Rn 8

Anschließend werden von den weiteren Masseforderungen zunächst die nach der Anzeige (zu deren genauen Zeitpunkt vgl. § 208 Rn. 15) der Masseunzulänglichkeit begründeten Ansprüche befriedigt. Der Entstehungszeitpunkt von Masseforderungen ist damit von entscheidender Bedeutung für den Rang.

 

Rn 9

Um insoweit Schwierigkeiten zu vermeiden, hat der Gesetzgeber die Behandlung von Ansprüchen aus gegenseitigen Verträgen und Dauerschuldverhältnissen in § 209 Abs. 2 zusätzlich präzisiert.[8] Auch diese haben allerdings – unter den dort näher genannten Voraussetzungen – den Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 2, so dass die Ansprüche nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 und diejenigen nach § 209 Abs. 2 eine gemeinsame Gruppe bilden.

[8] BegrRegE, in: Kübler/Prütting, Bd. I, S. 435.

2.2.1 Forderungen, bei deren Gegenforderungen der Verwalter Erfüllung verlangt (§ 209 Abs. 2 Nr. 1)

 

Rn 10

Wählt der Verwalter bei einem gegenseitigen Vertrag nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Erfüllung, so liegt eine Neumasseverbindlichkeit i. S. d. § 209 Abs. 1 Nr. 2 vor. Hat beispielsweise der Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Kaufvertrag geschlossen, der von beiden Seiten noch nicht erfüllt wurde, und wählt der Insolvenzverwalter erst nach der Anzeige (zum genauen Zeitpunkt vgl. § 208 Rn. 15) die Erfüllung dieses Vertrags, so ist der Erfüllungsanspruch des Vertragspartners vorrangig zu befriedigen, obwohl der Vertragsschluss und damit die Entstehung der Verbindlichkeit noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit zwingend vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit gelegen hat.

 

Rn 11

Lehnt der Insolvenzverwalter in Anwendung des § 103 die Erfüllung des Vertrags – nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit – hingegen ab, so ist der daraus resultierende Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung lediglich eine Altmasseverbindlichkeit, sofern es sich nicht ohnehin nur um eine Insolvenzforderung handeln sollte.

2.2.2 Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen ohne Weiterführung (§ 209 Abs. 2 Nr. 2)

 

Rn 12

Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen werden auch dann zu Neumasseverbindlichkeiten, wenn der Verwalter zwar nicht die Erfüllung des Vertrags wählt, aber nach der Anzeige die Kündigungsfrist ungenutzt verstreichen lässt. Die Masseunzulänglichkeit gibt dem Verwalter kein Recht zur außerordentlichen Kündigung,[9] er ist weiterhin an eine ordentliche Kündigung und deren Fristen gebunden, so dass er keine Möglichkeit hat, die zwischen Anzeige und erstem ordentlichen Kündigungszeitpunkt entstehenden Dauerschuldverpflichtungen zu vermeiden. Das Gesetz trägt dem Rechnung und erklärt die bis zum Ablauf der Kündigungsfrist entstehenden Ansprüche zu Altmasseverbindlichkeiten. Die nach Ablauf der Kündigungsfrist aus dem Dauerschuldverhältnis entstehenden Verpflichtungen werden dagegen als Neumasseverbindlichkeiten eingestuft, weil der Verwalter von der Möglichkeit, die Entstehung dieser Ansprüche zu unterbinden, keinen Gebrauch gemacht hat. Dieser Fall wird in der Praxis allerdings selten vorkommen.[10]

 

Rn 13

Sobald der Verwalter die im Dauerschuldverhältnis vereinbarte Leistung für die Masse nutzt, liegt unabhängig von der Regelung der Nr. 2 ein Fall des § 209 Abs. 2 Nr. 3 (Rn. 17) vor, so dass wiederum Neumasseverbindlichkeiten gegeben sind. Daher ist § 209 Abs. 2 Nr. 2 nur dann für den Verwalter interessant, wenn er auf die Leistung verzichten kann (etwa die gemieteten Räume nicht mehr benutzt). Der Vertragspartner hat im Übrigen – anders als der Verwalter – in diesen Fällen das Recht, eine fristlose außerordentliche Kündigung auszusprechen, weil die Masseunzulänglichkeit für ihn ein wichtiger Grund ist.[11]

[9] Kübler, in: Kölner Schrift, S. 967 (978), Rn. 38.
[10] Eckert, ZIP 1996, 897 (905).
[11] Eckert, ZIP 1996, 897 (906).

2.2.3 Ansprüche aus weitergeführten Dauerschuldverhältnissen (§ 209 Abs. 2 Nr. 3)

 

Rn 14

In Ergänzung zu § 209 Abs. 2 Nr. 2 bestimmt § 209 Abs. 2 Nr. 3, dass auch dann eine Neumasseverbindlichkeit vorliegt, wenn der Verwalter die Dauerschuldbeziehung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit fortsetzt und die Gegenleistung in Anspruch nimmt. Die Frage der Kündigung (Rn. 12) stellt sich in diesem Fall nicht mehr. Beschäftigt z. B. der Insolvenzverwalter Arbeitnehmer nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit weiter, so stehen deren Lohnansprüche, soweit sie nach dem Zugang der Anzeige (§ 208 Rn. 15) entstanden sind, im Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 2.[12] Etwas anderes gilt hingegen für die freigestellten Arbeitnehmer, deren Dienste nach der Anzeige nicht in Anspruch genommen werden. Ihre Ansprüche sind lediglich als Altmasseverbindlichkeit nach § 209 Abs. 1 Nr. 3 zu bedienen.[13]

 

Rn 15

Ebenso muss der Verwalter Ansprüche für genutzten Mietraum mit dem Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 2 befriedigen. Einzelne Ansprüche, auch wenn sie einem fortbestehenden Dauerschuldverhältnis entstammen, können gleichwohl vor der Insolvenz begründet und daher lediglich als Insolvenzforderung zu befriedigen sein (siehe § 38 Rn. 20).[14]

[12] Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 8 Rn. 144.
[13] Kübler, in: Kölner Schrift, S. 967 (978), Rn. 39.
[14] Nerlich/Römermann-Westphal, § 209 Rn. 12.

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