Rn 62

Ebenfalls der Absicherung von Verbindlichkeiten, die im Eröffnungsverfahren durch einen schwachen vorläufigen Verwalter begründet worden sind, dient das sog. Treuhandkontenmodell.[129] Dabei trifft der vorläufige Insolvenzverwalter mit einem Treuhänder die Vereinbarung, dass jener im Insolvenzeröffnungsverfahren begründete Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen nach Anweisung des Verwalters zu erfüllen hat und die nicht benötigten Mittel danach an die Insolvenzmasse auskehren soll. Anschließend zahlt der vorläufige Verwalter von seinem regulären Anderkonto einen bestimmten Betrag zur treuhänderischen Verwaltung auf ein Treuhandkonto des Treuhänders oder tritt dem Treuhänder Forderungen im Voraus ab, die bei der Betriebsfortführung erwirtschaftet werden.

Die Praxis des Treuhandkontenmodells ist vielgestaltig. So können bspw. als Treuhänder der Schuldner, ein Dritter oder der vorläufige Insolvenzverwalter als natürliche Person (nicht in seiner Amtseigenschaft) fungieren. In der letztgenannten Doppelfunktion bedarf der vorläufige Verwalter jedoch der gerichtlichen Zustimmung analog § 181 BGB.[130] Darüber hinaus führt das Treuhandkontenmodell zu zahlreichen praktischen und rechtlichen Problemen. So scheitert das Modell, wenn die notwendige Liquidität zur Separierung auf einem Treuhandkonto nicht zeitnah anfechtungsfest generiert werden kann oder der Gläubiger sich mit einer Treuhand nicht einverstanden erklärt. Umstritten ist ferner die Frage, ob Aussonderungs- oder Absonderungsrechte begründet werden.[131]

 

Rn 63

Das Treuhandkontenmodell ist nur in Ausnahmefällen zulässig.[132] Es umgeht die gesetzlichen Regelungen in §§ 21, 22, 55 und ist systemwidrig.[133] Als "ultima ratio" kommt die Anwendung des Treuhandkontenmodells in Betracht, wenn die sonstigen insolvenzrechtlichen Instrumente (insbesondere auch die Einzelermächtigung) nicht ausreichen.[134] Dabei muss jedoch die Position des Treuhänders dem vorläufigen Insolvenzverwalter zugewiesen werden, weil ein Dritter nicht der Aufsicht des Insolvenzgerichts unterliegen würde.[135] Folglich bedarf das Treuhandkontenmodell zwingend einer gerichtliche Zustimmung. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese auf eine analoge Anwendung des § 181 BGB gestützt wird (s. o. Rdn. 62), oder als Ausfluss der richterlichen Kontrolle im Eröffnungsverfahren verstanden wird.[136]

[129] Ausführlich: Bork, ZIP 2003, 1421; Windel, ZIP 2009, 101.
[130] AG Hamburg ZInsO 2005, 1056; HambKomm-Schröder, § 22 Rn. 99; Find, ZInsO 2004, 470 (475); a. A. Uhlenbruck-Vallender, § 22 Rn. 244; Bork, NZI 2005, 530; Marotzke, ZInsO 2004, 721.
[131] Ausführlich: HambKomm-Büchler, § 47 Rn. 51 ff.
[132] HambKomm-Schröder, § 22 Rn. 102; a. A. für eine generelle Zulässigkeit: Jaeger-Gerhardt, § 22 Rn. 132; Werres, ZInsO 2005, 1233 (12369 ff.); Mönning/Hage, ZInsO 2005, 1185, (1191); Bork, ZIP 2003, 1421 (1424 f.); Undritz, NZI 2003, 136. Generell ablehnend: AG Hamburg ZIP 2003, 43 (44); Pape/Uhlenbruck, ZIP 2005, 417 (419).
[133] Pape/Uhlenbruck, ZIP 2005, 417 (419). Vgl. auch die Heidelberger Leitlinien, ZInsO 2009, 1848, Nr. 6.
[134] AG Hamburg ZInsO 2004, 517; HambKomm-Schröder, § 22 Rn. 102; Frind, ZInsO 2005, 1296 (1303).
[135] Uhlenbruck-Vallender, § 22 Rn. 245; Marotzke, ZInsO 2005, 561 (566).
[136] Vgl. MünchKomm-Haarmeyer, § 22 Rn. 71; BAKinso-Entschließung vom 15.11.2010, Ziff. IV. 2. (abgedruckt bei Borchardt/Frind, Rn. 3197).

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