Leitsatz (amtlich)

1. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG können die Beteiligten einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand des Verfahrens verfügen können. In Gewaltschutzsachen besteht eine solche Dispositionsbefugnis.

2. Wird ein Vergleich protokolliert, reicht es nicht aus, wenn das AG die Erklärungen ausweislich des Protokolls lediglich "laut diktiert" hat und lediglich dieses Diktat von den Beteiligten genehmigt worden ist. Vielmehr bedarf es eines nochmaligen Abspielens der Tonaufzeichnung.

3. Die Vollstreckung in Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz vollzieht sich gemäß § 96 FamFG; also ist § 35 FamFG nicht anwendbar. Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 3 FamFG in Verbindung mit § 890 ZPO kann zur Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Gemäß § 890 Abs. 2 ZPO muss der Festsetzung des Ordnungsgeldes eine entsprechende Androhung voraus gehen. Die Androhung kann nicht wirksam in einen Prozessvergleich aufgenommen werden, sondern ist ein richterlicher Akt. Bei der erforderlichen Androhung des Ordnungsgeldes ist das Höchstmaß zu nennen. Sonst ist die Androhung unwirksam und stellt keine Grundlage für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes dar.

 

Normenkette

FamFG § 36

 

Verfahrensgang

AG Bernau (Beschluss vom 17.09.2015; Aktenzeichen 6 F 397/15)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Gerichtsgebühren werden für das Vollstreckungsverfahren erster und zweiter Instanz nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf bis zu 500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das Rechtsmittel ist zulässig.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das AG gegen den Antragsgegner ein "Zwangsgeld", ersatzweise "Zwangshaft" wegen Verstoßes gegen eine Unterlassungsverpflichtung im Rahmen eines Verfahrens nach dem Gewaltschutzgesetz festgesetzt und sich insoweit auf die Vorschrift § 35 FamFG berufen. Entsprechend hat das AG eine Rechtsmittelbelehrung dahin erteilt, dass die sofortige Beschwerde gemäß §§ 35 Abs. 5 FamFG, 567 bis 572 ZPO gegeben sei. Dabei hat das AG übersehen, dass die Vollstreckung in Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz sich gemäß § 96 FamFG vollzieht, § 35 FamFG also nicht anwendbar ist. Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 3 FamFG in Verbindung mit § 890 ZPO kann zur Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Ein Beschluss, der im Vollstreckungsverfahren ergeht, ist gemäß § 87 Abs. 4 FamFG mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 ZPO anfechtbar.

Mithin gilt gemäß § 569 Abs. 1 ZPO eine Frist von zwei Wochen zur Einlegung der Beschwerde, beginnend mit der Zustellung der Entscheidung. Diese Frist hat der Antragsgegner entgegen der Auffassung der Antragstellerin gewahrt. Ausweislich des in der Akte befindlichen Empfangsbekenntnisses (Bl. 75) ist seinen Verfahrensbevollmächtigten der angefochtene Beschluss am 28.9.2015 zugestellt worden. Die Zwei-Wochen-Frist lief mithin am 12.10.2015 ab. Die Beschwerdeschrift vom 12.10.2015 ist noch am selben Tag per Fax übermittelt worden und beim AG eingegangen (Bl. 78).

II. Die Beschwerde ist begründet. Es liegen nicht nur die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Zwangsgeldes nicht vor, da - wie ausgeführt - die Vorschrift des § 35 FamFG keine Anwendung findet. Auch ein Ordnungsgeld gemäß § 890 ZPO kann gegen den Antragsgegner nicht festgesetzt werden. Es fehlt an einem wirksamen Vollstreckungstitel. Auch ist ein Ordnungsgeld nicht wirksam angedroht worden. Mithin kommt es auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, auf die das AG in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 22.10.2015 noch einmal eingegangen ist, ob nämlich ein Verstoß gegen eine den Antragsgegner treffende Verpflichtung gegeben ist, nicht an.

1. Ein wirksamer Vollstreckungstitel liegt nicht vor.

Gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG findet die Vollstreckung nicht nur aus gerichtlichen Beschlüssen und gerichtlich gebilligten Vergleichen im Sinne von § 156 Abs. 2 FamFG, sondern auch aus weiteren Vollstreckungstiteln im Sinne des § 794 ZPO statt, soweit die Beteiligten über den Gegenstand des Verfahrens verfügen können. Zu den Vollstreckungstiteln im Sinne § 794 ZPO gehört insbesondere der gerichtliche Vergleich. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FamFG können die Beteiligten einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand des Verfahrens verfügen können. In Gewaltschutzsachen besteht eine solche Dispositionsbefugnis (OLG Brandenburg, 5. Familiensenat, Beschluss vom 20.8.2013 - 3 WF 61/13, BeckRS 2014, 07036). Ein formwirksamer Vergleich ist hier aber nicht zustande gekommen.

Gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 FamFG ist, wenn eine Einigung im Termin zustande kommt, hierüber eine Niederschrift anzufertigen. Die Vorschriften der ZPO über die Niederschrift des Vergleichs sind entsprechend anzuwenden, § 36 Abs. 2 Satz 2 FamFG (vgl. hierzu Prütting/Helms/Abramenko, FamFG, 3. Aufl., § 36 Rn. 11). Diese Vorschriften hat das AG hier nicht beachtet.

Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist der Abschluss eines Vergleichs ...

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