Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckung eines Umgangsvergleichs

 

Leitsatz (amtlich)

Die gerichtliche Billigung eines Umgangsvergleichs und der Hinweis auf die Folgen der Zuwiderhandlung bedürfen als hoheitlich errichtete Vollstreckungsgrundlagen der Amtszustellung.

Der Vergleich als ein nicht vom Gericht, sondern von den Beteiligten errichteter Titel muss nicht auf Betreiben des Gläubigers zugestellt werden. Es genügt die Zustellung im Amtsbetrieb und ebenso die vom Schuldner selbst veranlasste Zustellung des Titels an den ebenfalls verpflichteten Gläubiger.

Das ausdrücklich erklärte Einvernehmen des Verfahrensbeistandes ist Voraussetzung für die gerichtliche Billigung eines Umgangsvergleichs, und ohne das Einvernehmen kann auch trotz dennoch erteilter Billigung ein Vollstreckungstitel nicht entstehen.

Nicht nur die Art, sondern auch das Höchstmaß des angedrohten hoheitlichen Zwangs einschließlich des Höchstmaßes der Ersatzordnungsmittel muss im Hinweis auf die Folgen der Zuwiderhandlung bestimmt angegeben werden.

 

Normenkette

FamFG § 89 Abs. 2, § 156 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Schwedt (Aktenzeichen 4 F 225/17)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Schwedt/Oder vom 21. März 2019 abgeändert:

Der Antrag wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Gläubiger.

 

Gründe

Die Beschwerde ist begründet.

Der Vollstreckungsantrag ist unzulässig, weil allgemeine und besondere Vollstreckungsvoraussetzungen fehlen.

1. Die Zustellungen des über den Vergleich aufgenommenen Protokolls, der gerichtlichen Billigung und des Hinweises auf die Folgen der Zuwiderhandlung an die Schuldnerin (§§ 87 II, 95 I Nr. 3, 4 FamFG, 795 S. 1, 750 I ZPO) fehlen.

a) Die Billigung (§ 156 II FamFG) und der Hinweis (§ 89 II FamFG) bedürfen als hoheitlich errichtete Vollstreckungsgrundlagen der Amtszustellung (Senat, MDR 2017, 405 = FamRZ 2017, 746, 747; Prütting/Helms-Hammer, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 87 Rdnr. 9, § 156 Rdnr. 69; Musielak/Borth-Borth/Grandel, FamFG, 6. Aufl. 2018, § 89 Rdnr. 7).

b) Die Ansicht, der Vergleich als ein nicht vom Gericht, sondern von den Beteiligten errichteter Titel müsse auf Betreiben des Gläubigers zugestellt werden (MüKo-ZPO-Heßler, 5. Aufl. 2016, § 750 Rdnr. 66; Musielak/Voit-Lackmann, 16. Aufl. 2019, § 750 Rdnr. 18; Wieczorek/Schütze-Paulus, ZPO, 3. Aufl. 1999, § 795 Rdnr. 13; Zöller-Geimer, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 795 Rdnr. 1), teilt der Senat nicht. Die Zustellung ist erforderlich, um durch Urkunden einfach nachweisen zu können, dass der Schuldner Gelegenheit hatte, den Inhalt der zu vollstreckenden Verpflichtung zur Kenntnis zu nehmen. Diese den Schuldner schützende Wirkung hat auch die - wenn auch überobligatorische - Zustellung im Amtsbetrieb (Senat, MDR 2017, 405 = FamRZ 2017, 746, 747; NJOZ 2016, 1538, Abs. 14; NJW-RR 2015, 520 = FamRZ 2015, 1224, 1225; Prütting/Helms-Hammer, § 87 Rdnr. 9; Keidel-Giers, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 87 Rdnr. 12; Stein/Jonas-Münzberg, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 750 Rdnr. 33; Wieczorek/Schütze-Salzmann, § 750 Rdnr. 26) und ebenso die vom Schuldner selbst veranlasste Zustellung des Titels an den ebenfalls verpflichteten Gläubiger (Zöller-Seibel, § 750 Rdnr. 16 a.E.; Schuschke/Walker, Vollstreckung, 5. Aufl. 2011, § 750 Rdnr. 24).

c) Indes ist keine dieser Zustellungen den Akten zu entnehmen. Der Gläubiger hat eine von ihm veranlasste oder an ihn gerichtete Zustellung nicht nachgewiesen. Die auf das Protokoll folgende Verfügung des Amtsgerichts (4 F 225/17, Bl. 96R) enthält allein die Anordnung "Protokoll an", und es folgt die Benennung der Beteiligten; die Zustellung ist nicht angeordnet worden. Der Erledigungsvermerk lautet "4x forml.".

2. Dem geschlossenen Vergleich fehlt das Einvernehmen eines Beteiligten.

a) Ein Vergleich, in den die einvernehmliche Regelung über den Umgang mit einem Kind aufgenommen wird, eignet sich nur dann als Vollstreckungstitel (§ 86 I Nr. 2 FamFG), wenn alle Beteiligten ihr Einvernehmen erklärt haben (§ 156 II 1 FamFG). Zu den Beteiligten zählt gemäß § 158 III 2 FamFG der bestellte Verfahrensbeistand. Sein ausdrücklich erklärtes Einvernehmen ist Voraussetzung für die gerichtliche Billigung, und ohne das Einvernehmen kann auch trotz dennoch erteilter Billigung ein Vollstreckungstitel nicht entstehen (Senat, FamRZ 2017, 391; Musielak/Borth-Borth/Grandel, § 156 Rdnr. 9; Prütting/Helms-Hammer, § 156 Rdnr. 52; Keidel-Engelhardt, § 156 Rdnr. 12; Zöller-Lorenz, § 156 FamFG Rdnr. 4). Ob eine verfassungskonform einschränkende Auslegung und Anwendung des § 156 II FamFG erforderlich ist, wenn einer der institutionell Beteiligten - das Jugendamt, der Verfahrensbeistand - ihr Einvernehmen grundlos oder aus nicht anerkennenswerten Gründen verweigern (vgl. MüKo-FamFG-Schumann, FamFG, 3. Aufl. 2018, § 156 Rdnr. 24 f.), braucht hier nicht erörtert zu werden, weil der Verfahrensbeistand eine Erklärung über sein Einvernehmen nicht abgegeben hat, auch nicht eine Verweigerung seines Einvernehmens.

Dem im Anschluss an den Vergleich in das Protokoll au...

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