Rn 15

Die Anerkennung des Verfahrens setzt voraus, dass die Gerichte des Staates der Verfahrenseröffnung nach deutschem Recht international zuständig sind. Die internationale Zuständigkeit ist von Amts wegen zu prüfen und kann nicht durch Parteivereinbarung oder rügeloses Einlassen begründet werden.[23]

Fehlt die internationale Zuständigkeit, so ist das ausländische Verfahren nicht anzuerkennen; eine teilweise Anerkennung des Verfahrens kommt insoweit nicht in Betracht[24] (sog. "Spiegelbildprinzip"). Da die Insolvenzordnung eine Regelung über die internationale Zuständigkeit nicht enthält, bestimmt sich die Zuständigkeit für die Anerkennung eines Insolvenzverfahrens spiegelbildlich zur Entscheidungszuständigkeit der deutschen Gerichte.[25] Maßgeblich ist also, ob bei hypothetischer Anwendung der Insolvenzordnung das ausländische Gericht für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig wäre.[26] Es kommt zu einer doppelfunktionalen Anwendbarkeit der örtlichen Zuständigkeit des § 3 InsO.[27]

 

Rn 16

Die internationale Zuständigkeit ist mithin dann zu bejahen, wenn der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit (§ 3 Abs. 1 Satz 2 InsO) des Schuldners am Ort der Eröffnung im Ausland liegt. Der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit liegt an dem Ort, von dem aus der wesentliche Teil der Geschäfte selbständig erledigt wird.

 

Rn 17

Der Begriff der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit erfordert nicht die Verfolgung einer gewerblichen Tätigkeit. Der weit gefasste Terminus bezieht auch die selbständig Tätigen mit ein.[28] Ist ein solcher Mittelpunkt der Tätigkeit nicht feststellbar, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz bzw. seinen satzungsmäßigen Sitz hat (§ 3 Abs. 1 Satz 1).

 

Rn 18

Für den Fall der Zuständigkeitskonkurrenz mehrerer Gerichte, die insbesondere dann auftreten kann, wenn der Schuldner mehrere Wohnsitze bzw. Sitze hat oder mehrere Mittelpunkte einer selbständigen Tätigkeit gegeben sind, enthält § 3 Abs. 2 eine Prioritätsregel, die auch für die Anerkennungszuständigkeit analog gilt.[29] Demnach ist das Gericht, bei dem die Verfahrenseröffnung zuerst beantragt wird, für das Verfahren zuständig.[30] Die Verlegung des Sitzes nach Eingang des Insolvenzantrags bei dem die Zuständigkeit begründenden Gericht ist schon wegen des Grundsatzes der perpetuatio fori unerheblich.[31]

[23] Vgl. HK-Stephan, § 343 Rn. 9.
[24] Habscheid, S. 322.
[25] BGHZ 122, 373 (375); Trunk, S. 268 ff.
[26] BGHZ 120, 334 (337); Kübler/Prütting-Kemper, § 343 Rn. 11; Leipold, in: Stell, S. 185 (191).
[27] Lüer, Deutsches Internationales Insolvenzrecht, in: Kölner Schrift, S. 297 (303) Rn. 14 f.; Gottwald-Gottwald, § 130 Rn. 17; Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts, BT-Drs. 15/16, S. 21.
[28] Kübler/Prütting-Kemper, Art. 102 EGInsO Rn. 80; Habscheid, S. 322.
[29] MünchKomm-Reinhart, Art. 102 EGInsO Rn. 303.
[30] Kübler/Prütting-Kemper, Art. 102 EGInsO Rn. 81. Auch im Rahmen der EulnsVO gilt das Prioritätsprinzip, wobei es dort nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern auf den Zeitpunkt der wirksamen Eröffnungsentscheidung ankommt.
[31] Vgl. auch HK-Stephan, § 343 Rn. 10. Vorher veränderte Tatsachen, die die Universalzuständigkeit begründen, sind grundsätzlich beachtlich, mit Ausnahme von evidenten Missbrauchsfällen.

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