Gesetzestext

 

(1) Das Recht eines Dritten an einem Gegenstand der Insolvenzmasse, der zur Zeit der Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens im Inland belegen war, und das nach inländischem Recht einen Anspruch auf Aussonderung oder auf abgesonderte Befriedigung gewährt, wird von der Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens nicht berührt.

(2) Die Wirkungen des ausländischen Insolvenzverfahrens auf Rechte des Schuldners an unbeweglichen Gegenständen, die im Inland belegen sind, bestimmen sich, unbeschadet des § 336 Satz 2, nach deutschem Recht.

1. Überblick

 

Rn 1

§ 351 Abs. 1 sieht (in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 1 EuInsVO) vor, dass dingliche Rechte Dritter von der Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens nicht berührt werden. Hintergrund hierfür ist die Gewährleistung der Sicherheit des Wirtschafts- und Rechtsverkehrs:[1] Die inländischen Gläubiger sollen darauf vertrauen können, dass ihre Sicherungsrechte insolvenzfest bleiben, auch wenn ein Insolvenzverfahren im Ausland eröffnet wird. Denn die Geltendmachung des Aussonderungs- bzw. Absonderungsrechts könnte nach der ausländischen lex fori concursus mit erheblichen Schwierigkeiten einhergehen.[2] Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Massegegenstände jeder Verwertung entzogen werden, sondern dass diese Verwertung nicht nach Maßgaben der ausländischen lex fori concursus stattfinden soll. Die Verwertung kann insbesondere im Rahmen eines inländischen Sekundärinsolvenzverfahrens nach § 356 erfolgen.[3]

 

Rn 2

Streitig ist, ob § 351 Abs. 1 eine Kollisions-[4] oder eine Sachnorm[5] darstellt. Ähnlich dem Art. 5 Abs. 1 EuInsVO[6] handelt es sich hierbei um eine Sachnorm, da § 351 Abs. 1 sich darauf beschränkt, die Anwendbarkeit der ausländischen lex fori concursus auszuschließen, ohne das anwendbare Recht zu bestimmen.

 

Rn 3

Gemäß § 351 Abs. 2 bestimmen sich die Wirkungen des ausländischen Insolvenzverfahrens auf die Rechte des Schuldners an unbeweglichen Gegenständen nach deutschem Recht. Dies entspricht der Regelung in Art. 11 EuInsVO.

[1] MünchKommBGB-Kindler, IntInsR Rn. 1132; Smid, Komm-EuInsVO § 351 Rn. 1; HK-Stephan, § 351 Rn. 2.
[2] Smid, Komm-EuInsVO § 351 Rn. 1.
[3] Braun-Liersch, § 351 Rn. 13.
[4] So insbesondere Smid, Komm-EuInsVO § 351 Rn. 1.
[5] Braun-Liersch, § 351 Rn. 1; Liersch, NZI 2003, 302 (307); MünchKommBGB-Kindler, IntInsR Rn. 1135; Gottwald-Gottwald, § 131 Rn. 26.
[6] Siehe hierzu Pannen/Ingelmann, EuInsVO, Art. 5 Rn. 16.

2. § 351 Abs. 1

2.1 Voraussetzungen

2.1.1 Erfasste dingliche Rechte

 

Rn 4

Dem Wortlaut des § 351 Abs. 1 zufolge betrifft diese Norm das "Recht an einem Gegenstand der Insolvenzmasse, das […] einen Anspruch auf Aussonderung oder abgesonderte Befriedigung gewährt". Insofern wird auf die §§ 47-51 verwiesen. Erfasst sind insbesondere[7]:

  • Pfandrechte,
  • Pfändungspfandrechte,
  • Sicherungseigentum,
  • Hypotheken und
  • Grundschuld.
 

Rn 5

Des Weiteren muss es sich bei dem betroffenen Gegenstand um einen Gegenstand der Insolvenzmasse handeln. Zur Bestimmung der Massezugehörigkeit ist die lex fori concursus anzuwenden.[8]

[7] Siehe Smid, Komm-EuInsVO § 351 Rn. 4; MünchKommBGB-Kindler, IntInsR Rn. 1136.
[8] Braun-Liersch, § 351 Rn. 8.

2.1.2 Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

 

Rn 6

Das dingliche Recht muss bereits vor Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens bestanden haben.[9] Maßgeblich ist allein der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung und nicht etwa der Zeitpunkt der Antragstellung.[10] Rückwirkungsfiktionen des nationalen Rechts (sog. relation back principle), die im englischen, irischen und walisischen Recht existieren, sind insoweit – genauso wie auf europäischer Ebene – unbeachtlich.[11]

[9] MünchKommBGB-Kindler, IntInsR Rn. 1137; HK-Stephan, § 351 Rn. 7.
[10] Braun-Liersch, § 351 Rn. 9; MünchKommBGB-Kindler, IntInsR Rn. 1137.
[11] Für die EuInsVO, siehe Pannen/Pannen, EuInsVO, Art. 3 Rn. 89.

2.1.3 Im Inland belegen

 

Rn 7

Nach § 351 Abs. 1 muss sich der betroffene Massegegenstand im Inland befinden. Zur Bestimmung der Lokalisierung des Gegenstandes sollte diejenige Rechtsordnung herangezogen werden, die für diesen Gegenstand anwendbar ist, d.h. in der Regel die lex rei sitae.

2.2 Rechtsfolgen

 

Rn 8

Gemäß § 351 Abs. 1 hat das ausländische Insolvenzverfahren keine Auswirkungen auf dingliche Rechte Dritter, so dass dem ausländischen Insolvenzverwalter keine Verwertungsmöglichkeit zusteht. Allein der gesicherte Gläubiger verfügt über das Recht zur Verwertung durch Einzelzwangsvollstreckung.[12] Da § 351 eine Sachnorm darstellt, werden aufgrund der "Unberührbarkeit" entgegenstehende Vorschriften sowohl des ausländischen als auch des deutschen Rechts verdrängt.[13]

 

Rn 9

Die einzige Zugriffsmöglichkeit des ausländischen Insolvenzverwalters besteht darin, gemäß § 356 Abs. 2 die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens zu beantragen: In diesem Fall findet § 351 Abs. 1 keine Anwendung, so dass die lex fori concursus secundarii, d.h. in diesem Fall das deutsche Recht (§§ 165 ff.), nunmehr die Verwertung des gesicherten Massegegenstand regelt.[14]

[12] Braun-Liersch, § 351 Rn. 11; MünchKommBGB-Kindler, IntInsR Rn. 1139; HK-Stephan, § 351 Rn. 6.
[13] HK-Stephan, § 351 Rn. 6; MünchKommBGB-Kindler, IntInsR Rn. 1139.
[14] Sm...

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