versicherungsnehmer seine versicherungsrechtliche Aufklärungspflicht durch eine Erklärung ggü. dem Versicherer und die Beantwortung seiner Fragen erfülle, nicht aber dadurch, dass er an der Unfallstelle eine angemessene Zeit warte. Die Aufklärungspflicht sei als Obliegenheit au...

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