Gesetzestext

 

(1) Die Anfechtbarkeit kann gegen den Erben oder einen anderen Gesamtrechtsnachfolger des Anfechtungsgegners geltend gemacht werden.

(2) Gegen einen sonstigen Rechtsnachfolger kann die Anfechtbarkeit geltend gemacht werden:

1. wenn dem Rechtsnachfolger zur Zeit seines Erwerbs die Umstände bekannt waren, welche die Anfechtbarkeit des Erwerbs seines Rechtsvorgängers begründen;
2. wenn der Rechtsnachfolger zur Zeit seines Erwerbs zu den Personen gehörte, die dem Schuldner nahestehen (§ 138), es sei denn, daß ihm zu dieser Zeit die Umstände unbekannt waren, welche die Anfechtbarkeit des Erwerbs seines Rechtsvorgängers begründen;
3. wenn dem Rechtsnachfolger das Erlangte unentgeltlich zugewendet worden ist.

Bisherige gesetzliche Regelungen: § 40 KO – § 164 RegE, § 154 RefE

1. Allgemeines

1.1 Rechtsquellen

 

Rn 1

Die Vorschrift des § 145 dehnt die Möglichkeit der Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. auf Gesamtrechtsnachfolger (Abs. 1) und unter bestimmten Umständen auch auf Sonderrechtsnachfolger (Abs. 2) aus. Sie entspricht weitgehend der Vorgängervorschrift in § 40 KO. Besonderheiten bestehen insoweit, als § 145 Abs. 1 neben den Erben auch ausdrücklich andere Gesamtrechtsnachfolger in den Anwendungsbereich mit einbezieht. Der InsO-Gesetzgeber zeichnet damit allerdings nur nach, was schon unter der KO der h.M. entsprach.[1] (Inhaltliche) Abweichungen gegenüber der alten Rechtslage bestehen aber im Hinblick auf § 145 Abs. 2 Nr. 2. Die Vorschrift erweitert den Kreis der verdächtigen Personen im Vergleich zu § 40 Abs. 2 Nr. 2, § 31 Nr. 2 KO.

[1] Kuhn/Uhlenbruck, § 40 Rn. 3; Kilger/K. Schmidt, KO § 40 Anm. 2a; Jaeger-Henckel, KO § 40 Rn. 19-23.

1.2 Normzweck

 

Rn 2

Die Vorschrift will den Bestand des den Insolvenzgläubigern haftenden Schuldnervermögens möglichst auch dann wiederherstellen, wenn das anfechtbar weggegebene Vermögensgut über seinen Empfänger hinaus an weitere Vermögensträger gelangt. Freilich sind auch in diesem Fall die Interessen des Rechtsnachfolgers mit denen der Gläubigergesamtheit abzuwägen.[2] Das Gesetz differenziert insoweit zwischen dem Einzel- und dem Gesamtrechtsnachfolger. Kennzeichnend für Letzteren ist, dass dieser in sämtliche nicht rein persönlichen Rechtsbeziehungen des Vorgängers einfolgt. Aus diesem Grund sieht das Gesetz ganz allgemein von (Verkehrs-)Schutzvorschriften zugunsten der Gesamtrechtsnachfolger ab. So hat etwa der Erbe die vom Erblasser herrührenden (Nachlass-)Verbindlichkeiten nach §§ 1922, 1967 BGB unabhängig davon zu begleichen, ob er hiervon Kenntnis hatte oder nicht. Anders ist die Rechtslage hingegen bei dem Einzelrechtsnachfolger. Hier erweist sich – ganz allgemein – der Erwerbsgrund nur unter eingeschränkten Voraussetzungen (nämlich aus durchaus nicht selbstverständlichen Zweckmäßigkeitserwägungen heraus) als nicht schutzwürdig.[3] Diese bereits im allgemeinen Zivilrecht angelegte Differenzierung in Bezug auf die Schutzbedürftigkeit von Einzel- und Gesamtrechtsnachfolger zeichnet der Gesetzgeber in § 145 nach.

1.3 Anwendungsbereich

 

Rn 3

§ 145 regelt die Rechtsnachfolge nur auf der Seite des Empfängers der anfechtbaren Leistung. Die Vorschrift spricht bewusst von "Anfechtbarkeit" und nicht von Anfechtungsanspruch.[4] Hieraus folgt, dass § 145 eine eigenständige (u.U. neben der des früheren Leistungsempfängers stehende) Haftung des Rechtsnachfolgers begründet. Die Haftung des Rechtsnachfolgers ist mithin nicht von der Fortdauer der Haftung gegen den früheren Leistungsempfänger abhängig.[5] Dies schließt freilich nicht aus, dass neben dem § 145 als eigenständigen Haftungstatbestand der Rechtsnachfolger auch nach allgemeinen Grundsätzen für die in der Person des Rechtsvorgängers begründeten Verbindlichkeiten einzustehen hat.[6]

 

Rn 4

§ 145 setzt die Rechtsnachfolge in den anfechtbar weggegebenen Gegenstand selbst voraus. Die anfechtbare Rechtshandlung muss mithin vor der Rechtsnachfolge vorgenommen worden sein. Anderenfalls gelten die §§ 129 ff. unmittelbar gegenüber dem (jetzigen) Inhaber der Leistung. § 145 scheidet ebenfalls aus, wenn dem ursprünglichen Leistungsempfänger die Rückgewähr in Natur (§ 143) schon vor der (Einzel- oder Gesamt-)Rechtsnachfolge unmöglich geworden ist.[7] Dies gilt sogar dann, wenn der "Ersterwerber" nach § 143 Abs. 1 Satz 2 Wertersatz schuldet.[8] Dagegen spielt es keine Rolle, ob der Inhaber der anfechtbaren Leistung unmittelbarer Rechtsnachfolger des ursprünglichen Rechtsnachfolgers ist oder nicht. § 145 findet daher auch gegenüber späteren Rechtsnachfolger i.S. beider Absätze Anwendung, d.h. wenn auf einen Einzelrechtsnachfolger ein Gesamtrechtsnachfolger folgt oder umgekehrt.[9] In einem solchen Fall muss aber die Anfechtbarkeit nicht nur gegenüber dem Ersterwerber, sondern gegenüber allen Zwischenerwerbern gegeben sein.[10]

[4] Uhlenbruck-Hirte, § 145 Rn. 1.
[5] MünchKomm-Kirchhof, § 145 Rn. 3.
[6] Siehe hierzu MünchKomm-Kirchhof, § 145 Rn. 16.

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