Verfahrensgang

AG Bad Liebenwerda (Beschluss vom 06.09.2000; Aktenzeichen 26 F 53/97)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

 

Gründe

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte Beschwerde ist zulässig; insbesondere hat der Beklagte sein Beschwerderecht nicht verwirkt.

Für die Beschwerde einer Partei gegen eine Prozesskostenhilfeentscheidung sieht das Gesetz nach § 127 ZPO eine Frist nicht vor, weshalb es dem Beschwerdeführer grundsätzlich frei steht, wann er die Beschwerde einlegt. Gleichwohl ist allgemein anerkannt, dass auch unbefristete Rechtsbehelfe verwirken können. Jede Partei ist im Zivilprozess nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu einer sorgfältigen, auf die Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung verpflichtet, vgl. auch § 282 Abs. 1 ZPO. Dem entspricht es, dass eine Partei, unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, von den ihr zustehenden Rechtsbehelfen Gebrauch machen soll. Verstößt die Partei hiergegen, weil sie auf eine sie benachteiligende Entscheidung schweigt und längere Zeit verstreichen lässt, kann die verspätete Rechtsverfolgung nach den Grundsätzen der Verwirkung rechtsmissbräuchlich erscheinen und aus diesem Grunde unzulässig sein. Damit kann auch während eines laufenden Verfahrens Verwirkung wegen Zeitablaufes für eine gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte Beschwerde eintreten (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 59. Aufl. 2001, § 127, Rn. 66; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl. 1999, § 127, Rn. 5; Musielak, ZPO, 2. Aufl. 2000, § 127 Rn. 17; Wieczorek/Schütze-Steiner, ZPO, 3. Aufl. 1995, § 127, Rn. 20; Stein/Jonas-Bork, ZPO, 21. Aufl. 1994, § 127, Rn. 4; wohl auch Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl. 1999, Rn. 886; vgl. ferner LAG Mainz BB 1998, 1539 sowie OLG Celle, OLGR 1995, 14). Erst recht gilt dies für die Beschwerde gegen eine Prozesskostenhilfeentscheidung in Fällen, in denen die Beschwerde erst nach Beendigung der Instanz eingelegt wird (dazu OLG Köln, FamRZ 1997, 1544; OLG Brandenburg, JurBüro 1996, 433).

Welche Frist verstrichen sein muss, damit das für die Verwirkung erforderliche Zeitmoment erfüllt ist, ist anhand des jeweiligen Einzelfalles zu entscheiden (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O.; Wieczorek/Schütze-Steiner, a.a.O.). Im Allgemeinen wird das Zeitmoment nicht weniger als drei (OLG Bamberg FamRZ 1996, 618, 619), regelmäßig aber auch nicht mehr als sechs Monate betragen (OLG Köln NJW-RR 1998, 511; vgl. auch OLG Bamberg, OLG-Report 1999, 83).

Im vorliegenden Fall sind seit Zustellung der angefochtenen Entscheidung (28. September 2000) etwas über 6 Monate bis zum Eingang der Beschwerde (3. April 2001) vergangen. Gleichwohl hat der Beklagte durch diesen Zeitablauf sein Beschwerderecht nicht verwirkt, da er beachtenswerte Gründe dafür vorgebracht hat, weshalb die Einlegung der Beschwerde nicht vorzeitiger erfolgt ist. So ist er in einem weiteren, zum Aktenzeichen … vor dem Amtsgericht Bad Liebenwerda geführten Verfahren Mitte des Jahres 2000 ebenfalls dazu aufgefordert worden, innerhalb der ihm insoweit bewilligten Prozesskostenhilfe seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu ergänzen. Dem ist er mit seiner am 11. August 2000 in dem weiteren Verfahren eingegangenen Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst beigefügten Belegen auch nachgekommen. Hierzu hat der Beklagte ausgeführt, davon ausgegangen zu sein, dass diese Erklärung auch innerhalb des hiesigen Verfahrens Berücksichtigung finden würde; aus der Sicht eines mit der Aktenführung durch Gerichte üblicherweise wenig betrauten Laien ist eine solche Betrachtungsweise durchaus verständlich.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Nach § 124 Nr. 2 ZPO können Bewilligungen von Prozesskostenhilfe aufgehoben werden, wenn die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat, dem Verlangen des Gerichts, sich darüber zu äußern, ob eine Veränderung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist, also nicht nachgekommen ist. Die Voraussetzungen für die Aufhebung sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Weder auf das Schreiben des Amtsgerichts vom 2. Juni 2000, binnen drei Wochen eine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ausgefüllt einzureichen und gleichzeitig die entsprechenden Belege beizufügen, noch auf das Erinnerungsschreiben des Amtsgerichts vom 10. Juli 2000 unter Setzung einer weiteren Frist von zwei Wochen ist eine Reaktion des Beklagten erfolgt, obgleich dieser zugleich auf die Folgen der Nichteinreichung hingewiesen worden ist. Erst nach Erlass der angefochtenen Entscheidung hat der Beklagte innerhalb des Beschwerdeverfahrens unter dem 17. April 2001 die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen eingereicht.

Die Aufforderung, sich über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erklären, hat das Amtsgericht au...

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