Rn 63

Maßnahmen der Zwangsvollstreckung einzelner Gläubiger in das Vermögen des Insolvenzschuldners können erheblich mit dem Verfahrensziel der Effizienz und optimalen gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger (vgl. § 1 InsO) kollidieren. Denn "das Ziel einer möglichst effektiven Verfahrensgestaltung wird es häufig erfordern, ein vorzeitiges Auseinanderreißen der einzelnen Vermögensgegenstände des Schuldners zu verhindern."[146] Durch die Zwangsversteigerung nach §§ 15 ff. ZVG droht indes ein solches vorzeitiges Auseinanderreißen der einzelnen Vermögensgegenstände des Schuldners und damit letztlich der Verlust von Verbundwerten für die Gläubigergesamtheit. Deshalb eröffnet § 30d ZVG die Möglichkeit einer einstweiligen Einstellung der Zwangsversteigerung auf Antrag des (vorläufigen) Insolvenzverwalters (unten Rn. 64a). Ähnlich ergeben sich infolge des Zusammentreffens von Zwangsverwaltung und Insolvenzverfahren "nicht selten praktische Schwierigkeiten",[147] weil es nachgerade zwangsläufig zu Kompetenzkonflikten zwischen Zwangsverwalter und Insolvenzverwalter kommen muss, wenn parallel zum Insolvenzverfahren ein Zwangsverwaltungsverfahren betrieben wird. Diesen Konflikt löst § 153b ZVG (unten Rn. 93a). Entgegen ihrem Standort sind sowohl § 30d ZVG als auch § 153b ZVG insolvenzrechtlich einzuordnen. Die §§ 30d, 153b ZVG ergänzen die regulären Einstellungsmöglichkeiten auf Bewilligung des Gläubigers nach § 30 ZVG und auf Antrag des Schuldners nach § 30a ZVG und tragen damit den Besonderheiten des Insolvenzverfahrens Rechnung.

Hat ein Gläubiger vor Eröffnung des Insolvenzverfahren bereits die Zwangsvollstreckung in unbewegliche Gegenstände des Vermögens des Schuldners begonnen, so werden weder Zwangsversteigerung noch Zwangsverwaltung durch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (vgl. §§ 21, 22) oder die spätere Eröffnung des Insolvenzverfahrens ex lege unterbrochen. Es bedarf vielmehr einer gesonderten gerichtlichen Untersagung oder einstweiligen Einstellung der Maßnahmen der Zwangsvollstreckung. Die Zuständigkeit für die Entscheidung über eine solche Untersagung oder einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen liegt beim Vollstreckungsgericht, nicht Insolvenzgericht. Die ursprünglich in der Fassung des Regierungsentwurfs sowohl im Eröffnungsverfahren nach § 25 Abs. 2 Nr. 3[148] als auch im eröffneten Verfahren nach §§ 187 bis 190[149] noch vorgesehene Verlagerung der Zuständigkeit auf das Insolvenzgerichts wurden auf Initiative des Rechtsauschusses des Bundestags insoweit zurückgenommen, als unbewegliche Gegenstände von der Zwangsvollstreckung betroffen sind.[150]

 

Rn 64

Da bereits der vorläufige Insolvenzverwalter den gesetzlichen Auftrag zum Erhalt des schuldnerischen Vermögens (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1) und zur Fortführung eines etwaigen schuldnerischen Unternehmens auszuführen hat (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2), wird auch ihm bereits die Möglichkeit der einstweiligen Einstellung von Zwangsversteigerung (unten Rn. 64a) und Zwangsverwaltung (unten Rn. 93a) eröffnet.

[146] So die Begründung zu § 25 RegE-InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 116.
[147] So die Begründung zu § 190 RegE-InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 177.
[148] Vgl. § 25 RegE-InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 13 (mit Begr. S. 115 f.).
[149] Vgl. §§ 187 bis 190 RegE-InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 39 (mit Begr. S. 176 f.).
[150] Vgl. § 25 RegE-InsO, BT-Drs. 12/7302, S. 13 (sowie die Begr. S. 157); ferner §§ 187 bis 190 RegE-InsO, BT-Drs. 12/7302, S. 69 ff. (sowie Begr. S. 176 f.).

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