Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 18.10.2022, Az. 3 O 357/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 37.500 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie zu 1/6 Nacherbin nach ihrem Großvater geworden ist.

Die Großeltern der Klägerin - O. H. (Erblasser) und R. H. - errichteten am 25.05.1974 handschriftlich folgendes gemeinschaftliches Testament (Anlage K 1, Bl. 12):

"Unser gemeinsamer letzter Wille

Wir setzen uns gegenseitig zu Erben in der Weise ein, daß der Überlebende von uns hinsichtlich des Nachlasses des Erstversterbenden Vorerbe wird. Nacherben sind jeweils unsere gemeinsamen Kinder:

1. D. H. geb. am ...

2. M. H., geb. am ...

3. T. H., geb. am ...

Der Nacherbfall soll jeweils eintreten dann, wenn der Überlebende von uns verstirbt oder sich wieder verheiratet.

F., 25. Mai.1974

O. H.

R. H. geb. B.".

Der Erblasser verstarb am 06.04.2011, sein Sohn D. H. am 13.07.2011. Die Klägerin und ihre Schwester sind die einzigen Abkömmlinge des D. H.. Dieser errichtete am 06.09.1996 ein handschriftliches Testament, mit dem er verfügte, dass "im Falle meines Ablebens der mir gehörende Anteil von 50% an dem Reihenhaus Bl.-weg 19, ... Ce. in das Eigentum meiner Lebensgefährtin C. N. [...] übergeht und sie somit alleinige Eigentümerin dieses Wohnhauses wird." (Anlage K 3, Bl. 4). Am 13.01.2012 erließ das Amtsgericht Ce. einen Erbschein, der die Beklagte als Alleinerbin des D. H. ausweist (Anlage K 4, Bl. 22).

Der Erblasser hinterließ mehrere Grundstücke, die in seinem Alleineigentum gestanden hatten. Das Amtsgericht L. erteilte seiner Ehefrau R. H. am 07.06.2013 einen Erbschein, der sie als alleinige Vorerbin des Erblassers ausweist. In der Folge wurde sie mit Vorerbenvermerk als Alleineigentümerin in das Grundbuch von F. eingetragen (Anlage K 2, Bl. 9 f). Das Grundbuch enthält außerdem einen Nacherbenvermerk unter namentlicher Nennung der drei Abkömmlinge des Erblassers (Anlage K 2, Bl. 13).

R. H. verkaufte mit notariellem Vertrag vom 13.10.2021 (Anlage K 5, Bl. 17 f.) die vorgenannten Grundstücke an ihre Enkelin Th. H. und deren Ehemann. Die an dem Vertragsschluss beteiligten Nacherben M. und T. H. und die Beklagte stimmten der Veräußerung zu und bewilligten die Löschung des Nacherbenvermerks. Während T. H. im Gegenzug ein lebenslanges Wohnungsrecht eingeräumt wurde, erhielten M. H. und die Beklagte jeweils eine Ausgleichszahlung von 100.000 EUR (wegen der weiteren Einzelheiten siehe Anlage K 5, Bl. 17 f.).

Die Klägerin hat beantragt festzustellen, dass sie Nacherbin zu 1/6 nach dem am 06.04.2011 verstorbenen O. H. ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 18.10.2022 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen angeführt, in Abweichung einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW 1963, 1150) sei die Vermutungsregel des § 2069 BGB anzuwenden, die hier nicht widerlegt sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der Entscheidungsgründe wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das vorgenannte Urteil Bezug genommen (Bl. 64 f.).

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Klagestattgabe. Sie meint, die Klägerin habe kein Feststellungsinteresse, weil die Ehefrau des Erblassers noch lebe. Auf Feststellung des Erbrechts nach noch lebenden Personen könne nicht geklagt werden, weil die bloße Möglichkeit, Erbe zu werden, kein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO sei. Es liege im berechtigten Interesse des potentiellen Erblassers, nicht schon zu Lebzeiten in gerichtliche Verfahren über das Schicksal seines Vermögens verwickelt zu werden.

Im Übrigen sei die Klägerin auch nicht Nacherbin des Erblassers geworden. Dem Wortlaut des Testaments vom 25.05.1974 lasse sich keine Regelung für den Fall des Vorversterbens eines Nacherben entnehmen. Das Testament sei daher ergänzend auszulegen, indem der hypothetische Wille der Testierenden im Zeitpunkt der Testamentserrichtung ermittelt werde. Dieser könne entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht allein aus dem seinerzeitigen Alter der Eheleute und ihrer Abkömmlinge abgeleitet werden. Es sei aus damaliger Sicht nicht zwingend gewesen, dass die Söhne vor Eintritt des Erbfalls Abkömmlinge haben würden. Auch lasse diese bloße Möglichkeit keinen Rückschluss darauf zu, wie die Eheleute testiert hätten, wenn sie das Vorversterben eines ihrer Abkömmlinge bedacht hätten. Weitere Umstände, die dafür sprächen, dass die testierenden Ehegatten ihre (potentiellen) Enkel als Ersatznacherben eingesetzt hätten, seien nicht ersichtlich.

Es sei auf die gesetzlichen Auslegungs- und Vermutungsregeln zurückzugreifen. Entgegen der Ansicht ...

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