Leitsatz (amtlich)

Die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO muss ebenso wie der Aufhebungsbeschluss nach § 124 ZPO grundsätzlich - auch nach Instanzende - an den für das Prozesskostenhilfeverfahren bestellten Anwalt gerichtet werden.

 

Normenkette

ZPO § 120 Abs. 4, § 124 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Bernau (Beschluss vom 27.03.2007; Aktenzeichen 6 F 124/04)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Das Schreiben des Antragsgegners vom 16.4.2007, beim AG eingegangen am 18.6.2007, stellt eine sofortige Beschwerde gegen die Aufhebung der bis dahin ratenfrei bewilligten Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 27.3.2007 dar. Sie ist zulässig. Denn die Beschwerdefrist ist mangels wirksamer Zustellung der angefochtenen Entscheidung nicht in Lauf gesetzt worden (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 28. Aufl., § 569 Rz. 4). Die Rechtsmittelfrist hat nämlich nicht begonnen, weil der Aufhebungsbeschluss nicht den Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners zugestellt worden ist.

Eine Zustellung an den Prozessbevollmächtigten hat gem. § 172 Abs. 1 ZPO jedenfalls dann zu erfolgen, wenn dieser für das Prozesskostenhilfeverfahren bestellt ist. Das findet seinen Ausdruck darin, dass der (ursprüngliche) Prozesskostenhilfeantrag, wie hier, nicht von der Partei selbst, sondern von ihrem Prozessbevollmächtigten gestellt wurde (BAG, Beschl. v. 19.7.2006, bei juris; NZA 2006, 1128; LAG Rheinland-Pfalz, MDR 2007, 432). Diese Bestellung gilt auch in einem nach Instanzbeendigung durchgeführten Überprüfungsverfahren gem. § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO. Denn wenn schon die in einem Vorprozess erteilte Prozessvollmacht sowohl zur Erhebung der Wiederaufnahmeklage gem. §§ 578 ff. ZPO wie zur Verteidigung ihr ggü. ermächtigt, § 81 ZPO, und Zustellungen an den so bevollmächtigten Rechtsanwalt zu richten sind (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 585, Rz. 7), dann muss das erst recht gelten, wenn es sich um ein und dasselbe Verfahren handelt. Das ist im Hinblick auf die Überprüfung der Prozesskostenhilfebewilligung gem. § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO der Fall, die nichts anderes als eine Fortsetzung des Prozesskostenhilfeverfahrens über die Instanzbeendigung in der Hauptsache hinaus darstellt. Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil es sich bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und ihrer Überprüfung um eine Justizverwaltungsangelegenheit handelt, da sie jedenfalls den Vorschriften der ZPO und damit auch ihrem allgemeinen Teil unterliegen (vgl. BAG, a.a.O.; a.A. OLG München, FamRZ 1993, 580; OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, FamRZ 2002, 403; OLG Brandenburg v. 3.3.2004 - 9 WF 49/04, FamRZ 2005, 47; OLG Koblenz, FamRZ 2005, 531; Zöller/Philippi, a.a.O., § 120, Rz. 28). Soweit der Senat in der Vergangenheit eine abweichende Auffassung vertreten hat, hält er hieran nicht mehr fest.

II. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung gem. § 124 Nr. 2 ZPO sind nicht erfüllt.

Gemäß § 124 Nr. 2, 2. Alternative ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat. Nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO hat sich die Partei auf Verlangen des Gerichts darüber zu erklären, ob eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. Daher ist, bevor die Prozesskostenhilfe aufgehoben werden kann, stets erforderlich, dass das Gericht die Partei zuvor aufgefordert hat, innerhalb einer bestimmten Frist zu erklären, inwieweit sich ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe geändert haben (Zöller/Philippi, a.a.O., § 124, Rz. 10a). Vorliegend hat das AG den Antragsgegner zwar unter dem 1.8. und 4.12.2006 und dem 22.2.2007 zur Abgabe einer Erklärung aufgefordert. Diese Aufforderungen waren aber in dreierlei Hinsicht fehlerhaft, sodass die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung darauf nicht gestützt werden kann.

1. Da die Aufforderung mit einer Fristbestimmung erfolgt, bedarf es gem. § 329 Abs. 2 ZPO der förmlichen Zustellung (vgl. auch Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 329, Rz. 16). In den vorliegenden Akten findet sich weder eine ausdrückliche Anordnung, die Aufforderungsschreiben förmlich zuzustellen, noch ein entsprechender Nachweis für eine förmliche Zustellung wie eine Zustellungsurkunde oder ein Empfangsbekenntnis.

2. Auch die Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung i.S.v. § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO ist an den für das Prozesskostenhilfeverfahren bestellten Prozessbevollmächtigten zu richten. Denn auch dafür gilt § 172 Abs. 1 ZPO (LAG Rheinland Pfalz, a.a.O.; Zöller/Stöber, a.a.O., § 172, Rz. 2). Dies ist nicht geschehen.

3. Die Erklärung gem. § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO kann der Partei nicht in Gestalt des Vordrucks über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abverlangt werden, da anders als bei der erstmaligen Bewilligung gem. § 117 Abs. 4 ZPO ein Vordruckzwang nicht besteht (OLG Brandenburg v. 22.1.1996 -...

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