Rn 65

Führt der Verwalter das schuldnerische Unternehmen fort, hat er grundsätzlich alle unternehmerischen Pflichten des Schuldners (nach Arbeitsrecht, Sozialrecht, Steuerrecht, öffentlichem Recht usw.) zu erfüllen. Zudem kann der unternehmerisch tätige Insolvenzverwalter – bei entsprechendem Geschäftsgegenstand (§§ 1 f. HGB)[73] – kaufmännischem Sonderrecht (vor allem §§ 343 ff. HGB) unterfallen, wenngleich er dadurch nicht selbst Kaufmann wird.[74]

 

Rn 66

Die Geschäftsführung als solche umfasst üblicherweise die Unternehmensplanung, Unternehmenskoordination, Unternehmenskontrolle und ggf. die Besetzung von leitenden Stellen. Unternehmenskontrolle bedeutet dabei vor allem, dass der Verwalter sich einen fortlaufenden Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Situation verschaffen muss.[75] Dabei darf er sich gerade nicht unbesehen auf vorgefundene Unterlagen des Schuldners oder Auskünfte (bisheriger) Mitarbeiter des Unternehmens stützen.[76] Kommt es im laufenden Geschäftsbetrieb zu weiteren nicht unerheblichen Masseschmälerungen, die eine Unternehmensfortführung nach anerkannten kaufmännischen Maßstäben unrentabel erscheinen lassen (keine hinreichende Aussicht auf Sanierung oder Verkauf des Unternehmens zu einem über den Zerschlagungswert hinausgehenden Preis),[77] muss der Verwalter den Geschäftsbetrieb einstellen (arg. e § 158 Abs. 2 Satz 2).

 

Rn 67

Dabei wird man aber zeitlich unterscheiden müssen: Ab dem Berichtstermin ist der Verwalter an den Beschluss der Gesellschafterversammlung, ein Unternehmen fortzuführen, grundsätzlich gebunden. Bei einer negativen wirtschaftlichen Prognose muss er aber umgehend eine neue Gläubigerversammlung einberufen lassen (§ 75 Abs. 1 Nr. 1) und dahingehend informieren.[78] Anders verhält es sich bei wahrscheinlicher Masseunzulänglichkeit (§ 61 Satz 2); hier muss der Verwalter den Geschäftsbetrieb regelmäßig einstellen. Das geht über die bisherige Rechtsprechung hinaus, die unter Geltung der KO auf feststehende Masseunzulänglichkeit abgestellt hat.[79] Allerdings statuiert die InsO nunmehr eine strikte Haftung des Verwalters für nicht erfüllte Masseverbindlichkeiten (§ 61 Satz 1). Das rechtfertigt es, die Fortführungspflicht tatbestandlich an die Haftungsausnahme des § 61 Satz 2 zu knüpfen.[80]

[73] Zur Fortführung einer freiberuflichen Praxis siehe eingehend Kluth, NJW 2002, 186.
[74] OLG Celle, ZInsO 2003, 128 (129) zu kaufmännischen Verjährungsvorschriften; BGH NJW 1987, 1940 (1941) [BGH 25.02.1987 - VIII ZR 341/86] zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben.
[76] OLG Karlsruhe ZInsO 2003, 229 (230). Zu Einzelheiten vgl. Wellensiek, FS Uhlenbruck, S. 199 (211 ff.).
[77] Enger MünchKomm-Füchsl/Weishäupl, § 148 Rn. 56: der verursachte Aufwand darf die Masse nicht schmälern; aber das würde vor dem Berichtstermin die Entscheidungsfreiheit der Gläubiger zu stark einengen; ebenfalls zu eng Meyer/Schulteis, DZWiR 2004, 319 (320): nur unerhebliche Masseminderung zulässig.
[78] MünchKomm-Füchsl/Weishäupl, § 148 Rn. 56; Uhlenbruck-Uhlenbruck, § 148 Rn. 28.
[79] BGHZ 100, 346 (351); BGHZ 99, 151 (156); so jetzt noch HambKomm-Jarchow, § 148 Rn. 36.
[80] MünchKomm-Füchsl/Weishäupl, § 148 Rn. 56.

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