Gesetzestext

 

Beantragt die Gläubigerversammlung mit der in § 76 Absatz 2 genannten Mehrheit und der Mehrheit der abstimmenden Gläubiger die Eigenverwaltung, so ordnet das Gericht diese an, sofern der Schuldner zustimmt. Zum Sachwalter kann der bisherige Insolvenzverwalter bestellt werden.

1. Bisherige gesetzliche Regelung

 

Rn 1

Die Vorschrift trat am 1.1.2000 in Kraft und wurde neu gefasst mit Wirkung vom 1.3.2012 durch ESUG vom 7.12.2011 (BGBl. I S. 2582). Nach der Vorgängernorm ordnete das Gericht auf Antrag der Gläubigerversammlung nachträglich die Eigenverwaltung an, wenn das Insolvenzgericht einen entsprechenden Antrag des Schuldners abgelehnt hatte.

 

Rn 2

Mit der Neufassung des § 271 wird auch für den Bereich der Eigenverwaltung durch den Schuldner der geltende Grundsatz der Gläubigerautonomie verdeutlicht. Der Gläubigerversammlung wird das Recht zugesprochen, die endgültige Entscheidung über die Anordnung der Eigenverwaltung zu treffen. Wenn sich Schuldner und Gläubigerversammlung über die Anordnung der Eigenverwaltung einig sind, erkennt der Gesetzgeber keinen Grund, diese Verfahrensweise zu versagen.[1]

[1] BT-Drs. 17/5712, S. 42.

2. Zweck der Regelung

 

Rn 3

Die Gläubigerversammlung kann auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch die Anordnung der Eigenverwaltung veranlassen, obwohl das Gericht bei Verfahrenseröffnung einen entsprechenden Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung abgelehnt hat.[2] Die Regelung verfolgt den Zweck, die Gläubigerautonomie zu stärken. Gleichzeitig stellt die Norm klar, dass eine Anordnung auch in solchen Fällen möglich ist, in denen der Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch keinen Antrag auf Eigenverwaltung gestellt hat und ein solcher daher nicht vom Gericht abgelehnt werden konnte.[3] Insbesondere soll dem Interesse der Gläubigermehrheit Rechnung getragen werden, indem nicht nur eine Summenmehrheit nach § 76 Abs. 2, sondern darüber hinaus eine Kopfmehrheit der abstimmenden Gläubiger für den Beschluss der Gläubigerversammlung verlangt wird.[4] Dadurch soll kein Raum für eine Abhängigkeit der Eigenverwaltung von einzelnen Großgläubigern oder geschickt agierenden Kleingläubigergruppen mehr gelassen werden.[5]

[2] BT-Drs. 17/5712, S. 42; ein Rechtsmittel gegen diese Ablehnung ist nicht vorgesehen.
[3] BT-Drs. 17/5712, S. 41.
[4] BT-Drs. 17/5712, S. 41.
[5] BT-Drs. 17/5712, S. 41.

3. Voraussetzungen für die nachträgliche Anordnung

 

Rn 4

Voraussetzung der Anordnung ist, dass keine Eigenverwaltung angeordnet ist. Wurde eine bereits zuvor angeordnete Eigenverwaltung nach § 272 aufgehoben, kann nach Wegfall der zur Aufhebung führenden Gründe und bei Vorliegen der nachfolgenden Voraussetzungen gleichwohl die Eigenverwaltung wiederholt angeordnet werden.

 

Rn 5

Nach der Vorgängernorm war noch erforderlich, dass das Gericht einen Antrag des Schuldners auf Anordnung der Eigenverwaltung abgelehnt hatte. Diese Voraussetzung ist nunmehr entfallen und es kommt nicht mehr darauf an, ob der Schuldner selbst jemals einen Antrag auf Eigenverwaltung gestellt hatte. Da eine erfolgreiche Eigenverwaltung im tatsächlichen Bereich von der aktiven Mitwirkung des Schuldners abhängig ist, kann das Gericht die Eigenverwaltung nach § 271 aber nur dann anordnen, wenn der Schuldner zustimmt. Erklärungsadressat für die Zustimmung ist das Insolvenzgericht. Besondere Formvorschriften oder Fristen für die Zustimmungserklärung des Schuldners bestehen aber nicht. Er kann seine Zustimmung daher schriftlich oder mündlich innerhalb oder außerhalb der Gläubigerversammlung abgeben. Hatte der Schuldner bereits vor Verfahrenseröffnung einen Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung gestellt und das Gericht diesen Antrag zurückgewiesen, ersetzt dieser Antrag die gemäß § 271 erforderliche Zustimmungserklärung, soweit keine Umstände ersichtlich sind, dass der Schuldner mit der Anordnung der Eigenverwaltung nicht mehr einverstanden ist.[6] Bis zur Entscheidung des Gerichts kann der Schuldner die Zustimmung widerrufen, wobei Adressat des Widerrufes ebenfalls das Insolvenzgericht ist. Nach Anordnung der Eigenverwaltung kann der Schuldner deren Aufhebung durch schlichten Antrag gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 3 herbeiführen.

 

Rn 6

Wird der Schuldner von einem Kollegialorgan vertreten, ist erforderlich, dass alle Vertretungsberechtigten der Anordnung der Eigenverwaltung zustimmen.[7] Nicht ausreichend ist demgegenüber, wenn eine zur Vertretung berechtigte Anzahl der Organmitglieder der Anordnung der Eigenverwaltung zustimmt,[8] weil die Durchführung der Eigenverwaltung die gesamte Kompetenz des Kollegialorganes benötigt und nicht nur Einzelkompetenzen.

 

Rn 7

Die nachträgliche Anordnung der Eigenverwaltung setzt voraus, dass die Gläubigerversammlung einen entsprechenden Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung an das Insolvenzgericht beschließt. Ob der Schuldner bereits selbst die Anordnung der Eigenverwaltung beantragt hatte, ist nach neuer Rechtslage nicht erheblich. Es ist außerdem nicht mehr erforderlich, dass der Beschluss von der ersten Gläubigerversammlung gefasst wird. Auch jede spätere Gläubigerversammlung kann den Beschluss fassen.[9] Wer...

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