Rn 1

§ 354 InsO regelt die Voraussetzungen zur Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens. Hierbei handelt es sich um ein territorial beschränktes Insolvenzverfahren, das nur das inländische Vermögen des Schuldners erfasst wird. Das in anderen Staaten belegene Vermögen bleibt somit außerhalb dieses Verfahrens und kann nicht zur Partikularinsolvenzmasse gezogen worden. Partikularinsolvenzverfahren können entweder als unabhängige Verfahren oder als Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet werden, wobei im letzten Fall die §§ 356 bis 358 InsO ergänzend gelten.[1] Somit können drei Arten von Insolvenzverfahren nach der Systematik der §§ 335 ff. InsO eröffnet werden:

Hauptinsolvenzverfahren: Das Hauptinsolvenzverfahren wird am Sitz des Schuldners eröffnet oder dort, wo der Mittelpunkt einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners belegen ist. Dieses Verfahren hat eine universale Geltung und wird in Deutschland anerkannt (§ 343 InsO).
Partikularverfahren: Ein Partikularverfahren ist ein besonderes Insolvenzverfahren über das inländische Vermögen des Schuldners. Es kann als allein stehendes Verfahren oder zusätzlich zu einem Hauptinsolvenzverfahren in Form eines Sekundärinsolvenzverfahrens eröffnet werden. Das Partikularverfahren hat eine territorial beschränkte Wirkung.
Sekundärinsolvenzverfahren: Ein Sekundärinsolvenzverfahren stellt einen Unterfall des Partikularverfahrens dar und kann dann eröffnet werden, wenn die Voraussetzungen des Partikularverfahrens erfüllt sind und ein Hauptinsolvenzverfahren in einem Drittstaat bereits eröffnet wurde.
 

Rn 2

Dies korrespondiert in etwa mit dem System der EuInsVO.[2] Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch darin, dass gemäß § 354 InsO ein Partikularinsolvenzverfahren bereits bei Vorhandensein von einzelnen Vermögensgegenständen eröffnet werden kann, während die EuInsVO nur bei einer Niederlassung ein Territorialverfahren zulässt. § 354 InsO kann zu einer Zersplitterung des Hauptinsolvenzverfahrens und der Insolvenzmasse führen und beeinträchtigt sowohl die Durchsetzung der Gläubigerrechte als auch etwaige Sanierungsbemühungen.[3]

 

Rn 3

Zu erwähnen ist ferner, dass die Eröffnung von Partikularinsolvenzverfahren bei Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen nicht zulässig ist, wie sich aus § 46e Abs. 2 KWG bzw. § 88 Abs. 1b VAG ergibt. Diese gesonderte Regelung ist auf die Richtlinien 2001/24/EG und 2001/17/EG zurückzuführen. Da in der deutschen Umsetzung dieser Richtlinien entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut Sekundärverfahren nicht ausgeschlossen waren, sollte in den jeweiligen Gesetzen (KWG und VAG) nachträglich einen Ausschluss ausdrücklich normiert werden. Jedoch gilt der Ausschluss von Partikularinsolvenzverfahren nach § 46e Abs. 2 KWG und § 88 Abs. 1b VAG nur für Insolvenzverfahren innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums, sodass solche Verfahren im außereuropäischen Kontext zulässig sind. Aus deutscher Sicht gelten dann die §§ 335 ff. InsO ohne Einschränkung.[4]

[1] Braun-Liersch/Delzant, § 354 Rn. 1.
[2] MünchKomm-Reinhart, § 354 Rn. 3. Siehe hierzu Pannen, EuInsVO Art. 3 Rn. 3 f.
[3] Braun-/Liersch/Delzant, § 354 Rn. 2; Uhlenbruck-Lüer, § 354 Rn. 4.
[4] Pannen, Krise und Insolvenz bei Kreditinstituten, Kapitel 6 Rn. 75.

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