Rn 18

§ 129 Abs. 1 legt – anders als noch § 29 KO – gleichsam als allgemeinen Grundsatz der Insolvenzanfechtung fest, dass nur solche Rechtshandlungen der Anfechtung unterliegen, die die Insolvenzgläubiger in ihrer Gesamtheit objektiv benachteiligen.[35] Eine Benachteiligung liegt dann vor, wenn die Insolvenzgläubiger hinsichtlich ihrer Befriedigungsmöglichkeiten aus der Insolvenzmasse ohne die fragliche Rechtshandlung günstiger stehen würden.[36] Darunter fällt regelmäßig die Verkürzung, Vereitelung, Erschwerung oder Verzögerung der Gläubigerbefriedigung.[37]

Soweit das Gesetz in den §§ 130 ff. nicht ausdrücklich Gegenteiliges anordnet (wie z.B. § 132), genügt hierfür sowohl eine unmittelbare als auch eine mittelbare und damit eine solche Benachteiligung, die entweder die unmittelbare Folge der Rechtshandlung ist oder doch zumindest durch Hinzutreten weiterer Umstände ausgelöst wird.[38]

[36] BGH ZIP 1980, 250 (252) [BGH 20.02.1980 - VIII ZR 48/79]; BGH ZIP 1989, 785 (786) [BGH 11.05.1989 - IX ZR 222/88].
[37] Hess/Weis, Rn.108.
[38] Vgl. dazu Kuhn/Uhlenbruck, § 29 Rn. 24 m.w.N.

2.3.1 Mittelbare Gläubigerbenachteiligung

 

Rn 19

So liegt z.B. in der Veräußerung eines Grundstücks durch den Schuldner dann eine mittelbare Benachteiligung der Insolvenzgläubiger, wenn diese zwar zu einem angemessenen Preis erfolgt, der Schuldner aber die Gegenleistung verbraucht bzw. beiseite schafft, um sie dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen.[39] Ebenso benachteiligt die Gewährung eines Darlehens zu einem unter dem marktüblichen Zinssatz liegenden Entgelt die übrigen Gläubiger, weil diesen dadurch für die Laufzeit des Darlehens die Differenz zum üblichen Zins entgeht.[40] Auch in der Entfernung von Sicherungsgut durch einen Absonderungsberechtigten liegt wegen des Verlustes der Möglichkeit einer Gesamtverwertung sowie der Nutzungsbefugnis ein mittelbarer Nachteil.[41]

 

Rn 20

Selbst dann, wenn sich nur das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nachträglich zu Lasten der Masse verändert hat (Beispiele: vorrangige Sicherungsrechte Dritter an dem veräußerten Gegenstand sind nachträglich weggefallen, die verkauften Aktien sind nachträglich im Wert gestiegen), ist dies als mittelbare Benachteiligung der Insolvenzgläubiger anzusehen, da maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für das Vorliegen einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung der Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung ist.[42]

[39] Weitere Beispiele bei Bork, Rn. 212. Zu beachten ist allerdings die eingeschränkte Anfechtbarkeit von Bargeschäften gemäß § 142 trotz mittelbarer Benachteiligung der Masse durch anschließenden Verbrauch der Gegenleistung.
[40] BGH ZIP 1988, 725 (725) [BGH 21.04.1988 - IX ZR 71/87].
[41] Eckardt, ZIP 1999, 1734 (1739 f.).
[42] BGH ZIP 1993, 271 (274) [BGH 12.11.1992 - IX ZR 237/91].

2.3.2 Fehlende Gläubigerbenachteiligung

 

Rn 21

Andererseits liegt keine (auch nur mittelbare) Benachteiligung vor, wenn die Rückgewähr der vom Schuldner veräußerten Gegenstände nicht zu einer Mehrung der Insolvenzmasse führen würde. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn das veräußerte Grundstück über den Verkehrswert hinaus dinglich belastet ist[43] oder völlig gleichwertige Gegenstände ausgetauscht worden sind. Ist die gleichwertige Gegenleistung darüber hinaus zeitlich unmittelbar zur masseverkürzenden Handlung des Schuldners erlangt worden, so schränkt § 142 die Anfechtung auch für den Fall ein, dass das vom Schuldner Erlangte doch nicht der Masse zugute gekommen ist und damit an sich ein Fall der mittelbaren Benachteiligung gegeben wäre (z.B. wenn der Schuldner von vornherein die Absicht hatte, die Gegenleistung für sich zu verbrauchen oder sonst wie den Gläubigern zu entziehen). Dies soll gemäß § 142 nur dann nicht gelten, wenn gleichzeitig die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 (kollusives Zusammenwirken von Gläubiger und Schuldner) gegeben sind.

 

Rn 22

Besteht zu Gunsten der Insolvenzmasse ein (bereicherungsrechtlicher) Rückforderungsanspruch gegen den Leistungsempfänger, so ist eine Benachteiligung der Gläubiger regelmäßig ausgeschlossen. Erscheint jedoch die Realisierung dieses Anspruchs nicht unerheblich erschwert oder besteht die Gefahr eines gutgläubigen Erwerbs infolge einer weiteren Veräußerung des Leistungsempfängers, so liegt gleichwohl eine Benachteiligung vor. Dabei ist zu beachten, dass die für die Anfechtung geltende Ausschlussfrist des § 146 Abs. 1 von zwei Jahren nicht durch die anderweitige Klageerhebung unterbrochen wird. Daher ist von einer Benachteiligung bereits dann auszugehen, wenn die rechtliche Auseinandersetzung mit dem Bereicherungsschuldner voraussichtlich nicht vor Ablauf der Frist abgeschlossen ist.[44]

 

Rn 23

Ferner fehlt es an einer Gläubigerbenachteiligung, wenn Zahlungen auf Forderungen des späteren Insolvenzschuldners geleistet werden, die durch wirksamen Globalabtretungsvertrag an die dem Insolvenzschuldner Kredit gewährende Bank abgetreten waren.[45] Allerdings können selbst in diesem Fall einzelne Forderungen in anfechtbarer Weise er...

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