Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungsgeldfestsetzung in einer Umgangssache: Rechtsanwaltsverschulden bei Versäumung der Beschwerdefrist nach fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Rechtsanwalt kann sich auf eine fehlende oder fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung nicht im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrags berufen. Dies gilt betreffs der Rechtsmittel in Familiensachen sowohl für Fachanwälte für Familienrecht als auch für die übrige Anwaltschaft. Eine eventuelle großzügige Handhabung der Wiedereinsetzungsregeln in Folge des Inkrafttretens des neuen Rechtsmittelrechts des FamFG hat sich mittlerweile erledigt.

 

Normenkette

FamFG § 15 Abs. 2, § 68 Abs. 2 S. 2, § 87 Abs. 4, § 89; ZPO § 569 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Cottbus (Beschluss vom 15.07.2011; Aktenzeichen 51 F 177/11)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Kindesmutter vom 9.8.2011 gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Cottbus vom 15.7.2011 - 51 F 177/11 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

2. Der Antrag der Kindesmutter vom 30.8.2011 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen den Be-schluss des AG - Familiengericht - Cottbus vom 15.7.2011 - 51 F 177/11 - wird zurückgewiesen.

3. Der Verfahrenswert wird auf 500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die anwaltlich vertretene Kindesmutter begehrt die Aufhebung des Beschlusses des AG Cottbus vom 15.7.2011 - 51 F 177/11, mit dem ihr ein Ordnungsgeld von 500 EUR zur Durchsetzung der mit der Antragsstellerin getroffenen Umgangsvereinbarung vom 31.3.2011 auferlegt worden ist.

Der angefochtene Beschluss enthält eine Rechtsmittelbelehrung, die im hier maßgeblichen Teil wie folgt lautet:

Gegen diese Entscheidung findet gem. § 58 - 69 FamFG die Beschwerde statt.

...

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monat beim dem AG Cottbus ... einzulegen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe der Entscheidung.

...

Der Beschluss wurde der Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter am 19.7.2011 zugestellt (Bl. 37). Mit am 9.8.2011 beim AG Cottbus vorab als Fax eingegangenen Schriftsatz (Bl. 38) ihrer Verfahrensbevollmächtigten hat die Kindesmutter Beschwerde eingelegt. Nach dem Hinweis des Senats vom 24.8.2011 auf die Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde hat die Kindesmutter mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 30.8.2011 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Kindesmutter habe - ungeachtet der anwaltlichen Vertretung - auf die Richtigkeit der Rechtsmittelbelehrung in der angefochtenen Entscheidung vertrauen dürfen.

II.1. Die Beschwerde der Kindesmutter ist unzulässig und daher gem. § 68 Abs. 2 Satz 2 FamFG zu verwerfen. Das AG hat mit der angefochtenen Entscheidung ein Ordnungsgeld nach § 89 FamFG betreffs der Umgangssache festgesetzt, wie dies auch einleitend in der Begründung der Entscheidung ausgeführt wird. Damit ist die sofortige Beschwerde gem. § 87 Abs. 4 FamFG i.V.m. §§ 567 ff. ZPO gegen die Entscheidung das statthafte Rechtsmittel.

Die sofortige Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht fristgerecht eingelegt worden ist. Gemäß § 87 Abs. 4 FamFG i.V.m. §§ 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO beträgt die Beschwerdefrist zwei Wochen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, hier gem. § 15 Abs. 2 FamFG mit dem Zeitpunkt der Zustellung an die Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter am 19.7.2011. Die am 26.4.2010 beim AG eingereichte Beschwerde ist damit erst nach Fristablauf eingegangen. Die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung des AG führt zu keiner Verlängerung dieser Frist (vgl. auch BGH NJW-RR 2004, 408). Eine unterlassene oder fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung hat zudem keine Auswirkungen auf den Bestand des Beschlusses, sondern führt bei Fristversäumnis lediglich zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, § 17 Abs. 2 FamFG (OLG Stuttgart NJW 2009, 3733).

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ist zurückzuweisen. Gemäß § 17 Abs. 1 FamFG ist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten.

Zwar ist die Rechtsbehelfsbelehrung des AG vorliegend fehlerhaft, doch führt dies nicht zur Gewährung einer Wiedereinsetzung. Für die Wiedereinsetzung ist unverschuldetes Versagen erforderlich, § 17 Abs. 1 FamFG. Bei unterlassener oder fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung wird dies zwar vermutet, § 17 Abs. 2 FamFG. Ein anwaltlich nicht vertretener Beteiligter wird sich hierauf regelmäßig berufen können.

Die gesetzliche Vermutung ist allerdings widerlegbar, wie aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 2 FamFG folgt. Kundige, die das Rechtsmittel kennen bzw. kennen müssen, werden durch § 17 Abs. 2 FamFG nicht geschützt. Hat ein Beteiligter tatsächlich Kenntnis von seinen Rechtsmitteln und bedurfte daher keiner Rechtsmittelbelehrung, ist eine Wiedereinsetzung ausgeschlossen.

Eine derartige Kenntnis ist bei anwaltlich vertretenen Parteien regelmäßig anzunehmen (BT-Drucks. 16/6308, 183). Vom Verfahrensbevol...

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