Gesetzestext

 

(1) Anfechtbar ist ein Rechtsgeschäft des Schuldners, das die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt,

1. wenn es in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit des Rechtsgeschäfts der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der andere Teil zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder
2. wenn es nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der andere Teil zur Zeit des Rechtsgeschäfts die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

(2) Einem Rechtsgeschäft, das die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt, steht eine andere Rechtshandlung des Schuldners gleich, durch die der Schuldner ein Recht verliert oder nicht mehr geltend machen kann oder durch die ein vermögensrechtlicher Anspruch gegen ihn erhalten oder durchsetzbar wird.

(3) § 130 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

Bisherige gesetzliche Regelungen

 

§ 30 KO [Konkursanfechtung]

Anfechtbar sind:

1. die nach der Zahlungseinstellung oder dem Antrage auf Eröffnung des Verfahrens von dem Gemeinschuldner eingegangenen Rechtsgeschäfte, durch deren Eingehung die Konkursgläubiger benachteiligt werden, wenn dem anderen Teile zu der Zeit, als er das Geschäft einging, die Zahlungseinstellung oder der Eröffnungsantrag bekannt war;
 

§ 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO Anfechtung von Rechtshandlungen

(1) Der Verwalter kann Rechtshandlungen des Schuldners anfechten, wenn

(…)

4. sie nach der Zahlungseinstellung oder dem Antrag auf Eröffnung der Gesamtvollstreckung gegenüber Personen vorgenommen wurden, denen zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder der Antrag auf Eröffnung der Gesamtvollstreckung bekannt war oder den Umständen nach bekannt sein mußte.

1. Der Anfechtungstatbestand des § 132 Abs. 1

 

Rn 1

In Anlehnung an die alte Regelung des § 30 Nr. 1 1. Fall KO erfasst § 132 Abs. 1 die Fälle einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung. Eine solche liegt dann vor, wenn der Schuldner keine oder keine angemessene Gegenleistung erhalten hat oder wenn er für eine ihm gegenüber unentgeltlich zu erbringende Leistung eine Gegenleistung versprochen oder gewährt hat.[1]

Anfechtbar sind wie schon nach § 30 Nr. 1 1. Fall KO und anders als bei § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO nur Rechtsgeschäfte des Schuldners. Damit werden – im Gegensatz zum umfassenderen Begriff der Rechtshandlung (§ 129 Rn. 4 ff.) – letztlich nur Verträge erfasst, wobei es allerdings nicht darauf ankommt, ob diese streng zweiseitig oder nur einseitig verpflichtend sind.[2] Auch die Erfüllung vertraglicher Verbindlichkeiten bedarf regelmäßig der Mitwirkung zweier Personen und ist deshalb ebenfalls erfasst.[3] Rechtsgeschäfte i.S.d. § 132 Abs. 1 sind nunmehr auch einseitige Rechtsgeschäfte wie Mahnung, Kündigung, Erlass oder Aufrechnung.[4] Nicht erfasst sind Rechtshandlungen, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewähren oder ermöglichen, da jene bereits von der Deckungsanfechtung der §§ 130, 131 erfasst werden.

[1] Bork, Rn. 212.
[2] Kilger/K. Schmidt, KO § 30 Anm. 3. So stellt etwa die Einverständniserteilung des Sicherungsgebers gegenüber der vom Sicherungsnehmer vorgeschlagenen Art der Verwertung des Sicherungsgutes eine derartige anfechtbare vertragliche Abrede dar (vgl. BGH NJW 1997, 1063 [BGH 09.01.1997 - IX ZR 1/96] [1065]).
[3] Hess/Weis, Rn. 344.
[4] BegrRegE, in: Kübler/Prütting, Bd. I, S. 344.

1.1 Die besonderen Voraussetzungen des § 132 Abs. 1 Nr. 1

 

Rn 2

§ 132 Abs. 1 Nr. 1 erfasst den Zeitraum der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag und setzt die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2) des Schuldners zum Vornahmezeitpunkt sowie die (positive) Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit zu jenem Zeitpunkt voraus.

1.2 Die besonderen Voraussetzungen des § 132 Abs. 1 Nr. 2

 

Rn 3

§ 132 Abs. 1 Nr. 2 regelt den Zeitraum nach Stellung des Eröffnungsantrags und setzt die (positive) Kenntnis entweder von der Zahlungsunfähigkeit oder von der Stellung des Eröffnungsantrags auf Seiten des Anfechtungsgegners zum Vornahmezeitpunkt voraus. Hinsichtlich der Problematik, dass der Anfechtungstatbestand des § 132 Abs. 1 Nr. 2 bei einer Antragstellung wegen drohender Zahlungsunfähigkeit im Extremfall zeitlich früher eingreifen kann als derjenige nach § 132 Abs. 1 Nr. 1, obwohl Letzterer auf die Zeit der Antragstellung zugeschnitten ist, vgl. entsprechend § 130 Rn. 15 f.

2. Der erweiterte Auffangtatbestand des § 132 Abs. 2

 

Rn 4

§ 132 Abs. 2 stellt den Rechtsgeschäften in § 132 Abs. 1 solche Rechtshandlungen des Schuldners gleich, durch die jener ein Recht verliert oder nicht mehr geltend machen kann oder durch die ein vermögensrechtlicher Anspruch gegen ihn erhalten oder durchsetzbar wird.

Damit kommt § 132 Abs. 2 eine Auffangfunktion für solche Rechtshandlungen zu, die eine gläubigerbenachteiligende Wirkung haben, ohne dass sie bereits unter die Deckungsanfechtung nach §§ 130, 131 oder die Anfechtung unmittelbar benachteiligender Rechtshandlungen nach § 132 Abs. 1 subsumiert werden können.

 

Rn 5

Insbesondere Unterlassungen, die in § 129 Abs. 2 den Rechtshandlungen gleichgestellt werden, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers über diese Auffangvorschrift erfasst werden.[5]

Zu beachten ist, dass in den Fällen des Abs...

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