Rn 1

Damit es zu einer in einem Insolvenzplan vorgesehenen Abwicklung oder Sanierung kommen kann, bedarf der Plan einer mehrheitlichen Zustimmung der Beteiligten, wobei wegen der Tatsache, dass die Festsetzungen eines Insolvenzplans nur selten den Interessen aller Beteiligten bis ins Letzte gerecht werden können, keine Einstimmigkeit erforderlich, sondern eine Majorität ausreichend ist.[1] Auch die Ergänzung oder Änderung eines bereits rechtskräftigen Insolvenzplans unterliegt den Voraussetzungen der §§ 244 ff.[2] Wegen der gruppenmäßigen Abstimmungen (§ 243) wiederum ist nicht die absolute Mehrheit aller Gläubiger erforderlich. Vielmehr verlangt das Gesetz nur, aber mit Ausnahme von § 245 und § 246 auch zwingend die Zustimmung jeder einzelnen Gruppe.[3] Nimmt aus einer Gruppe niemand an der Abstimmung teil, ist dieses Erfordernis nicht erfüllt. Die herrschende Meinung versteht den Willen des Gesetzgebers dahingehend, dass sowohl die Passivität einer Gruppe, als auch die Passivität eines einzelnen Gläubigers das Abstimmungsergebnis nicht beeinflussen soll. Eine anwesende, jedoch nicht abstimmende Gruppe stimmt also weder zu, noch lehnt sie den Plan ab. Sie wird im Hinblick auf das Einstimmigkeitserfordernis nicht mitgezählt.[4] Ebenso verhält es sich in Bezug auf einzelne anwesende, jedoch nicht abstimmende Gläubiger.[5] Abweichend wird hiervon zum Teil eine Zustimmungsfiktion bei passiven Gruppen angenommen.[6] Dabei wird mit dem Wortlaut des § 244 Abs. 1 Nr. 2 sowie des mit dem ESUG[7] neu eingeführten § 246a für nachrangige Insolvenzgläubiger bzw. Anteilseigner argumentiert. Diese Argumentation überzeugt allerdings nicht, da ausweislich des Wortlautes der Vorschrift die Zustimmung jeder Gruppe erforderlich ist und Schweigen grundsätzlich keine Willenserklärung darstellt. Die Gegenansicht übersieht, dass sie der Nichtteilnahme selbst einen Erklärungswert zukommen lässt, nämlich in Form der Zustimmung zum Plan. Dass es innerhalb der Gruppen nur auf die relative Mehrheit der abstimmenden Gläubiger ankommen soll, fingiert im Unterschied dazu weder die Zustimmung noch die Ablehnung, sondern ist eine Vorfrage dessen wann eine Mehrheit erreicht ist. Diese Rechtslage wird auch von der neu aufgenommenen Vorschrift des § 246a bestätigt, die explizit für die Gruppe der Anteilsinhaber regelt, dass die Zustimmung der Gruppe als erteilt gilt, wenn sich keines der Mitglieder der Gruppe an der Abstimmung beteiligt. Für die anderen Gruppen gilt die Zustimmung demnach gerade nicht als erteilt.[8] Hinzuweisen ist indes darauf, dass die Zustimmung einzelner Gruppen im Wege des Obstruktionsverbotes gemäß § 245 fingiert werden kann. Innerhalb der Gruppen haben die Gläubiger jeweils eine Abstimmung durchzuführen. Nehmen an der Abstimmung auch nachrangige Insolvenzgläubiger teil, so sind die Besonderheiten des § 246 zu beachten.

 

Rn 2

Die zur Annahme eines[9] Insolvenzplans erforderlichen Mehrheiten werden in § 244 Abs. 1 eigenständig und abweichend von der allgemein für Beschlüsse der Gläubigerversammlung geltenden Bestimmung des § 76 Abs. 2 geregelt. Ursprünglich sollte bereits für die allgemeine Beschlussfassung in einer Gläubigerversammlung das Erfordernis von Summen- neben Kopfmehrheit gelten (§ 87 RegE-InsO[10]  = § 76). Der Rechtsausschuss hielt aber eine solche Regelung als Grundsatz für jeden Beschluss der Gläubigerversammlung für zu kompliziert und hat daher für einfache Gläubigerversammlungsbeschlüsse die neben der Summenmehrheit geforderte Kopfmehrheit gestrichen. Dadurch sollte dem Interesse einer einfacheren Verfahrensgestaltung Rechnung getragen werden.[11] Nach der Abschaffung der Kopfmehrheit an jener Stelle wurde eine gesonderte Regelung über die Kopfmehrheit bei der Abstimmung über einen Insolvenzplan nötig, weil dort eine derartige Regelung weiterhin gewollt ist. Die zusätzliche Aufnahme einer Kopfmehrheit neben einer Mehrheit von Forderungsbeträgen (doppelte Mehrheit) soll der Möglichkeit übermäßiger Einflussnahme durch einzelne Großgläubiger vorbeugen.[12]

 

Rn 3

Im Zuge der Aufnahme der Kopfmehrheit in § 244 wurde auch die Besonderheit der Zusammenfassung von Stimmen in dessen Abs. 2 geregelt. Damit gibt es eine Auslegungsregel für die Berechnung der Kopfmehrheit der Gesamtgläubiger und in vergleichbaren Sonderfällen.[13]

 

Rn 4

Innerhalb einer Abstimmung müssen die abgegebenen Zustimmungen ins Verhältnis zur Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen gesetzt werden. In die Berechnung gehen abstimmende Gläubiger ein. Dabei werden nicht nur die nicht anwesenden, sondern sogar die sich enthaltenden Gläubiger nicht berücksichtigt, wenn es darum geht, die für die spätere Mehrheitsberechnung maßgebliche Ausgangsmenge der Stimmen festzustellen. Bloß passives Verhalten der Gläubiger hat keinen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis, sofern die Gruppe überhaupt abstimmt.[14] Wenn überhaupt kein Gläubiger zur Abstimmung erscheint und die Versammlung deshalb nicht beschlussfähig ist, gilt die Zustimmung als erteilt, wenn die Gläubige...

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