Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerbsobliegenheit: Aufgabe einer selbständigen Tätigkeit. Kindesunterhalt: Erfolgsaussicht der Abänderungsklage eines selbständigen Fliesenlegers

 

Leitsatz (amtlich)

Bei schlechter Auftragslage des selbständigen Unterhaltsschuldners ist es ihm zumutbar, in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu wechseln.

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 2; RegelbetragsVO § 2

 

Verfahrensgang

AG Cottbus (Beschluss vom 07.05.2008; Aktenzeichen 52 F 56/08)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragsstellers gegen den Beschluss des AG Cottbus vom 7.5.2008 - Aktenzeichen: 52 F 56/08 - wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers, mit der er sich gegen den Beschluss des AG vom 7.5.2008 wendet, ist gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft und auch zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden.

In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen Erfolg. Zu Recht hat das AG dem Antragsteller für die Abänderungsklage Prozesskostenhilfe verweigert.

Gemäß § 114 Abs. 1 ZPO erhält eine bedürftige Partei Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.

Richtig ist zwar, dass die Abänderungsklage nach § 323 ZPO i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO auch gegeben ist, wenn sich der Unterhaltsverpflichtete mit der Errichtung der Jugendamtsurkunde einseitig verpflichtet hat. § 323 Abs. 4 ZPO setzt nicht voraus, dass der in einem vollstreckbaren Titel übernommene Unterhaltsbetrag auf einer Vereinbarung der Parteien beruht, ausreichend ist auch das einseitige Schuldversprechen (BGH FamRZ 2004, 24). Streitig ist in diesem Zusammenhang aber die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Unterhaltsschuldner eine Herabsetzung seiner in einer vollstreckbaren Jugendamtsurkunde einseitig übernommenen Verpflichtung erreichen kann. Nach einer Auffassung kommt es in diesem Fall nicht auf eine Veränderung der früheren Verhältnisse, sondern allein auf die derzeitige Rechtslage an (OLG München FamRZ 2002, 1271 [1272]; OLG Nürnberg MDR 2004, 281; Eschenbruch/Klinkhammer, Der Unterhaltsprozess, 5. Aufl., Kapitel 5 Rz. 370; Gerhardt/v. Heintschel-Heinegg/Klein, Familienrecht, 6. Aufl., 6. Kapitel Rz. 661d). Eine andere Meinung stellt sich auf den Standpunkt, dass der Unterhaltsschuldner unter dem Gesichtspunkt des Schuldversprechens an die Grundlagen des bisherigen Titels gebunden ist und mithin eine Anpassung nur an geänderte Verhältnisse erfolgen darf (OLG Stuttgart FamRZ 2001, 767; OLG Hamm FamRZ 2003, 1025; Graba, FamRZ 2005, 678). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung setzt die Herabsetzung eines Unterhaltstitels in jedem Fall die Darlegung veränderter Umstände voraus (BGH FamRZ 2007, 715). Der Meinungsstreit kann vorliegend dahinstehen. Selbst wenn man der weitesten Auffassung folgt und die derzeitigen Verhältnisse der Unterhaltsberechnung zugrunde legt, führt das nicht zum Erfolg.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers lässt sich nicht entnehmen, dass er zur Zahlung des titulierten Kindesunterhalts außer Stande ist. Dies geht zu seinen Lasten. In zwei Jugendamtsurkunden vom 30.1.2007 verpflichtete sich der Antragsteller, seinen im Mai 1998 bzw. im August 2003 geborenen Kindern ab Februar 2007 Unterhalt i.H.v. 100 % des Regelbetrags nach § 2 RegelbetragsVO zu zahlen.

Soweit der Antragsteller geltend macht, in den Jahren 2005 bis 2007 habe er als selbständiger Fliesenleger lediglich ein durchschnittliches Nettoeinkommen von monatlich 776,88 EUR erzielt, kann das nicht von Erfolg sein. Die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen wird nicht nur durch die tatsächlich vorhandenen, sondern auch durch solche Mittel bestimmt, die er bei gutem Willen durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit erreichen könnte. Auf Grund der gem. § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB für Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern bestehenden Verpflichtung, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden, obliegt dem Unterhaltspflichtigen eine gesteigerte Ausnutzung seiner Erwerbskraft, die es ihm ermöglicht, jedenfalls den Regelunterhalt bzw. ab dem 1.1.2008 den Mindestunterhalt sicher zu stellen. Er hat sich deshalb intensiv um eine hinreichende Erwerbstätigkeit zu bemühen. Kommt er dieser Obliegenheit schuldhaft nicht nach, so muss er sich so behandeln lassen, als ob er das Einkommen, das er bei gutem Willen durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit erzielen könnte, tatsächlich hätte (BGH FamRZ 2003, 1471; BVerfG NJW 2006, 2317).

Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg auf Leistungsunfähigkeit berufen.

Es mag sein, dass seine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nicht ausreichen, um den Mindestunterhalt für seine beiden minderjährigen Kinder aufzubringen. Einem Unterhaltspflichtigen mit gesteigerter Erwerbsobliegenheit - wie dem Antragsteller - ist es aber zumutbar, dass er bei schlechter Auftragslage die selbständige Tätigk...

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