Normenkette

BGB § 839 Abs. 1; GG Art. 34; StHaftG § 1 Abs. 1

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 27.06.2019; Aktenzeichen III ZR 93/18)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten und der Streithelferin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 05.05.2017, Az. 11 O 312/16, abgeändert und die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 30.12.2016 abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen, einschließlich der des Streithelfers mit Ausnahme der durch die Säumnis des Beklagten entstandenen Kosten, die dem Beklagten auferlegt werden.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte und die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

5. Der Streitwert wird auf 1.321,96 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Kläger begehren von dem beklagten Zweckverband mit ihrer Schadensersatzklage nach § 1 Staatshaftungsgesetz der DDR die Erstattung von ihnen aufgrund eines Bescheides des Beklagten gezahlter Anschlussbeiträge für ihr vor dem 1.1.2000 an das Trinkwassernetz angeschlossene Grundstück sowie im Verwaltungsverfahren entstandener Anwaltskosten.

Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 5.5.2017 Bezug genommen. Ergänzend ist auszuführen, dass der Beklagte erstinstanzlich ausdrücklich unstreitig gestellt hatte, "dass die Festsetzung des Beitrags gegenüber den Klägern objektiv rechtswidrig gewesen sei und in den Anwendungsbereich des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 12.11.2015 falle".

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, den Klägern stehe ein Anspruch nach § 1 Abs. 1 StHG, der kein Verschulden voraussetze, zu, da der von dem beklagten Zweckverband erlassene Bescheid mit Blick auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 12.11.2015 (1 BvR 2961 und 1 BvR 3051/14) objektiv rechtswidrig gewesen sei. Den Klägern könne nicht entgegengehalten werden, dass sie den Heranziehungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids nicht angefochten hätten (§ 2 StHG). Denn die Nichteinlegung des Rechtsbehelfs sei wegen der bis dahin ergangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder), des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg und des Landesverfassungsgerichts nicht zumutbar und damit nicht schuldhaft gewesen. Aus diesem Grund könne auch die Bestandskraft des Heranziehungsbescheides nicht erfolgreich eingewandt werden. Der Beklagte könne sich auch nicht erfolgreich auf das Spruchrichterprivileg berufen, da dieses nur für gerichtliche und nicht für behördliche Entscheidungen gelte. Schließlich schließe auch die Regelung des § 79 Abs. 2 BVerfGG einen - im Übrigen nicht verjährten - Anspruch nicht aus, da diese Norm hier keine Anwendung finde. Voraussetzung sei, dass ein Gesetz für nichtig erklärt worden sei. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Für eine analoge Anwendung der Regelung fehle es an einer vergleichbaren Interessenlage in Bezug auf den gesetzlich geregelten Fall.

Gegen dieses Urteil hat der beklagte Zweckverband mit am selben Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 17.5.2017 Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ebenfalls mit am selben Tag eingegangener Berufungsbegründungschrift vom 11.8.2017 begründet. Der beklagte Zweckverband ist unter Vertiefung rechtlicher Ausführungen der Ansicht, das landgerichtliche Urteil sei rechtlich fehlerhaft, den Klägern stehe ein Anspruch aus § 1 Abs. 1 StHG nicht zu. Bereits der Anwendungsbereich des Staatshaftungsgesetzes sei nicht eröffnet. Zudem unterfielen die in Rede stehenden Schadenspositionen nicht dem Schutzzweck der Norm. Auch § 79 BVerfGG stehe der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches entgegen. Ein Schadensersatzanspruch der Kläger scheitere zudem an den Ausschlussregelungen der §§ 2 S. 2, 3 Abs. 3 StHG sowie am Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens und sei überdies verjährt.

Das Land als Streithelfer hat ebenfalls Berufung eingelegt und zwar mit am 19.5.2017 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz, die es mit Schriftsatz vom 7.7.2017 begründet hat. Es macht ebenfalls geltend, das Urteil sei rechtlich fehlerhaft und führt unter Vertiefung seiner rechtlichen Ausführungen im Wesentlichen die seitens des beklagten Zweckverbandes geltend gemachten Argumente an. Darüber hinaus behauptet es nunmehr erstmals, dass der hiesige Fall dem Anwendungsbereich der vorzitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht unterfalle, weil die erste Satzung des beklagten Zweckverbandes erst im Jahre 2005 erlassen worden sei. Zudem sei für die Frage der Amtspflichtverletzung auf das Handlungsunrecht zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses abzustellen. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hätten...

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