Gesetzestext

 

1Hat sich jemand durch einen Dienst- oder Werkvertrag mit dem Schuldner verpflichtet, ein Geschäft für diesen zu besorgen, so gilt § 115 entsprechend. 2Dabei gelten die Vorschriften für die Ersatzansprüche aus der Fortsetzung der Geschäftsbesorgung auch für die Vergütungsansprüche. 3Satz 1 findet keine Anwendung auf Zahlungsaufträge sowie auf Aufträge zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen und Aufträge zur Übertragung von Wertpapieren; diese bestehen mit Wirkung für die Masse fort.

1. Allgemeines

 

Rn 1

Die Vorschrift entspricht inhaltlich den bisherigen §§ 23, 27 KO, der Gesetzgeber hat mit der nunmehrigen Regelung keine inhaltlichen Veränderungen beabsichtigt.[1]

Die Regelungssystematik ist insoweit gegenüber dem bisherigen Recht verändert, als zunächst als Grundnorm § 115 für den Auftragsvertrag umfassende Regelungen vorsieht, einschließlich der Regelung der Ansprüche des Beauftragten aus einer Fortsetzung der Geschäftsbesorgung über den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung hinaus, und § 116 für Geschäftsbesorgungsverträge auf die Regelung des § 115 verweist.

Die Systematik entspricht derjenigen des BGB, da für Dienst- oder Werkverträge, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben (§ 675 BGB), die Bestimmungen zum Auftrag gemäß §§ 662 ff. BGB überwiegend Anwendung finden.

 

Rn 2

Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 116 ist ein Dienst- oder Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung für den Schuldner zum Gegenstand hat und der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwischen dem Schuldner und dem Geschäftsbesorger abgeschlossen worden ist.

 

Rn 3

Erfasst werden nur Rechtsverhältnisse, in deren Rahmen der Schuldner dienstberechtigt ist, d.h. als sog. Geschäftsherr fungiert.

Nicht erfasst sind Vertragsverhältnisse, die den Schuldner zu einer Geschäftsbesorgung gegenüber einem Dritten verpflichten. Über die Arbeitskraft des Insolvenzschuldners kann der Insolvenzverwalter nicht disponieren, dieser entscheidet vielmehr selbst über die Verwendung seiner Arbeitskraft.

 

Rn 4

Lediglich die Vergütungsansprüche, die aus der Tätigkeit des Schuldners resultieren, unterliegen dem Insolvenzbeschlag, soweit sie der Zwangsvollstreckung unterliegen.[2]

 

Rn 5

Im Gegensatz zu dem weiten Begriff des Auftrags i.S.d. § 662 BGB ist der Geschäftsbesorgungsvertrag enger zu definieren.

Nach der Rechtsprechung ist die Geschäftsbesorgung zu definieren als eine selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art, für die ursprünglich der Geschäftsherr selbst zu sorgen hatte, die ihm aber von einem anderen abgenommen wird.[3]

 

Rn 6

Maßgebliche Merkmale für ein Geschäftsbesorgungsverhältnis i.S.d. § 675 BGB und damit auch des § 116 ist die Selbständigkeit der Tätigkeit, die wirtschaftlicher Art ist und in fremdem Interesse ausgeübt wird.

Geschäftsbesorgung ist regelmäßig rechtsgeschäftliches Handeln, in Betracht kommen auch rechtsgeschäftsähnliche und tatsächliche Handlungen.

 

Rn 7

Die Abgrenzung eines Geschäftsbesorgungsvertrags von einem Dienstvertrag oder Werkvertrag kann im Einzelfall schwierig sein, wobei maßgebliches Abgrenzungskriterium für einen Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.d. § 116 zu einem Dienstvertrag i.S.d. §§ 108, 113 das Merkmal der Selbständigkeit der Tätigkeit ist.

 

Rn 8

Die Tätigkeit ist selbständig, sofern Raum für eigenverantwortliche Überlegungen und eine eigene Willensbildung des Geschäftsbesorgers verbleibt, die Tätigkeit muss zudem wirtschaftlicher Art sein (im Gegensatz zu einer rein ideellen Tätigkeit), d.h. einen Bezug zum Vermögen des Geschäftsherren aufweisen.[4]

 

Rn 9

Dienstverträge i.S.d. §§ 108, 113 sind insbesondere die Arbeitsverhältnisse, zu denen auch die Dienstverträge mit Organen juristischer Personen gehören.[5]

Dies gilt sogar für den Geschäftsführer einer GmbH, der zugleich alleiniger Gesellschafter ist.[6]

 

Rn 10

Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen ist die Abgrenzung zwischen einem Dienstvertrag gemäß §§ 108, 113 und einem Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.d. § 116 relevant, im Übrigen hat die Abgrenzung zwischen Geschäftsbesorgungsverträgen einerseits und sonstigen Werkverträgen keine große praktische Bedeutung mehr, sofern man mit der neueren Rechtsprechung des BGH die Rechtswirkung des § 103 darin sieht, dass die Erfüllungsansprüche aus beiderseits noch nicht oder noch nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Verträgen mit der Verfahrenseröffnung erlöschen.[7] Die Abgrenzung ist stets für den jeweiligen Einzelfall zu treffen.

 

Rn 11

Maßgebliches Abgrenzungsmerkmal des Geschäftsbesorgungsvertrags i.S.d. § 116 zum Auftrag gemäß § 115 ist die Entgeltlichkeit der Tätigkeit des Geschäftsbesorgers, wobei die Abgrenzung zwischen Auftrag und Geschäftsbesorgungsvertrag wegen der identischen Rechtsfolgen regelmäßig unproblematisch ist.

 

Rn 12

Zweck der Regelung des § 116 ist ebenso wie bei § 115 die Sicherstellung des alleinigen Verwaltungs- und Verfügungsrechts des Insolvenzverwalters über die Insolvenzmasse und der Schutz vor Beeinträchtigungen durch Dritte.[8] Die Verwaltungstätigkeit soll nicht durch Dritte tangiert oder...

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