Rn 32

Gründe für unterschiedliche Interessenlagen können sich beispielsweise aus Folgendem ergeben:[38]

  • Die Interessen einzelner am Schuldner beteiligter Personen können sehr ausgeprägt sein, z.B. weil der Gesellschaftsvertrag ihnen im Falle einer Liquidation ohne Insolvenzverfahren einen vorrangigen Anspruch auf den Liquidationserlös einräumt.
  • Die Geschäftspartner (insbesondere Lieferanten)[39] des Schuldners können sich im Einzelfall auch für die Zukunft gute Geschäfte mit dem Schuldner erhoffen und deshalb an einer Fortsetzung des Geschäftsbetriebs und an einer Sanierung des Schuldnerunternehmens interessiert sein.
  • Diejenigen absonderungsberechtigten Gläubiger, deren Forderung zwar vom Wert der Sicherheit im Fortführungsfall, aber nicht im Zerschlagungsfall gedeckt ist, werden eher an einer Fortführung interessiert und zu Zugeständnissen bereit sein als die absonderungsberechtigten Gläubiger, die ohnehin alles oder umgekehrt ggf. kaum etwas aus der Sicherheitenverwertung erwarten können.
  • Sofern Gläubiger gleichzeitig an dem Kapital des Schuldners beteiligt sind, erhoffen sie sich häufig für den Fall des Fortbestehens des Schuldnerunternehmens den Erhalt ihres Kapitals, werden also stärker an einer Sanierung interessiert sein als evtl. andere Gläubiger.
  • Als besondere Ausprägung dieses allgemeinen Grundsatzes sieht § 116 Nr. 3 GenG im Insolvenz(plan)verfahren über das Vermögen einer Genossenschaft vor, dass für Gläubiger, die zugleich Mitglieder sind, eine gesonderte Gruppe zu bilden ist.[40]
  • Handelt es sich bei einem Gläubiger um einen Angehörigen des Schuldners oder um ein verbundenes Unternehmen (ohne dass Sonderregelungen eingreifen, z.B. über die Grundsätze zur Anfechtung nach § 130 Abs. 3, § 131 Abs. 2 Satz 2, § 132 Abs. 3, § 133 Abs. 2 i.V.m. § 138 oder der kapitalersetzenden Darlehen nach § 135, § 39 Abs. 1 Nr. 5), kann ein Interesse am Fortbestand des Schuldnerunternehmens und damit dessen Sanierung bestehen.
  • Die fehlende Fälligkeit der Forderung eines Gläubigers zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann bewirken, dass dieser ein geringeres Interesse an einer schnellen Zahlung hat als die Gläubiger, deren Forderungen schon lange überfällig sind.
  • Eine ggf. traditionell bedingte zögerliche Haltung von Gläubigern, deren Forderungen früher nach § 61 Abs. 1 KO bevorrechtigt befriedigt wurden (wie z.B. die Bundesagentur für Arbeit oder die Finanzverwaltung), birgt die Gefahr eines verschleppten Verfahrens in sich. Daher kann der Verwalter solche Gläubiger in einer eigenen Gruppe zusammenfassen, deren Zustimmung dann ggf. nach § 245 vom Insolvenzgericht ersetzt wird.[41]
  • Der Pensions-Sicherungs-Verein als Träger der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersvorsorge ist mehr an einer Aufteilung der künftigen Zahlungsansprüche interessiert als an einer sofortigen Liquidation nebst quotaler Befriedigung.[42] § 7 Abs. 4 BetrAVG sieht deshalb für den Fall der Verabschiedung eines Insolvenzplans vor, dass die Arbeitnehmer einen vorgesehenen Eigenanteil auch bezüglich der Leistungen des Pensions-Sicherungs-Vereins zu übernehmen haben.
 

Rn 33

Die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten hängen in jedem Fall sehr davon ab, ob das Unternehmen saniert oder liquidiert werden soll, sodass sich die Bildung der Gruppen am Ziel des Plans zu orientieren hat.[43]

[38] Vgl. die Begr. zu § 265 RegE, BT-Drs. 12/2443, S. 199 f.
[39] Maus, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, S. 707 (719), Rn. 43.
[40] Beuthien/Titze, ZIP 2002, 1116 (1123). Dort auch zu den Besonderheiten ausgeschiedener Mitglieder.
[41] Maus, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, S. 707 (720), Rn. 44.
[42] Begr. zu § 265 RegE, BT-Drs. 12/2443, S. 199.
[43] Begr. zu § 265 RegE, BT-Drs. 12/2443, S. 199.

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