Rn 19

Die Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens darf nicht zu einem Ergebnis führen, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere mit den Grundrechten, offensichtlich unvereinbar ist. In Art. 26 EulnsVO ist der in § 343 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 normierte ordre-public-Vorbehalt geregelt.

 

Rn 20

Die Vorschrift erfasst sowohl den verfahrensrechtlichen ordre public, der die Ergebnisse einer ausländischen richterlichen Rechtsanwendung auf die Anerkennung im Ausland betrifft, als auch den materiell-rechtlichen ordre public, der das Ergebnis einer auf dem Insolvenzstatut beruhenden Folgewirkung der ausländischen Verfahrenseröffnung auf das Inland betrifft.[32] Von Amts wegen ist deshalb zu prüfen, ob das Ergebnis des Verfahrens im konkreten Fall mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar ist. Dies ist etwa zu bejahen, wenn Grundsätze der Gläubigerautonomie oder des Schuldnerschutzes verletzt werden.[33] Der Vorbehalt des ordre public korrigiert die möglicherweise auftretenden Rechtsnachteile bei der Anwendung fremden Rechts.

 

Rn 21

Der Erlass eines Eröffnungsbeschlusses ohne die Anhörung des Schuldners,[34] der missbräuchliche Einsatz eines Insolvenzverfahrens als beispielsweise verdeckte Enteignung des Schuldners oder die wettbewerbswidrige Förderung von Konkurrenzunternehmen,[35] die Korruption oder politische Willkür der Insolvenzorgane oder der Fall, dass der Schuldner durch willkürliche staatliche Maßnahmen in die Insolvenz getrieben wurde,[36] sind offensichtliche Verstöße des ausländischen Insolvenzrechts gegen den ordre public.[37]

 

Rn 22

Die fehlende Veröffentlichung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Deutschland,[38] der Ausschluss ausländischer Fiskalforderungen[39] oder eine großzügigere Restschuldbefreiung als nach deutschem Recht[40] sind allerdings nicht als Verstoß gegen den ordre public anzusehen.

 

Rn 23

Liegt eine Verletzung des ordre public vor, so ist zu unterscheiden, ob dieser Verstoß sich auf einzelne isolierbare Insolvenzwirkungen oder einzelne Insolvenzbeteiligte begrenzen lässt oder die Gesamtheit des Insolvenzverfahrens betrifft. Im zuletzt genannten Fall ist das ausländische Insolvenzverfahren im Ganzen nicht anerkennungsfähig; im Übrigen ist von einer Teilnichtanerkennung auszugehen.[41]

[32] Vgl. Kübler/Prütting-Kemper, § 343 Rn. 15; HK-Stephan, § 343 Rn. 13 ff.
[33] So Trunk, S. 272 ff.
[34] FK-Wimmer, Art. 102 EGInsO Rn. 285.
[35] Siehe die Aufzählung bei Trunk, Internationales Insolvenzrecht, S. 272.
[36] Gottwald-Gottwald, § 130 Rn. 19.
[37] Vgl. die Aufzählung bei Gottwald-Gottwald, § 130 Rn. 19 ff.
[38] Trunk, KTS 1987, 415 (424).
[39] Trunk, Internationales Insolvenzrecht, S. 329 f.
[40] Mohrbutter/Mohrbutter-Wenner, Rn. XXIII.124; Gottwald-Gottwald, § 130 Rn. 19.
[41] Trunk, Internationales Insolvenzrecht, S. 272; Habscheid, S. 315; Gottwald-Gottwald, § 130 Rn. 21.

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