Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungsgeld wegen Zuwiderhandlung gegen Umgangsregelung: Keine ahndungsfähige Zuwiderhandlung bei Verstoß gegen geänderte Umgangsregelungen; Unbestimmtheit des Titels; zur Beachtlichkeit neuer Umstände; Verschuldenszurechnung; Vollstreckungsfähigkeit eines Billigungsbeschlusses ohne protokolliertes Einvernehmen des Verfahrensbeistands

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ändern die Vollstreckungsparteien eines Umgangstitels die titulierten Umgangszeiten, so sind die geänderten Umgangszeiten nicht vollstreckbar.

2. Die Regelung eines Umgangs in "der Hälfte der Ferienzeiten" ist mangels Bestimmtheit nicht vollstreckbar.

3. Zur Zuwiderhandlung gegen einen Umgangstitel wegen der Befürchtung einer Ansteckung mit dem Coronavirus.

4. Einem Titelschuldner ist das Verschulden seines Rechtsanwalts im Vollstreckungsverfahren zuzurechnen.

5. Die fehlende Protokollierung des Einvernehmens des Verfahrensbeistandes mit einem Umgangsvergleich steht der Vollstreckung des Billigungsbeschlusses nicht entgegen (Aufgabe Senatsrechtsprechung, Beschluss vom 31. Mai 2019 - 13 WF 118/19 = FamRZ 2019, 1454).

 

Verfahrensgang

AG Neuruppin (Aktenzeichen 52 F 147/17)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Vollstreckungsgläubigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 29.07.2020 wird zurückgewiesen.

2. Der Vollstreckungsgläubiger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Vollstreckungsschuldnerin wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt, unter Beiordnung von Rechtsanwältin ..., Malchow.

Der Antrag des Vollstreckungsgläubigers auf Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Der Vollstreckungsgläubiger wendet sich gegen die Zurückweisung eines Ordnungsgeldantrages wegen zweier Zuwiderhandlungen gegen eine Umgangsregelung.

Er stützt sich auf einen gerichtlich protokollierten und beschlussförmig gebilligten Umgangsvergleich vom 04.12.2017, demzufolge er mit seiner Tochter in der Hälfte der Ferienzeiten Umgang wahrnimmt sowie Wochenendumgang von Freitag 16:00 Uhr bis Sonntag 17:00 Uhr in den geraden Kalenderwochen (vgl. 43), und seinen Ordnungsgeldantrag darauf, dass die Vollstreckungsschuldnerin das Kind weder am 27.03.2020 zum Wochenendumgang noch in der Folgezeit zum Umgang für die Osterferien bereitgehalten habe.

Die Vollstreckungsschuldnerin hat ihrer Verpflichtung zur Umgangsgewährung Bedenken wegen möglicher Ansteckungen mit dem Coronavirus entgegen gehalten.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Vollstreckungsschuldnerin, die sich habe beraten lassen, sei kein Verschulden vorzuwerfen.

2. Die nach §§ 87 Abs. 4 FamFG, 567 ff ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Die Vollstreckung eines Umgangstitels nach § 89 Abs. 1 FamFG durch Festsetzung eines Ordnungsmittels gegen den betreuenden Elternteil setzt eine Zuwiderhandlung gegen eine hinreichend bestimmte und konkrete Regelung des Umgangsrechts voraus. Dafür ist eine genaue und erschöpfende Bestimmung über Art, Ort und Zeit des Umgangs erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 01. Februar 2012 - XII ZB 188/11 -, Rn. 17, 18 m.w.N., juris).

a) In Ansehung des erstrebten Wochenendumgangs vom 27. bis 29.03.2020 fehlt es an einer Zuwiderhandlung gegen den Billigungsbeschluss vom 04.12.2017. Dieser regelt einen Wochenendumgang für gerade Wochen, während der begehrte Umgang in eine ungerade Woche fiel.

Soweit die Eltern nach Beschlusserlass die Umgangszeiten abweichend vom Umgangsbeschluss geregelt haben, haben sie sich einer Vollstreckungsgrundlage begeben. Das vollstreckungsrechtliche Bestimmtheitsgebot steht nicht zu ihrer Disposition. Zudem bildet bei einem protokollierten Vergleich der gerichtliche Billigungsbeschluss die Vollstreckungsgrundlage (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2019 - XII ZB 507/18 -, Rn. 30), und die geänderte Regelung war nicht Gegenstand des Billigungsbeschlusses (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 21. August 2017 - 7 WF 881/17 -, Rn. 11, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 9 WF 118/17 -, Rn. 4, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 01. März 2019 - 4 WF 22/19 -, Rn. 11, juris; Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 532). Dieser, soweit ersichtlich einhelligen, Rechtsprechung ist zu folgen. Namentlich ist das Vollstreckungsverfahren weitestmöglich freizuhalten von Unwägbarkeiten über die Reichweite eines Titels. Soweit den Umgangsbeteiligten an einer gerichtlichen Vollstreckbarkeit ihrer geänderten Umgangsregelung gelegen ist, steht ihnen eine Titulierung im Abänderungsverfahren offen.

b) In Ansehung des erstrebten Ferienumgangs fehlt dem Billigungsbeschluss die Vollstreckungsfähigkeit, da der Ferienumgang zeitlich weder nach Datum noch nach Uhrzeit seines Beginns bestimmt ist (vgl. Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684, Rn. 534 m.w.N.).

c) Die Entscheidung des Amtsgerichts gibt Anlass zu folgendem Hinweis: Bei Missachtung einer wirksam titulier...

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