Unter Stütze im Sinne des Gesetzes ist zum einen die vertikale Festigkeit zu verstehen, welche die benachbarten Grundstücke sich gegenseitig durch das Erdreich gewähren, sodass ein seitliches Abstürzen oder Abrutschen vermieden wird. Zum anderen zählt dazu aber auch die horizontale Festigkeit, die ein Grundstück in seinen unteren Bodenschichten findet und die etwa durch Grundwasserentzug oder durch Horizontalbewegungen als Folge von Bodenpressungen beeinträchtigt werden kann.[1]

Das durch derartige Beeinträchtigungen gefährdete Nachbargrundstück muss nicht unmittelbar an das Grundstück angrenzen, von dem die Beeinträchtigungen ausgehen. Geschützt sind nach der Rechtsprechung des BGH vielmehr alle im Einwirkungsbereich der Vertiefung liegenden Grundstücke und damit auch weiter entfernte, wenn nur die Einwirkung (etwa bei Hanglage) bis zu ihnen reicht.[2]

Problematisch kann es dann werden, wenn ein Gebäude auf dem Nachbargrundstück etwa aufgrund seines Alters besonders anfällig ist und deshalb auch geringe Bodensenkungen nicht verträgt. Die Gesetzeslage ist an sich eindeutig, weil § 909 BGB fordert, dass durch Vertiefungsmaßnahmen dem Nachbargrundstück nicht die "erforderliche" Stütze entzogen werden darf. Daraus folgert der BGH, dass sich die Frage nach dem Verlust der erforderlichen Stütze danach beurteilt, welche Befestigung das Nachbargrundstück nach seiner tatsächlichen Beschaffenheit erfordert. Rechtswidrig ist eine Vertiefung nach seiner Auffassung deshalb auch dann, wenn sie zu einer Beeinträchtigung der Standfestigkeit eines Nachbarhauses nur in Anbetracht seiner durch Alter bedingten Schadensanfälligkeit führt. Diesem Umstand müsse eben durch höhere Schutzmaßnahmen Rechnung getragen werden.[3]

Nur in ganz seltenen Ausnahmefällen bejaht die Rechtsprechung die Zulässigkeit einer Grundstücksvertiefung trotz nicht vermeidbarer Schadensanfälligkeit eines Nachbarhauses. Diese Ausnahmen begründet sie nach den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses[4] mit dem Argument, dass

  • das Interesse des die Vertiefung vornehmenden Grundstückseigentümers an seiner Baumaßnahme das des Nachbarn an der Erhaltung der Standfestigkeit seines Gebäudes weit überwiegen muss,
  • die drohenden Schäden nicht durch eine andere Planung vermieden werden können und
  • dem Nachbarn als Ausgleich für die ausnahmsweise Pflicht zur Duldung der Vertiefung ein Geldausgleich als Entschädigung gezahlt wird.[5]
[1] Grundlegend hierzu BGH, Urteil v. 13.7.1965, V ZR 169/64, NJW 1965, 2099.
[3] So BGH, Urteil v. 26.11.1982, V ZR 314/81, NJW 1983, 872; BGH, Urteil v. 27.5.1987, V ZR 59/86, NJW 1987, 2810; OLG Düsseldorf, Urteil v. 28.6.1996, 22 U 19/96, NJW-RR 1997, 146.
[4] Vgl. hierzu Wegner, Nachbarrecht: Rechtsgrundlagen, Kap. 2.3 Nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis.
[5] Vgl. hierzu BGH, Urteil v. 10.7.1987, V ZR 285/85, NJW 1987, 2808.

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