Rn 10

Zwar wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht das allgemeine Besteuerungsverfahren gegen den Schuldner unterbrochen (vgl. § 155 Abs. 1), jedoch erfasst die Unterbrechungswirkung ein bei Verfahrenseröffnung laufendes steuerliches Festsetzungs-, Erhebungs-, Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren (vgl. § 155 FGO) sowie auch das Vollstreckungsverfahren.[23] Demnach sind also auch Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zur Tabelle anzumelden, soweit der Steuergläubiger Insolvenzgläubiger nach § 38, § 52 Satz 1 ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob gegen den Schuldner bereits zuvor ein Steuerbescheid ergangen ist oder ob dieser rechtskräftig ist.[24] Ebenso wie schon nach der Konkursordnung ist hinsichtlich dieser Forderungen der Erlass eines Steuerbescheids anstelle einer Forderungsanmeldung unzulässig und nichtig.[25] Dies gilt auch für Bescheide, in denen lediglich Besteuerungsgrundlagen festgestellt oder festgesetzt werden, die die Höhe der zur Tabelle anzumeldenden Forderungen beeinflussen könnten, z.B. Steuermessbescheide.[26] Auch hier ist unter Heranziehung der zur Festsetzung beabsichtigten Berechnungsgrundlagen zunächst die Steuerforderung gegen den Schuldner zu berechnen[27] und nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 174 ff. zur Tabelle anzumelden. Erst wenn eine angemeldete Forderung im Prüfungstermin vom Insolvenzverwalter oder einem Insolvenzgläubiger bestritten worden ist, ist ein gegen den Bestreitenden zu richtender Feststellungsbescheid des Finanzamts zulässig (§ 185 Satz 1 Fall 2 i.V.m. § 251 Abs. 3 AO).[28] Er hat nach § 185 Satz 1 Fall 2, Satz 2 die Funktion eines Feststellungsurteils i.S. des § 183 Abs. 1, stellt also entweder die Forderung zur Tabelle fest oder erklärt den Widerspruch für begründet.[29] Gegen den Feststellungsbescheid steht dem Widersprechenden (Insolvenzverwalter oder Insolvenzgläubiger) die Möglichkeit des Einspruchs und anschließend der Weg zu den Finanzgerichten zur Verfügung. War bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Einspruchsverfahren gegen einen vorher erlassenen Steuerbescheid anhängig, so ist die Feststellung einer im Prüfungstermin bestrittenen Steuerforderung durch die Aufnahme des nach § 240 ZPO unterbrochenen Einspruchsverfahrens – seitens des Finanzamts oder des Widersprechenden[30] – zu betreiben; ein Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO darf angesichts des bereits vorliegenden Steuerbescheids nicht mehr ergehen.[31]

Die vorstehenden Ausführungen gelten für sonstige öffentlich-rechtliche Forderungen (Gebühren-, Beitragsforderungen) entsprechend.[32]

 

Rn 11

Sind Steuerforderungen dagegen als Masseverbindlichkeiten nach § 55 zu qualifizieren (zu beachten sind hierbei ggf. auch die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründeten Steuerverbindlichkeiten – vgl. § 55 Abs. 2), so können sie unberührt von § 87 mittels Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden, da sie nach § 53 aus der Insolvenzmasse vorweg zu berichtigen sind.[33]

[24] Zwar bindet ein rechtskräftiger Bescheid auch den Insolvenzverwalter und andere Insolvenzgläubiger (soweit nicht eine Insolvenzanfechtung oder ähnliche Ausnahmetatbestände durchgreifen). Gleichwohl bedarf es natürlich einer Anmeldung, wenn der Gläubiger seine Forderung im Insolvenzverfahren berücksichtigt wissen will.
[25] BFHE 78, 172 (175) [BFH 07.11.1963 - IV 210/62 S]; 183, 365 (367 f.) = ZIP 1997, 2160 f. [BFH 02.07.1997 - I R 11/97]; BFHE 205, 409 (413) = ZIP 2004, 1423 [BFH 04.05.2004 - VII R 45/03]; BFH ZInsO 2004, 862 (863) und 2005, 97 (99); BFH ZIP 2005, 997 (998) [BFH 04.02.2005 - VII R 20/04].
[26] BFHE 183, 365 [BFH 02.07.1997 - I R 11/97] (367 f.) = ZIP 1997, 2160 f. [BFH 02.07.1997 - I R 11/97] für Gewerbesteuermessbescheide – Änderung gegenüber der bisherigen Rechtsprechung (BFHE 144, 198 [BFH 17.07.1985 - I R 117/84]); ferner BFHE 201, 392 [BFH 18.12.2002 - I R 33/01] (393 f.) = ZInsO 2003, 471 = ZIP 2003, 1212; BFH ZInsO 2005, 97 (99) = ZIP 2004, 2392 [2393 f.]).
[27] Diese Berechnung kann dem Verwalter durch "informatorischen Bescheid" mitgeteilt werden, der sich aber deutlich von einem Feststellungsbescheid unterscheiden muss (BFH ZInsO 2005, 97 [99] = ZIP 2004, 2392 [BFH 24.08.2004 - VIII R 14/02] [2394]).
[28] BGH DB 1969, 200 (201); BFH ZInsO 2005, 97 (100) = ZIP 2004, 2392 (2394 f.).
[29] Ist durch die Insolvenzeröffnung ein anhängiges Verfahren zur Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, z.B. ein Gewinnfeststellungsverfahren, unterbrochen worden, das nicht auf eine Feststellung zur Insolvenztabelle umgestellt werden kann, so ist zunächst ein Bescheid über die Feststellung dieser Besteuerungsgrundlagen zu erlassen (BFH ZInsO 2005, 97 [100] = ZIP 2004, 2392 [BFH 24.08.2004 - VIII R 14/02] [2395]).
[30] Zur Aufnahme ist außer dem Widersprechenden auch der Gläubiger berechtigt (BFH ZIP 2005, 1184 [BFH...

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