Leitsatz (amtlich)

1. Wer im Verfahren der einstweiligen Anordnung eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden, § 31 Abs. 1 FamFG. Eine Glaubhaftmachung kann erschüttert werden, indem substanziierte Einwendungen erhoben und durch sofort verfügbare Beweismittel glaubhaft gemacht werden, sog. Gegenglaubhaftmachung. Auch wenn in Gewaltschutzsachen grundsätzlich der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, § 26 FamFG, ist das geringere Beweismaß der Glaubhaftmachung, dass also lediglich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der behaupteten Tatsache sprechen muss, auch hier zu beachten. Zudem gelten, gerade wenn es um Glaubhaftmachung und Gegenglaubhaftmachung geht, die Regeln der Darlegungs- und Beweislast.

2. In Gewaltschutzsachen wird die Widerrechtlichkeit des Verhaltens ist durch die Rechtsgutverletzung indiziert. Die Widerrechtlichkeit entfällt daher nur bei Vorliegen von Rechtfertigungsgründen. Wendet der Täter insoweit Notwehr, § 227 BGB, ein, trägt er hierfür die Beweislast.

3. Bei der Auswahl der in Frage kommenden Anordnung hat das Gericht ein Ermessen. Die Vorschrift des § 1 GewSchG gestattet Eingriffe in die Rechtsposition des Täters, jedoch müssen die angeordneten Maßnahmen geeignet und notwendig sein, um den Schutz des Opfers zu gewährleisten und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.

4. Soweit es bei der Frage, welche gerichtliche Regelung verhältnismäßig ist, um zivilrechtliche Rechtspositionen geht, sind bei der im Verfahren der einstweiligen Anordnung gebotenen summarischen Prüfung abschließende Feststellungen nicht immer geboten.

5. Ein an den Täter gerichtetes vollständiges Verbot der Betretung eines Hofs kann unverhältnismäßig sein, wenn dieser dort Pferde zu versorgen hat. Dann kann es angezeigt sein, ihm zeitweise das Betreten des Hofes zu gestatten.

6. Bei der im Rahmen der Kostenentscheidung gemäß § 81 FamFG anzustellenden Billigkeitsabwägung ist zu berücksichtigen, dass in Gewaltschutzsachen die Kosten des Verfahrens aus Billigkeitsgründen meist dem Täter aufzuerlegen sein werden. Dennoch kann, wenn der Antragsteller im Beschwerdeverfahren mit seinem Begehren nicht in vollem Umfang durchgedrungen ist, eine Kostenquotelung gerechtfertigt sein.

 

Normenkette

FamFG §§ 31, 81; BGB § 227; GewSchG § 1

 

Verfahrensgang

AG Strausberg (Beschluss vom 08.04.2015; Aktenzeichen 2.1 F 80/15)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG Strausberg vom 8.4.2015 (2.1 F 80/15) teilweise abgeändert.

Der Beschluss des AG Strausberg vom 12.3.2015 (2.1 F 80/15) wird hinsichtlich Ziffer I. 3. aufgehoben.

Der Beschluss des AG Strausberg vom 12.3.2015 (2.1. F 80/15) wird hinsichtlich Ziffer I.1. dahin abgeändert, dass es heißen muss:

das Grundstück... 1a in A. aufzusuchen, es zu betreten und sich in einem Umkreis von weniger als 100 m aufzuhalten; ausgenommen sind täglich die Zeiten von 07:00 Uhr bis 08:30 Uhr sowie 17:00 Uhr bis 18:30 Uhr; in diesen Zeiten darf sich der Antragsgegner auf dem genannten Grundstück konkret an denjenigen Orten aufhalten, die er der Antragstellerin jeweils rechtzeitig am Vortrag bis spätestens 19:00 Uhr schriftlich mitgeteilt hat.

Im Übrigen bleibt der Beschluss des AG Strausberg vom 12.3.2015 (2.1. F 80/15) hinsichtlich der Ziffern I. und II. der Beschlussformel aufrechterhalten.

Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz werden der Antragstellerin zu 1/4 und dem Antragsgegner zu 3/4 auferlegt.

Der Beschwerdewert wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten, die in nichtehelicher Lebensgemeinschaft miteinander verbunden waren, streiten um Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz.

Auf Antrag der Antragstellerin hat das AG ohne mündliche Verhandlung im Wege der einstweiligen Anordnung durch Beschluss vom 12.3.2015 dem Antragsgegner für die Dauer von sechs Monaten bei Meidung eines Ordnungsmittels untersagt,

1. das Grundstück... 1a in A. aufzusuchen, es zu betreten und sich in einem Umkreis von weniger als 100 m aufzuhalten,

2. sich der Antragstellerin auf eine Entfernung von weniger als 100 m zu nähern, sie anzusprechen oder ihr zu folgen. Bei zufälligen Zusammentreffen hat der Antragsgegner unverzüglich diesen Abstand herzustellen.

3. in irgendeiner Form Verbindung mit der Antragstellerin aufzunehmen, insbesondere unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln.

Wegen der Begründung wird auf jenen Beschluss Bezug genommen.

Auf Antrag des Antragsgegners hat das AG am 8.4.2015 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Durch Beschluss vom selben Tag hat es seine einstweilige Anordnung vom 12.3.2015 aufrechterhalten. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf jenen Beschluss Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit der Beschwerde. Er trägt vor:

Das AG habe bei seiner Entscheidung nicht beachtet, dass er bereits erstinstanzlich glaubhaft gemacht habe, von der Antragstellerin mittels eines...

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