Gesetzestext

 

(1) 1Soweit dies erforderlich erscheint, um für die Gläubiger nachteilige Rechtshandlungen des Schuldners aufzuklären oder zu verhindern, ordnet das Insolvenzgericht auf Antrag des Insolvenzverwalters oder von Amts wegen durch begründeten Beschluss an, dass die in dem Beschluss bezeichneten Unternehmen bestimmte oder alle Postsendungen für den Schuldner dem Verwalter zuzuleiten haben.. 2Die Anordnung ergeht nach Anhörung des Schuldners, sofern dadurch nicht wegen besonderer Umstände des Einzelfalls der Zweck der Anordnung gefährdet wird. 3Unterbleibt die vorherige Anhörung des Schuldners, so ist dies in dem Beschluß gesondert zu begründen und die Anhörung unverzüglich nachzuholen.

(2) 1Der Verwalter ist berechtigt, die ihm zugeleiteten Sendungen zu öffnen. 2Sendungen, deren Inhalt nicht die Insolvenzmasse betrifft, sind dem Schuldner unverzüglich zuzuleiten. 3Die übrigen Sendungen kann der Schuldner einsehen.

(3) 1Gegen die Anordnung der Postsperre steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. 2Das Gericht hat die Anordnung nach Anhörung des Verwalters aufzuheben, soweit ihre Voraussetzungen fortfallen.

Bis einschließlich 30. Juni 2007 geltende Fassung des § 98 Abs. 1 Satz 1:

 

(1) 1Soweit dies erforderlich erscheint, um für die Gläubiger nachteilige Rechtshandlungen des Schuldners aufzuklären oder zu verhindern, ordnet das Insolvenzgericht auf Antrag des Insolvenzverwalters oder von Amts wegen durch begründeten Beschluss an, dass die in dem Beschluss bezeichneten Unternehmen bestimmte oder alle Postsendungen für den Schuldner dem Verwalter zuzuleiten haben.

1. Allgemeines

 

Rn 1

Durch Art. 1 Nr. 16 des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.4.2007[1] ist der letzte Teilsatz von § 99 Abs. 1 Satz 1 neu gefasst worden. Nach Art. 3 Nr. 2 dieses Gesetzes (= § 103c Abs. 1 EGInsO) sind auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1. Juli 2007 eröffnet worden sind, mit wenigen Ausnahmen (zu denen § 99 nicht gehört) die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden. Welche praktische Bedeutung die Änderung im Wortlaut des § 99 Abs. 1 Satz 1 hat, wird unten bei Rn. 11 behandelt.

Schon nach § 121 KO bestand die Möglichkeit, gegen den Schuldner eine Postsperre anzuordnen. Dieses Instrument stellt insbesondere in der Anfangsphase eines Verfahrens für den Verwalter oftmals eine unverzichtbare Quelle für Ermittlungen nach dem Verbleib von Vermögensgegenständen dar, vor allem solange sich der Schuldner noch nicht auf diese Beschränkung einrichten konnte. Die gegen § 121 KO vereinzelt immer wieder vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf Art. 10 Abs. 1 GG wurden vom Bundesverfassungsgericht für unbegründet erklärt.[2] Insbesondere genügte die Fassung der konkursrechtlichen Vorschrift dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten gesetzlichen Bestimmtheitsgebot. Dies war bei der rudimentären Regelung des § 6 Abs. 2 Nr. 2 GesO schon eher zweifelhaft.

Den gegen die bisherigen Regelungen geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken und den von der Rechtsprechung zu diesen Regelungen entwickelten Anwendungsgrundsätzen genügt die ausführliche Vorschrift des § 99, in der nunmehr auch die nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu erfüllenden Mindestanforderungen gesetzlich konkretisiert wurden. Gleichwohl war auch diese Vorschrift im Gesetzgebungsverfahren nicht unumstritten. So war noch nach dem Regierungsentwurf einer Insolvenzordnung in dem entsprechenden § 112 RegEInsO vorgesehen, dass der Verhängung einer Postsperre zwingend die Anhörung des Schuldners vorauszugehen habe. Mit Rücksicht auf die mit einer solchen "Warnung" des Schuldners verbundene praktische Entwertung dieser Sicherungsmaßnahme hat der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren zutreffend verlangt, dass die Postsperre im Einzelfall auch ohne vorherige Anhörung des Schuldners verhängt werden kann. Dieser Argumentation hat sich dann die Bundesregierung dem Grunde nach angeschlossen, jedoch wiederum einige Einschränkungen vorgenommen, um zu verhindern, dass sich die Postsperre als Regelfall herausbildet.[3] Auf Initiative des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages wurde dann das Instrumentarium der vorherigen und nachträglichen Anhörung des Schuldners mit Rücksicht auf die praktischen Bedürfnisse flexibler gestaltet und die Vorschrift in ihre jetzige Form gebracht.

 

Rn 2

Diese Sicherungsmaßnahme kann nicht nur bei natürlichen Personen, sondern auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit angewandt werden. Bei juristischen Personen und Personengesellschaften wird das Bedürfnis nach einer Postsperre verschiedentlich als gering bezeichnet oder ganz verneint, da geschäftliche Schreiben (eine Privatsphäre und Privatpost gibt es bei diesen Gebilden ja nicht) wegen des Verwaltungsrechts nach § 80 Abs. 1 "im Insolvenzverfahren auch ohne die Anordnung einer Postsperre dem Insolvenzverwalter zugehen und von ihm geöffnet werden dürfen"[4] Indessen ist es zweierlei, ob ein Insolvenz...

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