Gesetzestext

 

(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:

1. die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören;
2. aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss;
3. aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.

(2) 1Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. 2Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

(3) 1Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. 2Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.

(4) Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit.

1. Systematik und Regelungszweck

 

Rn 1

§ 55 definiert neben anderen Vorschriften[1] diejenigen Masseverbindlichkeiten, die nicht Verfahrenskosten nach § 54 sind. Während in § 54 die reinen Kosten des Verfahrens in Form der Gerichtskosten für das (vorläufige) Insolvenzverfahren und die Vergütungen für vorläufigen Insolvenzverwalter, Insolvenzverwalter und die Mitglieder des Gläubigerausschusses erfasst werden, regelt § 55 die sonstigen Masseverbindlichkeiten, die von dem jeweiligen Verwalter[2] rechtsgeschäftlich oder tatsächlich begründet werden oder gesetzlich aus der tatsächlichen Verwaltung folgen.

 

Rn 2

Die Abgrenzung zu Insolvenzforderungen nach § 38 erfolgt im Wesentlichen durch Zuordnung der Verbindlichkeiten zu Zeiträumen. Nach dem Wortlaut von Abs. 1 kommt es darauf an, wann die jeweilige Verbindlichkeit "begründet" wurde. Die Abgrenzung zu Insolvenzforderungen wirft wenig Schwierigkeiten auf, wenn eine Verbindlichkeit auf einer Handlung des Verwalters beruht. Deutlich schwieriger ist die Abgrenzung bei Verbindlichkeiten, die (vom Schuldner) aufgedrängt wurden (Abs. 1 Nr. 2 Var. 2) oder kraft Gesetzes auf "Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse" beruhen (Abs. 1 Nr. 1 Var. 2)[3]. Die Differenzierung zwischen Verfahrenskosten und sonstigen Masseverbindlichkeiten ist relevant insbesondere im Hinblick auf die Vorsteuerabzugsberechtigung bei sonstigen Masseverbindlichkeiten. Die Differenzierung wird deutlich bei der Frage der Zuordnung der Vergütung des Kassenprüfers im Insolvenzverfahren.[4]

 

Rn 3

Die Systematik der Vorschrift orientiert sich an den Zeiträumen, in denen Masseverbindlichkeiten begründet werden. Abs. 1 bezieht sich auf Masseverbindlichkeiten, die während des Insolvenzverfahrens begründet werden. Dabei wiederum unterscheidet die Vorschrift zwischen Masseverbindlichkeiten, die vom Insolvenzverwalter rechtsgeschäftlich oder tatsächlich begründet werden,[5] und Masseverbindlichkeiten, die ohne Handlung des Insolvenzverwalters als Masseverbindlichkeit entstehen.[6] Abs. 2 bezieht sich auf Masseverbindlichkeiten, die im Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung von einem starken vorläufigen Insolvenzverwalter[7] begründet werden. Abs. 3 normiert Ausnahmen zu dem Grundsatz aus Abs. 2 und Abs. 4 erhebt Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis in den Rang von Masseverbindlichkeiten, soweit sie im Zeitraum der schwachen vorläufigen Insolvenzverwaltung[8] begründet wurden.

 

Rn 4

Masseverbindlichkeiten können begriffsnotwendig erst mit Entstehung der Insolvenzmasse, also erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen. Aus diesem Grund können Verbindlichkeiten, die außerhalb des Insolvenzverfahrens begründet werden, nicht unmittelbar Masseverbindlichkeiten sein. Daher arbeitet der Gesetzeswortlaut mit einer Fiktion: "… gelten … als Masseverbindlichkeit"[9] hinsichtlich der Normteile, die sich auf Verbindlichkeiten aus dem Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung beziehen (Abs. 2, Abs. 4). Sprachlich ist diese Regelung ungenau. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die angesprochenen Verbindlichkeiten Masseverbindlichkeiten, also Verbindlichkeiten der Insolvenzmasse, sonst könnten sie nicht gegen die Insolvenzmasse wirken. Lediglich zum Zeitpunkt ihrer Begründung im Eröffnungsverfahren handelt es sich noch nicht um Masseverbindlichkeiten. Vor Geltung der InsO wurde differenziert zwischen echten und unechten Masseverbindlichk...

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