Leitsatz (amtlich)

1. Das Beschwerdegericht ist im Verfahren nach § 1685 BGB an einer Entscheidung zulasten der Großeltern als Beschwerdeführer nicht gehindert. In Umgangsverfahren gilt das Verschlechterungsverbot, das Verbot der reformatio in peius, nicht.

2. Ob ein Wechselmodell grundsätzlich nicht gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden darf und ob die gerichtliche Anordnung eines Wechselmodells in einem Sorgerechtsverfahren oder in einem Umgangsverfahren zu treffen ist, kann dahinstehen, wenn soeben eine unanfechtbare beschwerdegerichtliche Entscheidung vorliegt, wonach das Aufenthaltsbestimmungsrecht bei der Mutter allein verbleibt, während im Übrigen die elterliche Sorge auf beide Eltern gemeinsam übertragen wird. Jedenfalls in einer solchen Konstellation ist das mit dem Umgang befasste Gericht gehindert, im Widerspruch zu der Sorgerechtsentscheidung nun ein Wechselmodell anzuordnen, das den Vorstellungen der Mutter über den Aufenthalt des Kinders eklatant widerspricht.

3. Der Umgangsberechtigte hat üblicherweise jedenfalls alle vierzehn Tage am Wochenende Umgang mit dem Kind. Bei kleineren Kindern kommt oft noch ein Umgang an einem einzelnen Tag unter der Woche hinzu, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass bei ihnen das Zeitempfinden ein anderes ist.

4. Eine zeitliche Ausdehnung des Umgangs kann aus Gründen des Kindeswohls geboten sein, wenn zwischen den Wohnorten von Mutter und Vater eine erhebliche Entfernung von deutlich über 600 km liegt und eine Beschränkung des regelmäßigen Umgangs auf die sonst übliche Zeit dem Vater faktisch die Möglichkeit nehmen würde, mit dem Kind auch zu sich nach Hause zu fahren.

5. Dass ein Kind wegen der gebotenen Ausweitung des Umgangs längere Zeit nicht die Tagespflegestelle bzw. die Kita besuchen kann, steht einer solchen Regelung nicht entgegen, da ungeachtet der grundsätzlich positiven Wirkungen, die ein Besuch des Kindes bei der Tagesmutter oder in einer Kita hat, den guten und stabilen Bindungen zu den Eltern ein Vorrang einzuräumen ist.

6. Ungeachtet der zugunsten des Vaters bestehenden Umgangsregelung ist die Mutter grundsätzlich auch berechtigt, mit dem Kind zu verreisen. Dabei versteht es sich von selbst, dass jedenfalls dann, wenn die Mutter den Vater von ihren Reiseplänen rechtzeitig unterrichtet hat, ein ausnahmsweise in die Reisezeit der Mutter fallender regelmäßiger Umgang des Vaters mit dem Kind ersatzlos entfällt.

7. Es ist grundsätzlich die Aufgabe des umgangsberechtigten Elternteils, das Kind zu Beginn des Umgangs abzuholen und es zum Ende des Umgangs wieder zum Obhutselternteil zurückzubringen. Allerdings darf die konkrete Umgangsregelung im Einzelfall nicht dazu führen, dass der Umgang für den berechtigten Elternteil unzumutbar und damit faktisch vereitelt wird. Wenn der Umgang aufgrund der unterschiedlichen Wohnorte der Eltern nur unter einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand ausgeübt werden kann, obliegt es den Gerichten zu prüfen, ob der Obhutselternteil anteilig zur Übernahme an dem für das Holen und Bringen der Kinder zur Ausübung des Umgangsrechts erforderlichen zeitlichen und organisatorischen Aufwand zu verpflichten ist. Dabei kann der Umfang der Mitwirkungs- und Kostentragungspflichten des Obhutselternteils davon abhängen, ob er oder der umgangsberechtigte Elternteil durch Umzug die hohen mit dem Umgang verbundenen Belastungen verursacht hat.

8. Auch wenn ein Umgang des Kindes isoliert betrachtet ohne weiteres seinem Wohl dienlich wäre, können die Umstände des Einzelfalls dagegen sprechen, den Umgang der Großeltern gerichtlich positiv zu regeln. So kann es liegen, wenn eine Verkürzung der Umgangszeit des Vaters zugunsten der Großeltern im Hinblick auf den Vorrang des Umgangsrechts nach § 1684 BGB nicht in Betracht kommt, die Großeltern zum einen selbst erklärt haben, ihr Recht nicht zulasten ihres Sohnes durchsetzen zu wollen und sie andererseits ohnehin regelmäßigen Kontakt zum Kind haben.

 

Normenkette

BGB §§ 1684-1685

 

Verfahrensgang

AG Bernau (Beschluss vom 07.08.2014; Aktenzeichen 6 F 614/14)

 

Tenor

Der Beschluss des AG Bernau bei Berlin vom 7.8.2014 (6 F 614/14) wird aufgehoben.

Der Beschluss des AG Bernau bei Berlin vom 17.12.2014 (6 F575/14) wird abgeändert.

1. Der Vater hat das Recht und die Pflicht, mit seinem Sohn L. M., geboren am... Februar 2013, wie folgt zusammen zu sein:

a) alle zwei Wochen von Donnerstag, 12:00 Uhr, bis Dienstag, 18:00 Uhr, wobei der Donnerstag jeweils in der ungeraden Kalenderwoche liegt, beginnend am Donnerstag, dem 16.7.2015,

b) alle zwei Jahre an Weihnachten in der Zeit vom 23.12., 14:00 Uhr, bis zum 30.12., 18:00 Uhr, beginnend mit Weihnachten 2016,

c) alle zwei Jahre an Ostern vom Ostersamstag, 14:00 Uhr, bis zum Sonntag nach Ostern, 18:00 Uhr, beginnend mit Ostern 2017,

d) jedes Jahr in den Winterferien des Landes B. vom Samstag nach dem letzten Schultag, 14:00 Uhr, bis zum Sonntag vor dem ersten Schultag, 18:00 Uhr,

e) jedes Jahr in den Sommerferien des Landes B. vom vierten Samstag nach Ferienbeginn...

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