Rn 64

(Vertragliche) Neugläubiger sind alle, die erst nach Eintritt der Insolvenzreife ihre (vertragliche) Forderung gegen die Gesellschaft erworben haben.[206] Wer vor Insolvenzreife mit der Gesellschaft in Geschäftsbeziehung getreten ist, ist grundsätzlich Altgläubiger, kann aber hinsichtlich einzelner Forderungen auch (vertraglicher) Neugläubiger sein.[207] Letzteres trifft zu, wenn der Gläubiger der Gesellschaft nach Eintritt der Insolvenzreife Kredit gewährt hat; denn soweit § 15a Abs. 1, 2 dem Schutz des Geschäftsverkehrs dient, soll der potenzielle Neugläubiger nicht nur vor Eingehung des Rechtsgeschäfts mit der insolvenzreifen Gesellschaft geschützt werden, sondern vor allem davor, einer solchen Gesellschaft einen Sach- oder Geldkredit zu gewähren bzw. in Vorleistung zu treten.[208] Wenn z.B. zwischen dem Gläubiger und der Gesellschaft bei Eintritt der Insolvenzreife ein Kontokorrentverhältnis besteht, die Forderungen gegen die Gesellschaft aber erst danach entstehen (z. B. durch tatsächliche Gewährung zusätzlichen Kredits bzw. dessen Inanspruchnahme durch die Gesellschaft), dann ist auch dieser Gläubiger (unabhängig vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses) insoweit Neugläubiger.[209] Entscheidend ist folglich, ob der Gläubiger seine Leistung nach Eintritt der Insolvenzreife noch hätte zurückhalten können (durch Kündigung, aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Lösungsklausel, Zurückbehaltungsrecht, etc.), wenn sich das Leitungsorgan ordnungsgemäß verhalten hätte. Mithin kann ein Gläubiger, dem Ansprüche aus einem vor Eintritt der Insolvenzreife abgeschlossenen Dauerschuldverhältnis zustehen, sowohl Alt- als auch Neugläubiger sein, wenn er die auf Zeiträume nach Insolvenzreife entfallende Leistung hätte zurückhalten können.[210] Kann der Gläubiger hingegen den Vertrag mit Insolvenzeröffnung (oder mit Stellung des Eröffnungsantrags) nicht kündigen (z. B. Mietverhältnis, siehe § 108), dann ist der Gläubiger auch mit den nach diesem Zeitpunkt entstehenden Forderungen Altgläubiger.[211] Ist die Forderung vor Insolvenzreife entstanden, nach Eintritt derselben aber tituliert worden (durch Urteil oder gerichtlichen Vergleich), ändert dies an der Qualifikation als Altgläubiger nichts.[212]

[208] BGH ZIP 2007, 676 (678) [BGH 05.02.2007 - II ZR 234/05]; ZIP 2005, 1734 (1737) [BGH 25.07.2005 - II ZR 390/03]; OLG Celle NZG 2002, 730 (732); OLG Saarbrücken NZG 2001, 414 (415); siehe auch BGH DStR 2007, 961 (963); Haas DStR 2003, 423 (427).
[210] BGH NZI 2014, 25 Rn. 8 [BGH 22.10.2013 - II ZR 394/12]; LAG Köln NZA-RR 2007, 146 (147); Uhlenbruck/Hirte, § 15a Rn. 40; Ulmer/Casper, § 64 GmbHG Rn. 121; a. M. OLG Hamburg ZIP 2007, 2318 f.
[212] OLG Koblenz BeckRS 2015, 09758 Rn. 15 f.

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